Auswirkung der ESG-Abfrage auf die Beratungsqualität

Seit August 2022 müssen Vermittler*innen in der Beratung zu Versicherungsanlageprodukten die ESG-Präferenzen ihrer Kunden ermitteln. Im Vergleich zwischen den Sparten zeigt sich dadurch ein wünschenswerter Effekt: Die IDD-Präferenzabfrage hat insgesamt einen positiven Einfluss auf die Qualität der Beratung in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte. Die im Ergebnis verbesserte Beratung wiederum weckt einen erhöhten Informationsbedarf zur Nachhaltigkeit.

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Ein Beitrag von Oliver Bentz, Fachkoordinator Nachhaltigkeit Assekurata Rating-Agentur GmbH

Vor mehr als einem Jahr ist die IDD-Ergänzung zur Abfrage von Nachhaltigkeitspräferenzen in Kraft getreten. Seit August 2022 müssen Vermittlerinnen und Vermittler in Beratungsgesprächen zu Versicherungsanlageprodukten nun ermitteln, inwieweit das gewünschte Produkt nachteilige Auswirkungen auf Nachhaltigkeitsfaktoren (engl: Principle Adverce Impact Indicators oder kurz PAIs) sowie Nachhaltigkeits- oder Umweltziele im Sinne der Offenlegungs-Verordnung beziehungsweise der EU-Taxonomie berücksichtigen soll.

Wichtig ist, dass die Abfrage nicht für alle Versicherungsprodukte gilt, sondern nur für Versicherungsanlageprodukte. Vereinfacht gesagt umfasst das jegliche Lebensversicherungsprodukte, die neben der Absicherung biometrischer Risiken noch eine Kapitalanlagekomponente mit Chancen und Risiken enthalten. Damit fallen beispielsweise kapitalbildende Lebensversicherungen, fondsgebundene Lebensversicherungen oder Hybridprodukte darunter.

In unserer diesjährigen Verbraucherbefragung zur Nachhaltigkeit in der Versicherungsbranche haben wir untersucht, inwieweit die Präferenzabfrage Auswirkungen auf die Relevanz, die wahrgenommene Beratungsqualität und den Informationsbedarf in Bezug auf Nachhaltigkeit hat. Die Befragung wurde im Juli 2023 durchgeführt und von 1.012 Menschen beantwortet.

Die Befragten wurden zunächst in verschiedene Teilstichproben gegliedert, abhängig davon, ob sie sich in den vergangenen 12 Monaten zu einer Versicherung haben beraten lassen und/oder eine Versicherung abgeschlossen haben und um welche Versicherungssparte es sich handelt. Innerhalb der Lebensversicherung wurde zudem zwischen Versicherungsanlageprodukten (für die Befragten „Lebensversicherung/en zur Altersvorsorge oder als Investment“ genannt) und Produkten für biometrische Risiken unterschieden. Diese Teilstichproben erhielten im weiteren Verlauf der Umfrage die gleichen Fragen, sodass wir das Antwortverhalten miteinander vergleichen konnten.

Zunächst wollten wir von den Befragten wissen, ob sie zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt wurden. Von denjenigen, die sich zu einem Versicherungsanlageprodukt haben beraten lassen, gaben insgesamt drei Viertel an, dass die Präferenzabfrage durchgeführt wurde. Bei knapp jedem Sechsten hatte das Thema Nachhaltigkeit allerdings keine Rolle gespielt. Somit scheint in einem großen Teil, aber nicht in allen Beratungsgesprächen zu den entsprechenden Produkten eine Präferenzabfrage stattzufinden.

Interessanterweise geben auch Befragte, die andere Produkte abgeschlossen haben, an, dass sie zu ihren Nachhaltigkeitspräferenzen befragt wurden, insbesondere bei anderen Personenversicherungsprodukten. Dies mag in Teilen daran liegen, dass Kundinnen und Kunden zu verschiedenen Produkten beraten wurden oder die Produkte nicht richtig einordnen konnten. Trotzdem scheint auch bei den Produktarten, die nicht unter die IDD-Präferenzabfrage fallen, in vielen Fällen das Thema Nachhaltigkeit besprochen worden zu sein. Unklar ist, von welcher Seite der Impuls dabei kam.

Diejenigen, die innerhalb des letzten Jahres eine Beratung zu einer Versicherungsanlage erhalten haben, neigen dazu, häufiger anzugeben, dass sie ihre Präferenzen bezüglich Nachhaltigkeit (63,5 Prozent) angeben konnten. Dieser Prozentsatz ist in der Krankenversicherung (45,7 Prozent) und der Sachversicherung (33,3 Prozent) niedriger. Ähnliches gilt für die Aussage „Ich habe mich gut zur Nachhaltigkeit des Produktes informiert/beraten gefühlt.“ Hierfür liegt die Zustimmungsrate für Versicherungsanlageprodukte bei 68,7 Prozent, für Krankenversicherungsprodukte bei 51,1 Prozent und für Sachversicherungsprodukte bei 35,8 Prozent.

Zudem gaben 73,0 Prozent der Befragten an, dass ihnen ein Versicherungsanlageprodukte angeboten werden konnte, welches ihren Vorstellungen in Bezug auf Nachhaltigkeit entspricht. Bei Beratungen zur Krankenversicherung traf das in 46,9 Prozent der Fälle zu, während es bei der Sachversicherung in 42,6 Prozent der Fälle geschah.

Auch wenn die beobachteten Unterschiede zwischen den Sparten auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sein könnten, deutet einiges darauf hin, dass die IDD-Präferenzabfrage einen positiven Einfluss auf die Qualität der Beratung in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte bei Versicherungsprodukten hat.

In der Lebensversicherung fällt insbesondere im Bereich der Versicherungsanlageprodukte ein umfangreicheres Angebot im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit auf. Dies ermöglicht es den Verbraucherinnen und Verbrauchern, Produkte zu finden, die ihren Präferenzen entsprechen. Neben diesen Effekten, die im Kontext der IDD-Umsetzung auch in einem gewissen Umfang zu erwarten waren, sind insbesondere die Unterschiede zwischen der Kranken- und der Sachversicherung herauszustellen.

So äußern sich Kundinnen und Kunden rundum positiver in Bezug auf Nachhaltigkeitsaspekte bei Krankenversicherungsprodukten. Unserer Einschätzung nach unternehmen Versicherer im Sachversicherungsbereich jedoch tendenziell mehr Anstrengungen, Nachhaltigkeitsaspekte in ihre Produkte zu integrieren und diese hervorzuheben. Die Ergebnisse sollten daher zum Anlass genommen werden, das Produktangebot und die Beratungsqualität im Bereich der Sachversicherung zu hinterfragen.

Interessanterweise führt eine verbesserte Beratung zu Versicherungsanlageprodukten nicht zu einem geringeren, sondern zu einem höheren Bedarf an zusätzlichen Informationen im Vergleich zu den anderen Sparten. So wünschen sich 68,8 Prozent der Befragten, die zu Versicherungsanlageprodukten beraten wurden, sowie 62,6 Prozent derjenigen, die zu Lebensversicherungen im Allgemeinen beraten wurden, mehr Beratung beziehungsweise Informationen zur Nachhaltigkeit beim Abschluss von Versicherungsprodukten. Für Kranken- und Sachversicherungen liegen diese Werte bei 49,6 Prozent beziehungsweise bei 48,3 Prozent. Über alle Sparten hinweg besteht somit ein hinreichend großer Informationsbedarf.

Analyse nach Vertriebswegen

Eine weitere interessante Perspektive auf das Thema Beratungsqualität ergibt sich aus einer differenzierten Analyse nach Vertriebswegen. Hier lassen sich durchaus Unterschiede in der Aussage „Ich habe mich gut zur Nachhaltigkeit des Produktes informiert/beraten gefühlt“ feststellen.

Gut beraten fühlten sich insbesondere diejenigen, die sich von einer Ausschließlichkeitsvertretung beraten ließen (27,5 Prozent trifft vollkommen zu; 30,6 Prozent trifft eher zu). Auffällig ist hier der Vergleich zu Versicherungsmaklerinnen und -maklern, die in diesem Bereich schlechtere Werte erzielen (9,1 Prozent trifft vollkommen zu; 38,5 Prozent trifft eher zu).

Dies könnte daran liegen, dass die Herausforderungen für Maklerinnen und Makler in Bezug auf die Kenntnis von Nachhaltigkeitsaspekten verschiedener Versicherungsprodukte und -unternehmen wesentlich größer sind, da das Thema noch recht neu ist und in den Vertrieben durchaus noch größere Informationslücken bestehen. Auch über Vergleichsportale fühlen sich die Befragten tendenziell schlechter zur Nachhaltigkeit beraten, während sich die restlichen genannten Vertriebswege in der Mitte einordnen.

Fazit

Abschließend lässt sich festhalten, dass sich im Vergleich zwischen den Sparten durchaus ein positiver Effekt durch die IDD-Umsetzung beobachten lässt. Die im Ergebnis verbesserte Beratung weckt einen erhöhten Informationsbedarf zur Nachhaltigkeit. Dieser ist aber für alle Sparten hoch, sodass Versicherer sich darum bemühen sollten, diesen adäquat zu decken.

Während der Ausschließlichkeitsvertrieb den Beratungsbedarf der Kundinnen und Kunden am besten decken kann, besteht Potenzial über alle Vertriebswege hinweg. Somit sollten die Versicherungshäuser nicht nur darauf abzielen, die Endkundinnen und Endkunden in den Mittelpunkt zu rücken, sondern auch die Vertriebskanäle mit Informationen zu versorgen und in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen zu schulen, um eine qualitativ hochwertige Beratungsleistung sicherzustellen.

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