Haftung bei Baumfällaktion

Das OLG Schleswig hat entschieden, dass bei gemeinsamen Baumfällarbeiten von Bekannten ein Teilnehmer dem anderen für eine schwere Verletzung nicht haftet.

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Der Kläger und zwei weitere Bekannte verabredeten sich im Frühjahr 2011 zu einer gemeinsamen Baumfällaktion. Sie hatten alle schon in der Vergangenheit Säge- und Fällarbeiten durchgeführt und gingen nach einem gemeinsamen, zuvor besprochenen Plan arbeitsteilig vor. Der Kläger hatte Motorsäge, Seile und andere Utensilien mitgebracht. Sein Bekannter, den er anschließend verklagte, hatte einen Hubwagen und einen Traktor geliehen. Der Hubwagen wurde unter einer Linde positioniert und der Kläger auf der Hebebühne in Höhe der Baumkrone hochgefahren. Der Kläger befestigte an einem in der Krone der Linde befindlichen Ast ein Seil. Die beiden anderen Bekannten verlängerten das Ende des Seils, indem sie hieran weitere Seile knoteten. Sie befestigten das letzte Ende am Traktor. Der Beklagte befand sich im Traktor und hielt mit diesen die aneinandergeknoteten Seile auf Spannung. Der Kläger begann auf der ausgefahrenen Hebebühne mit der Motorsäge den Ast abzusägen, der Beklagte fuhr mit dem Traktor an. Als oder nachdem sich der Ast vom Baum löste, wurde der Beklagte durch den Ast aus der Kanzel der Hebebühne geschleudert und stürzte aus etwa 8 m Höhe zu Boden, wobei er sich schwer verletzte. Bei diesem Vorgang riss eines der Seile kurz hinter dem Traktor. Die Verknotung der Seile selbst löste sich nicht. Der Kläger verklagte daraufhin seinen Bekannten, der im Traktor gesessen hatte, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das OLG Schleswig hat die Klage abgewiesen.

Nach Auffassung des Oberlandesgerichts haftet der Beklagte nicht für die Schäden, die der Kläger bei der gemeinsamen Baumfällaktion erlitten hat. Zwar habe der Beklagte fahrlässig gehandelt und hat durch sein Verhalten den Unfall mitverursacht. Der vorgesehene Ablauf, wonach der Kläger von der Bühne aus den Ast absägte und dieser dann im Fallen weggezogen wird, sei extrem gefährlich und sorgfaltswidrig gewesen. Dieser Plan sei schon deshalb nicht gefahrlos umsetzbar gewesen, weil eine Kommunikation zwischen dem Kläger und dem Beklagten fast ausgeschlossen gewesen sei. Der Kläger habe die Motorsäge gehalten und sich neben der Baumkrone befunden, der Beklagte in einem Traktor mit laufendem Motor. Außerdem habe offensichtlich die Gefahr bestanden, dass durch den Sturz oder Seitbewegungen des Astes der Kläger oder die Hebebühne getroffen würden.

Da jedoch eine gemeinsam geplante gefährliche Handlung vorgelegen habe, bei der der Beklagte sich an den Plan gehalten hatte, sei ihm der Schaden des Klägers nicht zuzurechnen. Der Kläger verletze das aus dem Gebot von Treu und Glauben folgende Verbot des Selbstwiderspruches, wenn er die finanziellen Folgen seiner Körperverletzung teilweise auf den Beklagten abwälzen wolle, obwohl er selbst es war, der sich aus freiem Entschluss und eigener Sorglosigkeit in die gefährliche Situation begeben habe. Der Kläger habe aus seiner Position auf dem Hubwagen in rund 8 Metern Höhe die Gefährlichkeit der Situation deutlich besser erkennen können als der Beklagte. Ihm habe die Fallhöhe bewusst sein müssen, er habe es in der Hand gehabt, sich anzugurten und habe die Größe und Position des Astes besser einschätzen können. Dadurch dass er die Säge selbst geführt hat, habe er allein es in der Hand gehabt, die gefährliche Arbeitsweise jederzeit zu beenden. Einen zusätzlichen Gefahrenkreis habe der Beklagte nicht dadurch geschaffen, dass er an dem Ast zog. Diese Arbeitsteilung habe vielmehr dem gemeinsamen Vorhaben der Parteien entsprochen.

Bild: © PhotoDreamWorldArt / pixabay.com

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