Versicherungsmakler ist treuhänderähnlicher Sachwalter des Versicherungsnehmers
Grundlage der Haftung des Versicherungsmaklers ist in vielen Bereichen die sogenannte „Sachwalterentscheidung“ des Bundesgerichtshofs vom 22. Mai 1985 (Az.: IVa ZR 190/83).
Mit dieser Entscheidung formulierte der BGH nicht nur Teile des Pflichtenkreises des Versicherungsmaklers aus, sondern traf auch eine wesentliche Entscheidung zur Frage der Beweislast bezüglich der Kausalität zwischen Pflichtverletzung des Versicherungsmaklers und eingetretenem Schaden.
Die Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB hat die Entscheidung daher nochmals aufgearbeitet:
Versicherungsmakler unterlässt die Eindeckung des zu versichernden Risikos
In dem Fall des BGH hatte ein Versicherungsmakler es unterlassen, ein Warenlager gegen das Risiko des Einbruchsdiebstahls zu versichern. Unstreitig hatte er einen solchen Auftrag vom Versicherungsnehmer erhalten. Die Eindeckung des Risikos verzögerte sich indes, da der Versicherungsnehmer plante, das Warenlager zu verlegen. Der Versicherungsmakler vermittelte daraufhin lediglich einen vorläufigen Deckungsschutz.
Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Nachdem das Warenlager verlegt wurde, benötigte der Versicherungsmakler zur endgütigen Absicherung des Risikos noch eine Sicherungsbeschreibung des neuen Lagers. An die Beibringung dieser Sicherungsbeschreibung erinnerte er den Versicherungsnehmer regelmäßig und verlängerte parallel den vorläufigen Deckungsschutz. Nach mehrfachen Verlängerungen des vorläufigen Deckungsschutzes lehnte jedoch der Versicherer irgendwann eine weitere Verlängerung ab. Hierüber informierte der Versicherungsmakler den Versicherungsnehmer nicht. Das Warenlager blieb daher unversichert.
Nach Ablauf der vorläufigen Deckung kam es alsdann zu einem Einbruchdiebstahl. Den hierdurch entstandenen Schaden verlangte der Versicherungsnehmer vom Versicherungsmakler ersetzt. Zu Recht wie der BGH urteilte.
Sachwalter: Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit
Der Eingangssatz des BGH ist Programm: Die Pflichten des Versicherungsmaklers gehen weit. Und so schreibt der BGH in seinem Urteil dem Versicherungsmakler ein weiten Tätigkeitsumfang in sein Pflichtenkatalog. Wörtlich heißt es beim BGH:
Er wird regelmäßig vom VN beauftragt und als sein Interessen- oder sogar Abschlußvertreter angesehen (Prölss/Martin, 23. Aufl. Anh. zu §§ 43 – 48 Anm. 1 und 2; Bruck/Möller, aaO Anm. 40). Er hat als Vertrauter und Berater des VN individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz oft kurzfristig zu besorgen (Gauer aaO S. 35). Deshalb ist er anders als sonst der Handels- oder Zivilmakler dem ihm durch einen Geschäftsbesorgungsvertrag verbundenen VN gegenüber üblicherweise sogar zur Tätigkeit, meist zum Abschluß des gewünschten Versicherungsvertrages verpflichtet (Trinkhaus, aaO S. 131; Gauer aaO S. 35; Bruck/ Möller, aaO Anm. 53 und 55). Dem entspricht, daß der Versicherungsmakler von sich aus das Risiko untersucht, das Objekt prüft und den VN als seinen Auftraggeber Ständig, unverzüglich und ungefragt über die für ihn wichtigen Zwischen-und Endergebnisse seiner Bemühungen, das aufgegebene Risiko zu plazieren, unterrichten muß (Gauer aaO 5. 45/46 und 54). Wegen dieser umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich der Versicherungsverhältnisse des von ihm betreuten VN als dessen treuhänderähnlicher Sachwalter (Trinkhaus, aaO S. 132 m.W.N. in Fn 21) bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden.
Der BGH stellt den Versicherungsmakler mit seiner Entscheidung damit auf die gleiche Stufe wie sonstige Berater, also zum Beispiel Rechtsanwälten und Steuerberatern. Anders als der Versicherungsvertreter, der eben im Auftrag des Versicherers tätig wird, trifft den Versicherungsmakler damit die Pflicht, die Interessen des Versicherungsnehmers wahrzunehmen. Vorrangiges Interesse des Versicherungsnehmers ist aber für das zu versichernde Risiko Versicherungsschutz zu erlangen. Die Besorgung eben jenes Versicherungsschutzes ist daher auch die Haupttätigkeitsverpflichtung des Versicherungsmaklers.
Beweislast bezüglich der Kausalität
Aus der Stellung als treuhänderähnlicher Sachwalter folgt auch, dass den Versicherungsmakler die Beweislast dafür trifft, dass der Schaden auch bei vertragsgerechter Erfüllung seiner Aufklärungs- und Beratungspflichten eingetreten wäre.
Soweit der Versicherungsmakler also behauptet, der Versicherungsnehmer hätte sich ohnehin über den erteilten Rat hinweggesetzt und die Absicherung eines Risikos entgegen der Empfehlung des Versicherungsmaklers unterlassen, so ist er hierfür beweisbelastet. Dieser Beweis ist regelmäßig kaum zu erbringen, da hierfür der innere Wille des Versicherungsnehmers nachgewiesen werden müsste. Tritt dieser Wille nicht in geäußerter Form nach außen, wird der Versicherungsmakler einen solchen Beweis kaum erbringen können.
Fazit
Das Versicherungsmaklerrecht wurde gerade in den vergangenen Jahren stark durch die VVG-Novelle und die EU-Vermittlerrichtlinie geprägt. Die durch den BGH mit seiner Sachwalterentscheidung geprägten Grundsätze gelten jedoch fort und sollten von jedem Versicherungsmakler beachtet werden. Der BGH hat mit seiner Entscheidung auch klargestellt, welche Unterschiede sich zur Haftung des Versicherungsvertreters ergeben, welcher eben als Vertriebsorgan des Versicherers nicht als Sachwalter des Versicherungsnehmers tätig wird und für den der weite Pflichtenkreis des Versicherungsmaklers aus der Sachwalterentscheidung daher nicht gilt. Versicherungsvermittler sollten daher gerade zu Beginn der eigenen Tätigkeit gut abwägen, welchen rechtlichen Status – Versicherungsmakler oder Versicherungsvertreter – sie annehmen wollen.
Autor: Rechtsanwalt Jens Reichow, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB