Ohne Beteiligung von Verbraucherverbänden hat das Bundesministerium der Finanzen einen Gesetzentwurf vorgelegt, mit dem die Abwicklung von insolventen Lebensversicherungsunternehmen klarer geregelt werden soll.
Für den Verbraucherverband Bund der Versicherten e. V. (BdV) sind sowohl der Gesetzgebungsprozess als auch wichtige Regelungen von Intransparenz gekennzeichnet.
„Der Sicherungsfonds für die Bestände von Pleiteversicherungen soll eine Blackbox werden“, bemängelt Axel Kleinlein, Vorstandssprecher des BdV. Das Gesetz regelt auch die Verfahrensweise bei Schieflage mehrerer Lebensversicherer. „Das Bundesfinanzministerium bereitet sich augenscheinlich auf die Pleite von mehreren Lebensversicherern vor“, erklärt Kleinlein. Besonders heikel ist nach Ansicht Kleinleins die Finanzierung des Sicherungsfonds:
„Ich befürchte, dass sich die Versicherer zügig aus der freiwilligen Selbstverpflichtung verabschieden und dann Steuerzahler die Milliardenlücke schließen sollen.“
Im „Risikobegrenzungsgesetz“, das sich eigentlich mit Bankenthemen beschäftigt, hat das Bundesfinanzministerium bislang weitgehend unbemerkt strittige Regelungen zum Sicherungsfonds der Lebensversicherungen eingefügt.
Obwohl der Entwurf seit April vorliegt und die Versicherungslobby bereits Stellung genommen hat, verzichtete das Bundesfinanzministerium darauf, auch die Expertise der Verbraucherseite einzuholen. „Augenscheinlich will die Regierung möglichst unbemerkt von Verbrauchern und Versicherten dieses Gesetz durchpeitschen“, kommentiert Kleinlein.
Bereits am 3. September wird das Gesetz im Fachausschuss des Bundesrats beraten, eine Woche später im Bundesrat selbst. Ungewöhnlich ist, dass sich der Bundestag erst später damit befassen soll. Die Verbraucherschützer des BdV wurden nur durch Zufall auf den Gesetzentwurf aufmerksam.
In den für Versicherungen entscheidenden Passagen des Gesetzes werden hauptsächlich Regelungen zu den Sicherungsfonds für die Kranken- und Lebensversicherung eingeführt. Dieser soll bei Lebensversicherungen dann einspringen, wenn ein Lebensversicherungsunternehmen nicht mehr die notwendigen Eigenmittel vorweisen kann.
„Wir sehen bereits 22 Lebensversicherungsunternehmen in Deutschland als angezählt. Es verwundert nicht, dass sich das Bundesfinanzministerium auf die Pleite von mehreren Versicherern vorbereitet.“
Der Sicherungsfonds soll dann die Verträge des Pleiteversicherers fortführen. Dabei sollen die betroffenen Versicherten keinen Einblick bekommen, wie erfolgreich der für sie einschlägige Bestand geführt wird.
Auch sieht das Gesetz vor, dass den Versicherten die Leistungen flächendeckend gekürzt werden können. Die Versicherungsunternehmen selbst sollen aber nur über eine freiwillige Selbstverpflichtung in die Finanzierung des Sicherungsfonds einbezogen werden. „Versicherte werden bluten, die Unternehmen sollen aber nur nach Gutdünken freiwillig zahlen oder nicht“, fasst Kleinlein die Situation zusammen.
Schon jetzt haben die Versicherten auf etwa 75 Milliarden Euro an Überschussleistungen verzichtet, um damit die Zinszusatzreserve zu finanzieren. Hinzu kommen etwa 25 Milliarden weiterer Überschüsse, die den Kunden vorenthalten werden und in der sogenannten freien RfB schlummern. „100 Milliarden sind genug, jetzt sollten endlich die Aktionäre und die Branche zur Kasse gebeten werden“, fordert Kleinlein.
Im Falle einer Unterfinanzierung des Sicherungsfonds befürchtet Kleinlein, dass wieder nur der Ruf nach staatlicher Unterstützung kommt: „Wenn es eng wird, dann wollen die Lebensversicherer stets an die Taschen der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler und weigern sich, selbst finanzielle Verantwortung zu übernehmen.“
Hintergrund der Krise sind hohe „Garantiezinsen“, mit denen die Versicherungsunternehmen in der Vergangenheit kalkulierten, jetzt aber nicht mehr erwirtschaften können. „Schuld sind die Versicherungsunternehmen, die sich massiv verkalkuliert haben, jetzt aber nicht das Rückgrat haben, dafür gerade zu stehen“, so Kleinlein. „Anders als ehrbare Kaufleute übernehmen die Versicherer nicht die Verantwortung für die Fehlkalkulation, sondern bedienen sich regelmäßig bei Geldern, die eigentlich den Versicherten gehören.“
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