Vorbild Bundeswehr: Durch Standards agil werden

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Kundenbedürfnisse und Märkte ändern sich derzeit rasant. Gerade etablierte Unternehmen müssen lernen, auf diese flexibel zu reagieren, um auch zukünftig erfolgreich zu sein. Für Versicherer mit ihrem immateriellen Gut sind vor allem neue technologische Möglichkeiten ein entscheidender Hebel. Dadurch ändern sich aber auch die Ansprüche und Erwartungen ihrer Kundinnen und Kunden.

Ein Beitrag von Florian Petermann, Senior Business Developer, und Joseph Gloßner, Leiter des Competence Center „Quality Management Insurance“, adesso SE

Florian Petermann, Senior Business Developer für die Produkte Aisaac sowie in|sure Workflow und in|sure Workplace, adesso insurance solutions GmbH © adesso insurance solutions GmbH

Ein aktueller Trend, der sich in Zukunft noch verstärken wird, ist die Nutzung unterschiedlicher Vertriebskanäle bei „einfachen“ Versicherungsprodukten wie Haftpflichtversicherungen einerseits sowie beratungsintensiven und komplexen Versicherungsprodukten wie Altersvorsorge andererseits. Dieser Trend stellt den Versicherungsvertrieb vor Herausforderungen.

Denn Vergleichsportale und Onlineauftritte für einfache Produkte sind modern, übersichtlich und intuitiv gebaut, die Beratungs- und Angebotsanwendungen für komplexe Produkte dagegen oftmals veraltet und kompliziert. Eine direkte Beratung der Kundin oder des Kunden vor dem Bildschirm ist so nur schwer möglich.

Joseph Gloßner, Leiter des Competence Center „Quality Management Insurance“, adesso SE © adesso SE

Weiterhin sind die Tätigkeitsfelder des Versicherungsvertriebs breit gefächert, so dass viel Wissen vor- und nachgehalten werden muss. Die aktuell zur Verfügung stehenden Dokumentations-, Wissens- und Ansprechpartnerdatenbanken eignen sich hierfür nur bedingt. Darüber hinaus werden immer mehr Agenturen und Filialen geschlossen und stattdessen Experten-Center aufgebaut.

Daher wird es für den Versicherungsvertrieb zukünftig vermutlich schwerer als bisher, die terminlichen Kapazitäten der Kundschaft und der Spezialistinnen und Spezialisten zusammenzuführen. Dennoch ist es zwingend erforderlich, dass alle die gleiche Sicht auf Kunden haben, um qualitativ beraten zu können.

Bestehende Vertriebsstrukturen in abgegrenzten Bereichen oder Kundenstämmen können außerdem dazu führen, dass in Silos gearbeitet wird. Dadurch ist in Agenturen oder Maklerhäusern oftmals kein Teamgefühl vorhanden und das volle Potenzial wird nicht ausgeschöpft. Vertriebsziele werden häufig quantitativ vorgegeben und durch ständiges Reporting nachgehalten. Dieses Micromanagement erhöht den gefühlten Vertriebsdruck und führt vor allem langfristig zu einem Verlust des freien Gestaltungs- und Entscheidungsspielraums und von innovativen Ideen.

Für den nötigen Transformationsprozess werden als Vorbilder häufig die großen, dynamischen Tech-Unternehmen, wie beispielsweise Amazon oder Google gesehen. Versicherer können aber auch einiges von der Bundeswehr lernen, insbesondere wenn es darum geht, mit Standards schnell und agil ihre Ziele zu erreichen.

Vorbild Bundeswehr

Wichtiger Erfolgsfaktor der Bundeswehr ist eine Unternehmenskultur, die auf Vertrauen, Transparenz und Kommunikation basiert. Das Vertrauen in eigenverantwortliches Handeln ist in der Bundeswehr traditionell fest verankert.

Auf den Versicherungsvertrieb übertragen, bedeutet das, dass Führungskräfte ohne übertriebenes Micromanagement- oder Kontrollstrukturen darauf vertrauen können, dass die vorgegebenen Ziele bestmöglich erreicht werden. Vertreter hingegen müssen darauf bauen können, dass ihnen sinnvolle Ziele vorgegeben werden.

Die Werte Transparenz und Kommunikation werden bei der Bundeswehr zum Beispiel durch einen gemeinsamen „Führungskreis“ gelebt, in dem jeden Morgen die tagesaktuelle Lage besprochen wird. Dies hat sich auch in der agilen Softwareentwicklung bewährt: In Form eines Daily-Standup stimmt sich das gesamte Team täglich, maximal 15 Minuten, untereinander ab. Eine solche Abstimmung bietet sich auch in einer Agentur oder in einem Maklerhaus an. Ein weiteres Best Practice der Bundeswehr ist die Meldung „Auftrag entgegengenommen“, „Auftrag verstanden“. Dies gibt dem Auftraggebenden das Vertrauen, dass der Auftrag bestmöglich durchgeführt wird.

Ein weiterer wesentlicher Schlüssel ist das nachhaltige Wissens- und Informationsmanagement der Bundeswehr. Das Wissen ist transparent in Form von (digitalen) Taschenkarten aufbereitet und jederzeit zugänglich. Bei Versicherern und im Versicherungsvertrieb existiert enorm viel, auch dokumentiertes, Wissen. Es müsste allerdings standardisiert aufbereitet werden, damit es allen transparent, aktuell und übersichtlich zur Verfügung steht.

Darüber hinaus sind dynamische, aktuelle und passgenaue Informationen bei der Bundeswehr erforderlich, um die Lage jederzeit korrekt einschätzen zu können. Dies trifft auf alle am Vertriebsprozess Beteiligten ebenso zu: Werden ihnen zu viele Informationen angezeigt, können relevante Inhalte leicht überlesen werden, fehlen Informationen, zum Beispiel zum Vertrag oder Vertragspartner, ist kein ganzheitliches Bild vorhanden. Beides kann leicht zu falschen Entscheidungen führen.

Fazit

Unter dem Strich kann also auch das Versicherungswesen von bei der Bundeswehr gelebten Prozessen, wie Standardisierung in der Kommunikation, im Wissens- und Informationsmanagement sowie bei der Vermittlung gemeinsamer Werte, in der Arbeit mit Kundinnen und Kunden nur profitieren.

Zu den Autoren

Florian Petermann betreut als Senior Business Developer die Produkte Aisaac sowie in|sure Workflow und in|sure Workplace der adesso insurance solutions GmbH. Er verfügt durch langjährige Erfahrung über fundierte Kenntnisse in der Versicherungsbranche und im agilen Projektmanagement.

Joseph Gloßner ist Leiter des Competence Center „Quality Management Insurance“ bei adesso SE und ein erfahrener Agile Coach für Bancassurance. Als Qualitätsmanager nach DIN EN ISO 9001 und Leiter der Community of Practice Agile@Insurance setzt er sich für die Förderung agiler Praktiken in der Versicherungsbranche ein. Seine Expertise umfasst Prozessoptimierung und Organisationsentwicklung.

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