Die Sorgen vor einem Netto-Jobabbau sind bei Versicherern und Banken deutlich größer als in anderen Branchen. So schätzen 67 Prozent der Entscheider in Finanzdienstleistungsunternehmen, dass durch die Digitalisierung die Zahl der Arbeitsplätze im eigenen Unternehmen langfristig sinken wird. Das ergeben drei Branchen- und Digitalisierungsstudien von Sopra Steria Consulting.
Zum Vergleich: In der verarbeitenden Industrie erwartet nur jeder vierte Entscheider einen Wegfall von Arbeitsplätzen, bei Energieversorgern sowie in Behörden ist es jeder dritte.
Automatisierungswelle im Finanz- und Versicherungssektor
Der Finanz- und Versicherungssektor ist stärker als andere Branchen von einer Automatisierungswelle durch neue Technologien wie Robotic Process Automation, Blockchain, Data Analytics und Künstliche Intelligenz betroffen.
48 Prozent der befragten Bankmanager ist die IT-gestützte Automatisierung die Kostensenkungsmaßnahme Nummer eins, um Einnahmeneinbrüche durch Niedrigzins und Regulierung aufzufangen. Dazu kommt der Druck der Kunden.
Zwei Dritteln der Entscheider von Versicherern gehen davon aus, dass die Nachfrage nach vollautomatisierten, digitalen Beratungsangeboten steigen wird. 60 Prozent wollen das Direktgeschäft über Online-Kanäle im Massengeschäft ausweiten. Der Versicherer ERGO plant beispielsweise perspektivisch, verstärkt Policen über Sprachassistenten zu verkaufen.
Simon Oberle, Leiter Future Management Consulting bei Sopra Steria NEXT, sagt:
„Es besteht ein riesiger Automatisierungsbedarf. Bei Kontoeröffnungen oder der Regulierung von Standart sic -Blechschäden übernehmen nach dem Ausfüllen des Online-Formulars durch den Kunden meist Sachbearbeiter manuelle Prozessschritte.“
Industrie und Gewerbe optimistischer
Beispielsweise die Industrie und auch andere Branchen sind bereits stärker automatisiert. So gibt es in Fabrikhallen längst Fertigungsprozesse, die komplett von Montage- oder Schweißrobotern übernommen werden.
Im verarbeitenden Gewerbe stellen sich zwar 63 Prozent der Manager auf veränderte Aufgaben ein, rechnen jedoch im Zuge des Umbaus in Richtung Industrie 4.0 nicht mit weniger Beschäftigten insgesamt.
Neue Jobprofile entstehen
Die Mehrheit in der Finanzbranche zeigt sich skeptischer: Das enorme Automatisierungspotenzial im Finanzsektor geht stark zu Lasten der Bankberater, Versicherungsvermittler sowie der Mitarbeiter im Backoffice. Im Privatkundengeschäft lohnt sich die persönliche Anlageberatung erst ab einer gewissen Summe. Auch sind die Zahlen der bei den Handelskammern eingetragenen Versicherungsvermittler rückläufig. Die gut geschulten Spezialisten weichen auf das beratungsintensive Geschäft wie Private Banking und Betriebsversicherungen aus.
Insgesamt herrscht die Sorge, dass unter dem Strich mehr Tätigkeiten wegfallen als neue hinzukommen werden. Jobabbau-Programme der Konzerne, teilweise im vierstelligen Bereich, fördern die Bedenken.
Starker Anstieg bei IT-Jobs im Finanzsektor
Der Bedarf an neuen Fachkräften im Finanzsektor steigt allerdings an anderen Stellen signifikant an – vor allem für IT-Jobs.
Versicherer und Banken investieren in den kommenden Jahren Milliardenbeträge in den digitalen Umbau und gründen dafür Digitallabore und eigene Softwarefirmen. Hier entwickeln die Mitarbeiter nicht nur Apps für Schadensmeldungen und die automatisierte Kreditvergabe, sondern arbeiten zudem an datengetriebenen Vertriebsansätzen für mehr Wachstum.
Jeder zweite Finanzdienstleister hat in Teilbereichen bereits digitale Geschäftsmodelle entwickelt, unter anderem als Plattform, an der andere Unternehmen gegen Gebühr andocken können.
Simon Oberle sagt:
„Die langfristigen Auswirkungen auf den Mitarbeiterbestand durch die Automatisierung und den Einsatz Künstlicher Intelligenz werden häufig noch deutlich unterschätzt. Vielfach fehlen Masterpläne für eine geordnete Übergangsphase. Die Jobprofile für Bankangestellte müssen angepasst werden. Deutlich mehr Mitarbeiter müssen künftig gestalten und nicht nur ausführen.
Das Banking der Zukunft erfordert es, auf permanente Veränderungen reagieren zu können. Kreative, konzeptionelle und analytische Fähigkeiten rücken in den Vordergrund.“
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