Wer sich als Beifahrer nicht anschnallt kann eine Mitschuld bei Unfällen treffen. Wie hoch dieses Mitverschulden ist, muss anhand der Unfallumstände ermittelt werden. Dabei ist es nicht nur ausschlaggebend, welche Verletzungen angeschnallt nicht eingetreten wären. Dies geht aus einer Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock hervor.
Eine Frau saß nicht angeschnallt auf dem Rücksitz im Auto. Der Fahrer fuhr 100 statt der erlaubten 80 km/h und kollidierte mit einem Baum. Dabei verstarb der Beifahrer. Sowohl der Fahrer selbst als auch die Frau wurden schwer verletzt. Die Frau ist seitdem schwerbehindert und benötigt rund um die Uhr Betreuung.
Von der Haftpflichtversicherung des Fahrers erhielt sie ein Schmerzensgeld von 30.000 Euro. Sie verlangte aber mindestens 320.000 Euro sowie eine Schmerzensgeldrente von mindestens 500 Euro monatlich.
Das Landgericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass die Frau einen wesentlichen Teil der Verletzungen nicht erlitten hätte, wenn sie angeschnallt gewesen wäre.
Urteil des OLG Rostock
Das Oberlandesgericht Rostock urteilte hingegen, dass die Frau Anspruch auf Schmerzensgeld, eine monatliche Schmerzensgeldrente, Verdienstausfall sowie weiteren Schadensersatz hat. Allerdings muss laut Urteil der Mitverschuldensanteil angerechnet werden. Bei der Berechnung reicht es aber nicht aus, nur auf die Verletzungen abzustellen, die ein Anschnallen verhindert hätte, wie es das Landgericht gemacht hatte. Vielmehr müssen eine Gesamtbetrachtung der Schadensentstehung und eine Abwägung aller Umstände erfolgen.
In diesem Fall berücksichtigte das Gericht auch den Anteil des Unfallverursachers: Er hat die zulässige Geschwindigkeit von 80 km/h um mehr als 25 Prozent überschritten und eine Kurve geschnitten. Daher wird sein Anteil mit zwei Dritteln berechnet. Die genauen gesundheitlichen Folgen und auch die Verdienstchancen der Frau müssten dann im Einzelfall überprüft werden. Sie haftet zu einem Drittel.
Entscheidung vom 25. Oktober 2019 (Oberlandesgericht Rostock, AZ: 5 U 55/17).
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