EuGH: Online-Händler müssen nicht per Telefon erreichbar sein

Der Verbraucherzentrale Bundesverband e. V. verklagte Amazon, um feststellen zu lassen, dass das Unternehmen gegen seine gesetzliche Verpflichtung verstößt, dem Verbraucher effiziente Mittel zur Kontaktaufnahme zur Verfügung zu stellen, weil es die Verbraucher nicht in klarer und verständlicher Weise über seine Telefonnummer und seine Telefaxnummer informiert.

(PDF)
Hand-mit-Telefon-aus-Laptop-225822053-FO-Sergey-NivensHand-mit-Telefon-aus-Laptop-225822053-FO-Sergey-NivensSergey Nivens / fotolia.com

Dem Bundesverband zufolge ist der Rückrufservice von Amazon nicht ausreichend, um die Informationspflichten zu erfüllen. Für den Verbraucher sei eine Vielzahl von Schritten erforderlich, um mit einem Ansprechpartner des Unternehmens in Kontakt zu treten. Nach deutschem Recht ist nämlich der Unternehmer verpflichtet, vor Abschluss eines Vertrags mit einem Verbraucher im Fernabsatz oder außerhalb von Geschäftsräumen stets seine Telefonnummer anzugeben.

BGH wendet sich an EuGH

Der Bundesgerichtshof wandte sich an den Europäischen Gerichtshof, um herauszufinden, ob die Richtlinie über die Rechte der Verbraucher einer solchen nationalen Regelung entgegensteht und ob der Unternehmer verpflichtet ist, einen Telefon- oder Telefaxanschluss beziehungsweise ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können. Auch wollte der BGH wissen, ob ein Unternehmer wie Amazon auf andere Kommunikationsmittel zurückgreifen kann, wie etwa einen Internet-Chat oder ein Rückrufsystem.

Unternehmer muss nicht telefonisch erreichbar sein

Der Europäische Gerichtshof urteilte, dass die Richtlinie einer solchen nationalen Regelung entgegensteht, und stellt fest, dass der Unternehmer nach der Richtlinie nicht verpflichtet ist, einen Telefon- oder Telefaxanschluss beziehungsweise ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher stets mit ihm in Kontakt treten können.

Die Richtlinie verpflichtet nur dann zur Übermittlung der Telefon- oder Telefaxnummer beziehungsweise seiner E-Mail-Adresse, wenn der Unternehmer über diese Kommunikationsmittel mit den Verbrauchern bereits verfügt.

Direkte Kommunikation muss gewährleistet sein

Zugleich stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie den Unternehmer verpflichtet, dem Verbraucher ein Kommunikationsmittel zur Verfügung zu stellen, das eine direkte und effiziente Kommunikation gewährleistet, wobei der Unternehmer auf andere Kommunikationsmittel als die in der Richtlinie genannten zurückgreifen kann, um diese Pflichten zu erfüllen.

Durch die Richtlinie soll ein hohes Verbraucherschutzniveau sichergestellt werden, indem die Information und die Sicherheit der Verbraucher bei Geschäften mit Unternehmern garantiert wird. Hierzu ist die Möglichkeit für den Verbraucher, mit dem Unternehmer schnell Kontakt aufzunehmen und effizient mit ihm zu kommunizieren, von grundlegender Bedeutung für die Wahrung und wirksame Durchsetzung der Verbraucherrechte, insbesondere des Widerrufsrechts.

Gleichwohl ist ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen einem hohen Verbraucherschutzniveau und der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen sicherzustellen, wie aus derselben Richtlinie hervorgeht, und dabei die unternehmerische Freiheit des Unternehmers, wie sie in der Charta der Grundrechte der Europäischen Union gewährleistet wird, zu wahren.

Stete telefonische Erreichbarkeit unverhältnismäßig

Dem Europäischen Gerichtshof erscheint eine unbedingte Verpflichtung des Unternehmers, dem Verbraucher stets eine Telefonnummer zur Verfügung zu stellen oder gar einen Telefonanschluss, Faxanschluss oder ein E-Mail-Konto neu einzurichten, damit die Verbraucher mit ihm in Kontakt treten können, unverhältnismäßig.

Hinsichtlich der Bedeutung der in der Richtlinie enthaltenen Wendung „gegebenenfalls“ bezüglich der drei gängigen Kommunikationsmittel zwischen Verbraucher und Unternehmer (Telefon, Telefax, E-Mail) ist der Gerichtshof trotz der Unterschiede zwischen den Sprachfassungen der Ansicht, dass diese Wendung die Fälle erfasst, in denen der Unternehmer über ein solches Kommunikationsmittel verfügt und es den Verbrauchern zur Verfügung stellt.

Andere Kommunikationsmittel sind möglich

Darüber hinaus steht die Richtlinie dem nicht entgegen, dass der Unternehmer andere Kommunikationsmittel zur Verfügung stellt, sofern dadurch eine direkte und effiziente Kommunikation zwischen dem Verbraucher und dem Unternehmer ermöglicht wird. Dies setzt voraus, dass die Informationen bezüglich dieser Kommunikationsmittel dem Verbraucher in klarer und verständlicher Weise zugänglich gemacht werden.

Nationale Gerichte müssen beurteilen

Der Gerichtshof weist darauf hin, dass es Sache der nationalen Gerichte ist, zu beurteilen, ob die dem Verbraucher vom Unternehmer zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel es dem Verbraucher ermöglichen, mit dem Unternehmer schnell in Kontakt zu treten und effizient mit ihm zu kommunizieren, und ob die Informationen über diese Kommunikationsmittel in klarer und verständlicher Weise zugänglich sind.

In Bezug auf diesen letzten Punkt stellt der Gerichtshof fest, dass der Umstand, dass eine Telefonnummer erst nach einer Reihe von Klicks auf der Internetseite verfügbar ist, als solcher nicht impliziert, dass die zur Übermittlung der Information an den Verbraucher verwendete Art und Weise nicht klar und verständlich ist.

Urteil vom 10. Juli 2019 (Gerichtshof der Europäischen Union, C-649/17)

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Anzugtraeger-Richterhammer-Papier-278482044-AS-ntinaiAnzugtraeger-Richterhammer-Papier-278482044-AS-ntinaiAnzugtraeger-Richterhammer-Papier-278482044-AS-ntinai
Marketing & Vertrieb

Pflichtverletzung des Vermittlers: So ermittelt der BGH den Schaden des Versicherten

Kommt es zu einer Pflichtverletzung des Versicherungsvermittlers, so stellt sich die Frage, wie sich der Schaden des Versicherten bestimmen lässt. Auf diese Frage gibt der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung vom 26. März 2014 (Az.: IV ZR 422/12) eine Antwort. Der Versicherte kann vom Versicherungsvermittler danach eine Quasideckung verlangen.
Anzugtraeger-Bargeld-174645451-FO-Teodor-LazarevAnzugtraeger-Bargeld-174645451-FO-Teodor-LazarevTeodor Lazarev / fotolia.comAnzugtraeger-Bargeld-174645451-FO-Teodor-LazarevTeodor Lazarev / fotolia.com
Marketing & Vertrieb

BGH soll Honorarregeln für Versicherungsberater prüfen

Die Minerva KundenRechte GmbH stellt ein erfolgsabhängiges Honorar in Rechnung, wenn sich privatversicherte Verbraucher über einen neuen Krankenversicherungstarif beraten lassen. So bemisst sich das Honorar letztlich danach, wie hoch eine Ersparnis bei einem neuen Tarif ausfällt. Der der Bund der Versicherten e. V. (BdV) sieht dies als nicht sachgerecht für eine Versicherungsberaterin an.
Shower Head with Water Stream on Black BackgroundShower Head with Water Stream on Black BackgroundBillionPhotos.com – stock.adobe.comShower Head with Water Stream on Black BackgroundBillionPhotos.com – stock.adobe.com
Marketing & Vertrieb

Fugenschäden: Akquisechance oder Haftungsrisiko?

Als Versicherungsmakler, der Gebäudeversicherungsverträge vermittelt oder im Bestand hat, sollte die Entscheidung des BGH aufhorchen lassen! Den Prozessverlauf stelle ich Ihnen gleich noch ein wenig genauer dar. Das Ergebnis vorweg: Der BGH hat entschieden, dass die undichte Fuge bei einer Duschkabine keinen versicherten Leitungswasserschaden (mehr) darstellt. Denn die Duschkabine sei nach Auffassung des BGH eben keine „sonstige Einrichtung“ im Rohrleitungssystem, wie es die ...
Portrait of grey-haired senior handsome smiling man working from home. Communication online with colleagues and video conference. Online meeting, video call, remote workingPortrait of grey-haired senior handsome smiling man working from home. Communication online with colleagues and video conference. Online meeting, video call, remote workingYURII MASLAK – stock.adobe.comPortrait of grey-haired senior handsome smiling man working from home. Communication online with colleagues and video conference. Online meeting, video call, remote workingYURII MASLAK – stock.adobe.com
Marketing & Vertrieb

Digitale Offensive für die Kundenberatung

Beratung mittels Screensharing, um beispielsweise Vordrucke und Policen bequem miteinander zu besprechen: Versicherungen können mit der Online-Videoberatung „onvico“ persönliche Gespräche absolut sicher und ganz einfach im Netz führen – so, als befänden sich die Gesprächspartner an einem Ort. Die Übertragung erfolgt verschlüsselt, die Server stehen in Deutschland.
Uhr-Richterhammer-254211308-AS-sergignUhr-Richterhammer-254211308-AS-sergignsergign – stock.adobe.com (2) © EVERS Rechtsanwälte für VertriebsrechtUhr-Richterhammer-254211308-AS-sergignsergign – stock.adobe.com (2) © EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht
Marketing & Vertrieb

AGB-mäßige Verkürzung der Verjährung in Vertreterverträgen

Das OLG Stuttgart hat entschieden, dass AGB-Klauseln in Vertreterverträgen, die die Verjährung verkürzen, unwirksam sein können.
Zahnpasta-Smiley-245252122-AS-New-AfricaZahnpasta-Smiley-245252122-AS-New-AfricaNew Africa – stock.adobe.comZahnpasta-Smiley-245252122-AS-New-AfricaNew Africa – stock.adobe.com
Marketing & Vertrieb

Zahnzusatz: Versicherer setzen auf Social Media

In der „Marketing-Mix-Analyse Zahnzusatzversicherung 2020“ hat research tools zehn Versicherer analysiert. Die markantesten Unterschiede der jeweiligen Marketingperformances treten im Bereich der Kommunikation hervor.

Mehr zum Thema

Michael Schillinger (l.), Vertriebsvorstand, und Andreas Bahr, Bereichsleiter Maklerorganisation, INTER VersicherungsgruppeMichael Schillinger (l.), Vertriebsvorstand, und Andreas Bahr, Bereichsleiter Maklerorganisation, INTER Versicherungsgruppe
Marketing & Vertrieb

INTER: „Makler müssen die Lebenswelt ihrer Zielgruppe verstehen.“

Michael Schillinger und Andreas Bahr von der INTER erklären, wie wichtig Zielgruppenspezialisierung für Makler ist und wie die INTER ihre Partner dabei unterstützt – von maßgeschneiderten Produkten bis hin zu persönlicher Beratung vor Ort. Es ist der zweite Teil eines Interviews, das zuerst im expertenReport 10/24 erschien.

Michael Schillinger (l.), Vertriebsvorstand, und Andreas Bahr, Bereichsleiter Maklerorganisation, INTER VersicherungsgruppeMichael Schillinger (l.), Vertriebsvorstand, und Andreas Bahr, Bereichsleiter Maklerorganisation, INTER Versicherungsgruppe
Marketing & Vertrieb

INTER: „Schema F gibt es nicht mehr.“

Der Maklermarkt befindet sich in einem stetigen Wandel. Das fordert nicht nur die freien Vermittlerinnen und Vermittler selbst, sondern auch die Versicherer. Vertriebsvorstand Michael Schillinger und Bereichsleiter Maklerorganisation Andreas Bahr erzählen im Interview mit expertenReport, wie die INTER auf die Entwicklungen reagiert und welche eigenen Akzente sie setzen will.

DALL-EDALL-E
Marketing & Vertrieb

Maklermedien auf dem Prüfstand: Die MRTK Media-Analyse 2024

Welche Medien erreichen Makler wirklich? Die „MRTK Media-Analyse 2024“ zeigt: Print und Newsletter sind für Makler gleichermaßen wichtig.

Dirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner und Leiter der globalen Insurance-Practice bei Simon-KucherSimon-KucherDirk Schmidt-Gallas, Senior-Partner und Leiter der globalen Insurance-Practice bei Simon-KucherSimon-Kucher
Marketing & Vertrieb

Rabatte in der Assekuranz: Vom Rendite-Killer zum Vertriebs-Turbo

Rabatte sind ein wichtiger Hebel im Wettbewerb, doch zu oft fehlen klare Strategien. Experte Dirk Schmidt-Gallas (Simon-Kucher) zeigt, wie Versicherer mit smarter Rabattsteuerung Profitabilität und Kundenzufriedenheit steigern können.

Mehr oder weniger zaghaft öffnen Versicherer ihren Ausschließlichkeits-Vertrieb, zeigen Beispiele von ALH-Gruppe und Zurich (Symbolbild).DALL-EMehr oder weniger zaghaft öffnen Versicherer ihren Ausschließlichkeits-Vertrieb, zeigen Beispiele von ALH-Gruppe und Zurich (Symbolbild).DALL-E
Marketing & Vertrieb

Vertrieb im Wandel: Öffne dich, Ausschließlichkeit

Versicherer öffnen ihren Ausschließlichkeits-Vertrieb für Mehrfachagenten, um Produktlücken zu schließen und den Vermittlerschwund zu bekämpfen. Wie ALH und Zurich unterschiedliche Ansätze verfolgen.

entspannter geschäftsmann liest am laptopentspannter geschäftsmann liest am laptopcontrastwerkstatt – stock.adobe.comentspannter geschäftsmann liest am laptopcontrastwerkstatt – stock.adobe.com
Marketing & Vertrieb

Wie Branded Content Marken helfen kann, Vertrauen aufzubauen und Kunden zu binden

Insbesondere im Finanzsektor steht Sponsored Content vielfach noch am Anfang. Dabei bietet Branded Content viel Potential und kann helfen, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Wie das gelingen kann.