Cybersicherheit: Neue Richtlinie "NIS2" verpflichtet auch kleinere und mittlere Unternehmen
Die überarbeitete EU-Richtlinie für Network and Information Security (NIS 2) läutet eine Zeitenwende in der Bekämpfung von Cyberangriffen ein. Die aktualisierte Richtlinie nimmt nun auch kleine und mittlere Unternehmen (KMU) in die Pflicht. Damit soll die Cybersicherheit in Unternehmen europaweit gestärkt und die allgemeine Bedrohungslage reduziert werden.
Ein Beitrag von Miriam Marx, Rechtsanwältin und Head of Financial Lines bei MRH Trowe
Der Blick auf die Zahlen der von Cyber-Angriffen bedrohten Unternehmen erklärt, warum: 2022 waren bereits 84 Prozent aller Firmen in Deutschland Opfer eines Angriffs auf ihre IT-Systeme. Die Zahlen steigen stetig. Zu beachten ist zudem die neu eingeführte Haftung und persönliche Verantwortung von Leitungsorganen.
Cyber-Angriffe bedrohen Unternehmen aller Größen und Branchen. Deshalb wurde in der NIS2-Richtilinie der Kreis der Unternehmen, die von der Umsetzung betroffen sind, ausgeweitet. Letztlich gibt es kaum eine Branche, die nicht betroffen ist. Mit Inkrafttreten der neuen Richtlinie, deren Umsetzung in deutsches Recht im Herbst 2023 erfolgen muss, sind dann alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitenden und einem Umsatz von mehr als zehn Millionen Euro betroffen.
NIS 2 fordert die Unternehmensleitung
NIS 2 ist deshalb mehr als nur ein Regelwerk. Die Richtlinie markiert einen Meilenstein auf dem Weg zu einer sichereren digitalen Welt. Insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen bringt NIS 2 neue Anforderungen und Herausforderungen mit sich: Von der Einführung von Richtlinien und Standards für Informationssicherheit bis hin zur Entwicklung von Präventionsmaßnahmen, der Erkennung und Abwehr von Cyberangriffen sowie dem Aufbau eines robusten Incident Managements reichen die Maßnahmen, die die Unternehmensleitung zu beachten hat.
Sie müssen ferner die Geschäftskontinuität sicherstellen und Lieferketten schützen. Schon der funktionale Anforderungskatalog ist umfangreich. Gleichzeitig werden die neu geforderten technologischen und prozessualen Standards von strengen Vorgaben für das Meldewesen begleitet.
Mit NIS 2 rückt auch die persönliche Haftung von Geschäftsleitern in den Fokus. In einer Zeit, in der Unternehmen vermehrt von Cyberangriffen betroffen sind, erhöht sich somit der Druck auf Entscheider, sich aktiv mit Cybersicherheit auseinanderzusetzen. Die Organhaftung gilt übrigens auch bei Delegation! Hier müssen dann Kontrollpflichten eingehalten werden. Die Delegation schützt also nicht vor einer möglichen persönlichen Inanspruchnahme.
Cyberrisiken haben eine hohe Relevanz im Risk-Management. Zusammen mit Inflation („Chart-Stürmer“), Klimarisiken („Dauerbrenner“) und der Furcht vor einer neuen Finanzkrise ist Cyber als tägliches Risiko präsent. Deshalb muss auch die Herangehensweise in der Unternehmensführung und im Risikomanagement überdacht werden.
Drohen Regressforderungen gegen die Unternehmensleitung?
Die Rechtsprechung zu Haftungsfragen des Managements, gerade im Rahmen der Bußgeldregresse, ist noch uneinheitlich. So lehnt zum Beispiel eine jüngste Entscheidung des OLG Düsseldorf (Urteil vom 27.7.2023 – VI-6 U 1/22 (Kart)) zum Thema Kartellrechtsbußen und Kartellrechtsschadenersatz die Regressfähigkeit von Kartellunternehmensgeldbußen ab. Im Gegensatz dazu bestätigt das Gericht eine persönliche Haftung von Vorständen und Geschäftsführern dem Grunde nach für Schäden, die ihrem Unternehmen durch Schadensersatzzahlungen an Kartellgeschädigte entstanden sind.
Die höchstrichterliche Entscheidung durch den BGH bleibt noch abzuwarten. Es ist fraglich, ob der BGH zwischen Kartellunternehmensgeldbußen und Kartellschadenersatz unterscheiden wird. Die Frage nach der Regressfähigkeit von Unternehmensgeldbußen stellt sich auch im Datenschutzrecht, Lieferkettensorgfaltspflichtgesetz und Kapitalmarktrecht.
Es zeigt sich, dass im Rahmen des Compliance Managements gerade auch das Thema Cyber auf der Agenda der Geschäftsleitung stehen muss. Je mehr unsere Abhängigkeit von digitalen Systemen zunimmt, ist es unsere Pflicht, die Cybersicherheit auf allen Ebenen zu stärken.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Cyberrisiken: Jeder siebte Betrieb verliert mindestens einen Arbeitstag
Cyberangriffe sind längst kein Randphänomen mehr: Eine neue Studie des Industrieversicherers QBE zeigt, dass jedes siebte mittelständische Unternehmen (14 Prozent) im vergangenen Jahr mindestens einen Arbeitstag durch einen Cybervorfall verloren hat. Besonders brisant: In fast 60 Prozent der Fälle war eine Schwachstelle in der Lieferkette ausschlaggebend.
Cyberversicherung: Nur wenige Internetnutzer in Deutschland sind abgesichert
Die meisten Internetnutzer in Deutschland verzichten auf eine Cyberversicherung – trotz wachsender Risiken durch Online-Betrug, Identitätsdiebstahl und Datenverlust, zeigt eine aktuelle Bitkom-Umfrage.
Cybersecurity im Finanzsektor: Persönliche Apps und generative KI als Risiko
Finanzdienstleister stehen zunehmend vor Herausforderungen im Bereich Cybersicherheit. Der aktuelle Threat Labs Report von Netskope zeigt, dass persönliche Apps und generative KI erhebliche Risiken für den Schutz regulierter Daten darstellen. Besonders betroffen sind Finanzunternehmen, die sensible Informationen verwalten und verstärkt ins Visier von Cyberkriminellen geraten.
“Der Versicherungsmarkt bröckelt: Pflicht-Cyberversicherungen als Rettungsanker für Unternehmen?“
Trotz regelmäßiger Warnungen ergreifen viele Unternehmen nicht die notwendigen Maßnahmen, um ihre IT-Infrastruktur effektiv abzusichern. Die Passivität führt zu immensen wirtschaftlichen Schäden und bringt auch den Versicherungsmarkt ins Wanken. Ziehen sich Versicherer aus dem Segment zurück, entsteht eine fatale Entwicklung für die Unternehmen und den Markt.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Baobab Insurance: 12 Millionen Euro für die Abwehr intelligenter Cyberangriffe
Das Berliner InsurTech Baobab Insurance hat sich mit einer Series-A-Finanzierung in Höhe von 12 Millionen Euro eindrucksvoll auf der Landkarte der europäischen Cyberversicherer positioniert.
Cybermarkt 2025: Hohe Ablehnungsquote trifft auf wachsende Vermittlungschancen
Der MRTK Cyber-Monitor zeigt: Immer mehr Anträge auf gewerbliche Cyberversicherungen werden abgelehnt – doch die Nachfrage wächst. Makler benötigen klare Orientierung in einem stark fragmentierten Markt.
Wie Unternehmen Sicherheitsrisiken in der Cloud vorbeugen
Cloud-Umgebungen bieten viele Vorteile. Warum sie auch ein gezieltes Risiko-Management erfordern, erklärt Jerome Evans, Gründer und Geschäftsführer der firstcolo GmbH.
Versicherungen im Visier: Diese KI-basierten Cyberbedrohungen nehmen zu
Künstliche Intelligenz verändert die Cyber-Bedrohungslage grundlegend – und macht Angriffe präziser, schneller und schwerer zu erkennen. Ein aktueller Überblick von Delinea zeigt vier besonders gefährliche Angriffsmuster. Unternehmen sind gefordert ihre Schutzkonzepte zu überdenken und auf intelligente Identitätskontrollen zu setzen.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.