Tool zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen

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Kaum eine Maklerfirma weiß, wie mit der künftig verpflichtenden Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen umzugehen ist. Nun hat die Finanzbranche dafür ein passendes Instrument entworfen – obendrein nach DIN-Norm. Der neue Standard könnte so manches vereinfachen.

Ein Beitrag von Dr. Klaus Möller Vorstand DEFINO Institut für Finanznorm AG

Dr. Klaus Möller, Vorstand, DEFINO Institut für Finanznorm AG

Lange Zeit herrschte unter Maklern und Vermittlern großes Rätselraten, wie denn ab Anfang August die neue EU-Vorschrift zur Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von Verbrauchern zu bewerkstelligen sei. Was bedeutet eigentlich Nachhaltigkeit, wie lässt sich ein Nachhaltigkeitsprofil bei Verbrauchern ermitteln, für das dann künftig Produkte gefunden werden könnten? Ein Werkzeug musste her.

Nun gibt es derer viele, von Verbänden und Unternehmen, aber welches davon ist EU-konform und haftungssicher? Ein solches Instrument steht nun als Entwurf vor der Tür. Mitgewirkt haben Banken, Kapitalanlage-Gesellschaften, Versicherer und Vertriebe sowie neben den großen Vermittlerverbänden auch Verbraucherschützer des Bundes der Versicherten und des Verbraucherrates beim Deutschen Institut für Normung (DIN) sowie

Vertreter von Initiativen mit ausgewiesener Nachhaltigkeits-Expertise wie des Forums Nachhaltige Geldanlagen FNG, des German Sustainability Network GSN von V.E.R.S Leipzig und SAP Deutschland sowie des Sustainable-Finance-Beirates des Bundesfinanzministeriums. Es handelt sich um den Entwurf eines Erweiterungsmoduls für die bestehende DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“, erarbeitet von Experten für die Praktiker.

Quadratur des Kreises? – Zwischen Regulatorik, Einfachheit und Lösungsorientierung

Das Modul soll als Werkzeug dienen, mit dessen Hilfe Makler und Vermittler künftig die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen von Verbrauchern vornehmen können, die sowohl den Anforderungen einer teilweise widersprüchlichen, teilweise noch unfertigen Regulatorik genügt als auch im Vertrieb leicht umsetzbar ist und – nicht zuletzt – zu Ergebnissen führt. Viel zu viele Marktteilnehmer sahen sich bislang bei dem Gedanken überfordert, die sogenannten „ESG-Vorschriften“ mit dem Risikoprofil, Dauer und Renditeerwartung der Kunden zusammenzubringen.

Eine Nachhaltigkeitspräferenzen-Abfrage für alle Fälle

Die Abfrage-Logik ist so formuliert, dass sie den Erweiterungen von MiFID II (Richtlinie 2014/65/EU über Märkte für Finanzinstrumente) und IDD (Richtlinie (EU) 2016/97 über den Versicherungsvertrieb) durch die Durchführungsverordnungen (EU) 2021/1253 und (EU) 2021/1257 ab dem 02.08.2022 entspricht und deshalb auch in der Anlageberatung Verwendung finden kann. Sie sollte auch Teil der ganzheitlichen Finanzanalyse sein können, wenn Verbraucher jenseits von Anlageprodukten bei der Erledigung selbst einfacher Finanzthemen, zum Beispiel mit ihrer Haftpflicht- oder Hausratversicherung, Nachhaltigkeitsziele verfolgen wollen.

Deshalb wird die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen nach ihrer endgültigen Verabschiedung und Veröffentlichung ein Modul, ein Anhang der bereits bestehenden DIN-Norm 77230 „Basis-Finanzanalyse für Privathaushalte“ sein. Dieses Modul kann, aber muss nicht, im Kontext der 77230-Analyse zum Einsatz kommen. Und es kann – und sollte – ebenso ab dem 02.08.2022 zur Vervollständigung der gerade einstimmig verabschiedeten Endfassung der DIN 77223 „Risikoprofilierung von Privatanlegern“ oder anderer, vertriebseigener Risikoprofilierungsprozesse eingesetzt werden.

In drei bis sieben Schritten zum Ziel

Das Ergebnis der Ausschussarbeit ist eine Prozessbeschreibung für sieben Abfrageschritte, die sich folgendermaßen überschreiben lassen:

  1. Abfrage des grundsätzlichen Interesses an der Verfolgung von Nachhaltigkeitszielen
  2. Abfrage des Interesses an inhaltlicher Schwerpunktsetzung auf der Ebene „Environmental“ (E) und „Social“ (S)
  3. Frage nach der Priorisierung bestimmter Einzelthemen innerhalb von E und S
  4. Feststellung der gewünschten Intensität, mit der die Ziele verfolgt werden sollen
  5. Feststellung des jeweils für E und S gewünschten Mindestanteils
  6. Frage nach dem Einverständnis zur Anlage in Unternehmen in Transformation
  7. Abfrage möglicherweise gewünschter Ausschlüsse

Die Reihenfolge der Schritte ist idealtypisch, kann aber in weiten Teilen flexibel umgesetzt werden. Unverrückbar ist, dass Frage 1 am Anfang zu stehen hat und dass die Fragen 4 und 5 unmittelbar und in dieser Folge aneinandergekoppelt sind. Ansonsten kann bei der Reihung der Fragen große Freiheit walten. Mit der Begründung „Viele Menschen können leichter formulieren, was sie nicht wollen, als was sie wollen“ mögen Berater die Frage nach möglichen Ausschlüssen sogleich an Frage 1 anschließen wollen. Andere mögen es vorziehen, unmittelbar an die Grundsatzfrage die nach der Anlage in Unternehmen oder Institutionen auf dem Wege der Transformation anzuschließen.

Keine explizite Schwerpunktsetzung? – Die „durchschnittlich nachhaltige“ Anlage

Der Vorteil der in der Norm vorgeschlagenen Reihenfolge liegt darin begründet, dass sie wahrscheinlich in vielen Fällen zu einem schnellen und doch positiven Ergebnis führen kann: Viele Verbraucher werden sich nämlich damit schwertun, eine inhaltliche Schwerpunktsetzung zwischen den Umweltthemen (E) und den sozialen beziehungsweise gesellschaftlichen Themen (S) zu formulieren.

Für den Fall, dass Verbraucher das zum Ausdruck bringen, eröffnet die Norm den Finanzberatern die Möglichkeit, ihnen „durchschnittlich nachhaltige Produkte“ anzubieten. Was als „durchschnittlich nachhaltig“ gelten kann, definiert die Norm in Bezug auf die Priorisierung, die Intensität, die Mindestanteile und durch die Öffnung für Unternehmen in Transformation. Sie führt damit Berater und Verbraucher implizit an den Fragen 3 bis 6 vorbei, was in der Dokumentation der Abfrage entsprechend festzuhalten ist. Lediglich die Frage nach möglichen Ausschlüssen muss zwingend noch gestellt werden.

Die Quintessenz: Wer es – als Verbraucher! – einfach will, kann es normkonform einfach haben und muss sich nicht durch Fragen quälen, die ihn nicht interessieren. Wer es genauer wissen will, hat nach Norm einen Anspruch auf intensivere Befassung.

Bild (2): © DEFINO Institut für Finanznorm AG