Was müssen Sie tun, um Ihre Geschäftsgeheimnisse zu schützen? Diese Frage stellt sich nach der gesetzlichen Neuregelung des Schutzes gegen die Verwendung Ihrer Betriebsgeheimnisse durch ausgeschiedene Vertriebsmitarbeiter und Handelsvertreter gleichermaßen. Das 2019 in Kraft getretene neue Geschäftsgeheimnisgesetz stellt Anforderungen an den Geheimnisschutz und greift tief in die tägliche Vertriebspraxis ein.
Dies lässt sich an einer Entscheidung des LAG Düsseldorf veranschaulichen. Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jürgen Evers, EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht.
Was war passiert?
Ein ausgeschiedener Vertriebsmitarbeiter hatte Kunden des ehemaligen Arbeitgebers kontaktiert. Der Unternehmer hatte zur Prüfung der Provisionsabrechnungen eine Kundenumsatzliste
überlassen. Diese hatte er jedoch bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht zurückerhalten. Wegen der vom Betriebsinhaber beanstandeten Spesenabrechnungen hatte der Mitarbeiter zudem ohne Wissen des Inhabers Kundentermine in seinem privaten Kalender dokumentiert.
Terminbezogen hatte er den besuchten Kunden, Ansprechpartner und entfaltete Aktivitäten vermerkt, um später unter Nennung der Details die betriebliche Veranlassung seiner Reiseaufwendungen belegen zu können. Nachdem der Betriebsinhaber Abwerbeaktivitäten im Kundenkreis festgestellt hatte, nahm er den Mitarbeiter unter anderem auf Unterlassung der Nutzung der Liste sowie der darin enthaltenen Daten zu Wettbewerbszwecken in Anspruch.
Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos! Im Berufungsverfahren hatte der Mitarbeiter eingeräumt, Aufzeichnungen in seinem privaten Kalender gefertigt zu haben, um seine Reiseaktivitäten zu belegen. Der Unternehmer erweiterte das Unterlassungsbegehren, dass auch die Nutzung der Aufzeichnungen zum Zwecke des Wettbewerbs zu unterlassen ist. Nur insoweit war die Klage erfolgreich.
Begründung
In der Begründung führte das Berufungsgericht unter anderem Folgendes aus. Inhalte einer Kundenumsatzliste, die nicht allgemein bekannte Absatzmengen und Umsätze enthalte, seien geeignet, den Begriff eines Geschäftsgeheimnisses nach nun geltendem Geschäftsgeheimnisgesetz zu erfüllen. Auch Kalenderaufzeichnungen des Mitarbeiters, die besuchte Kunden, Ansprechpartner und die jeweiligen geschäftlichen Aktivitäten umfassen, erfüllten grundsätzlich die Anforderungen des neuen Rechts.
Kontaktinformationen erleichterten die Kundenansprache. Es bestehe ein berechtigtes Interesse des Betriebsinhabers, diese Informationen geheim zu halten. Angemessene Maßnahmen erforderlich! Nach neuem Recht müsse jedoch hinzukommen, dass der Unternehmer auch angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen haben muss, um den Geheimnisschutz für sich in Anspruch nehmen zu können.
Durch das Merkmal der angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen gebe das Gesetz zu erkennen, dass nur noch derjenige Schutz genießt, der geheime Informationen aktiv schützt. Wer keine Bestrebungen zum Schutz unternehme und lediglich darauf vertraue, geheime Informationen fänden keine Verbreitung, könne – abweichend von der vorherigen Rechtslage – unter Geltung des Geheimnisschutzgesetzes keinen Schutz mehr beanspruchen.
Zwar könnten auch einfache Vereinbarungen ein Mittel zum Geheimnisschutz darstellen. Dies gelte aber nicht, wenn lediglich vereinbart wird, dass der Außendienstmitarbeiter sich zu absoluter Verschwiegenheit gegenüber jedem unbefugten Dritten in Bezug auf alle geheimhaltungsbedürftigen Vorgänge verpflichte.
Auch eine Klausel des Inhalts, dass sich die Geheimhaltungspflicht vereinbarungsgemäß auf „alle Angelegenheiten und Vorgänge“ erstrecken soll, die „im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden“, reiche nicht aus.
Ebenso wenig genügten Allgemeinplätze dahingehend, dass sich die Pflicht zur Geheimhaltung auf „sonstige sachliche und persönliche Umstände im Unternehmen“ erstrecken soll oder dass die Geheimhaltungspflicht „nicht nur gegenüber Dritten bestehe, sondern auch gegenüber Kollegen, sofern nicht die Wahrnehmung der betrieblichen Aufgaben und die reibungslose Zusammenarbeit eine Mitteilung erforderlich machen“.
Solche Regelungen seien zu weitgehend und inhaltsleer, soweit sie unspezifiziert alle Angelegenheiten und Vorgänge einbeziehen, die im Rahmen der Tätigkeit bekannt werden. Es fehle jeder Bezug zu dem Begriff des Geschäftsgeheimnisses. Ließe man sie ausreichen, würde das Geheimnisschutzgesetz seines Inhalts und Zwecks entleert.
Wann sind solche Maßnahmen angemessen?
Das neue Geheimnisgesetz verlangt nach Wortlaut ausdrücklich, dass Geheimhaltungsmaßnahmen angemessen sein müssen. Wann dies der Fall ist, sei nach konkreten Umständen des Einzelfalls zu beurteilen.
Für eine Kundenumsatzliste fehle es jedenfalls an angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen, wenn lediglich vertraglich eine Rückgabeverpflichtung verabredet worden sei.
Selbst für einen Kleinbetrieb reiche dies nicht aus. Wisse der Betriebsinhaber, dass der Mitarbeiter eine Kundenumsatzliste zum Ende des Arbeitsverhältnisses nicht zurückgegeben hat, so dürfe er nicht untätig bleiben.
Wenn der Inhaber die Liste weder zurückfordere noch nachfrage, ob der Mitarbeiter sie noch zur Kontrolle seiner Provisionen benötige, fehle es am erforderlichen aktiven
Geheimnisschutz.
Keine Obliegenheit für unbekannte Aufzeichnungen
Dem Betriebsinhaber könne allerdings keine weitere Geheimhaltungsmaßnahme abverlangt werden, soweit es um ihm unbekannte Aufzeichnungen des Vertriebsmitarbeiters gehe. Der Unternehmer sei nicht verpflichtet, von sich aus ohne Anlass ein Vollständigkeitsverzeichnis der zurückgegebenen Unterlagen zu verlangen.
Die gesetzliche Herausgabepflicht eines Vertriebsmitarbeiters nach § 667 BGB erstrecke sich auch auf die Rückgabe von Aufzeichnungen über Kundentermine, die der Außendienstler zum Nachweis angefallener Reisekosten angefertigt hat. Dies gelte zumindest, wenn nicht ersichtlich sei, dass diese Terminnotizen noch zum Beleg von Reisekosten benötigt werden.
Deshalb sei dem Vertriebsmitarbeiter nur die Nutzung der privaten Aufzeichnungen zum Zwecke des Wettbewerbs zu untersagen.
Praxishinweise
Der nach dem Geheimnisschutzgesetz erforderliche aktive Schutz ist nur gewahrt, wenn zur Wahrung vertraglich definiert wird, was geheim zu halten ist. Dabei sollten Sie sich auf wirklich geheim zu haltende Sachverhalte oder Unterlagen beschränken und Allgemeinplätze vermeiden.
Außerdem sollten Sie Herausgabepflichten vereinbaren und überwachen. Es empfiehlt sich, durch technisch-organisatorische Maßnahmen sicherzustellen, dass Geschäftsgeheimnisse aus Dienstgeräten nicht ohne Weiteres ausgedruckt oder exportiert werden können.
Im Rahmen eines klar definierten Prozesses bei Vertragsende sollte stets ein Verzeichnis erstellt werden, damit ein dem Vertriebsmitarbeiter überlassener Dongle oder ein ihm ausgehändigtes Notebook nicht in Vergessenheit geraten können.
Der Rückgabevorgang sollte mit den zurückgegebenen Gegenständen in einem von beiden Vertragsparteien unterzeichneten Verzeichnis erfasst werden.
Fehlende Gegenstände sind kenntlich zu machen, um deren Verbleib zu klären. Sind diese dem Vertriebsmitarbeiter nach dessen Meinung abhandengekommen, ist auch dies mit Ort
und Zeit des letzten Vorhandenseins zu dokumentieren.
Für den Fall, dass der Mitarbeiter die Gegenstände wiederfindet sollte, ist zu vereinbaren, dass er sie herausgibt oder die Unterlagen vernichtet und die Firma hierüber unterrichtet. Außerdem sollte vom Ausscheidenden eine Vollständigkeitserklärung abgegeben werden
Bilder: (1) © vchalup – stock.adobe.com (2) © EVERS Rechtsanwälte für Vertriebsrecht
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