Wohnatlas 2021: Überhitzungstendenzen in Großstädten

Die Immobilienpreise steigen in Deutschland seit Jahren und lassen die Mieten immer weiter hinter sich. Ein wichtiger Gradmesser für das Verhältnis von regionalen Kauf- zu Mietpreisen ist der so genannte Vervielfältiger.

(PDF)

Er bildet ab, wie viele Jahresnettokaltmieten für eine gleich große Eigentumswohnung im Bestand durchschnittlich zu zahlen wären. Im Mittel über alle deutschen Kreise und kreisfreien Städte lag der Vervielfältiger 2020 bei 25,7.

2019 mussten Käufer*innen durchschnittlich noch 24,0 Jahresnettokaltmieten für den Erwerb einer Wohnung aufbringen. Damit sind die Kaufpreise insgesamt erneut stärker gestiegen als die Mieten. Vor allem in Großstädten zeigen sich Anzeichen einer Überhitzung.

Dies sind Ergebnisse des Postbank Wohnatlas, für den Experten des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) die Wohnungsmärkte in den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten untersucht haben.

Ein Blick in den Wohnatlas zeigt auch: Die Dynamik beschleunigt sich. Seit 2017 hat sich der Vervielfältiger jährlich um rund eine Jahresmiete erhöht, zuletzt war der Anstieg binnen Jahresfrist mit einem Plus von 1,7 Jahresmieten noch steiler.

Eva Grunwald, Leiterin Immobiliengeschäft, sagt:

„Wir erwarten hinsichtlich des Immobilienbooms der vergangenen Jahre durch die Corona-Pandemie keine Trendumkehr. Allenfalls regional könnten pandemiebedingte Konjunktureinbrüche in bestimmten Branchen zu Anpassungen führen, wenn die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte stark in Mitleidenschaft gezogen werden sollten. Das würde die Nachfrage nach Wohnraum abschwächen.“

Große Bandbreite in Deutschland

Je niedriger der örtliche Vervielfältiger ausfällt, desto größer stellen sich die Vorteile für Käufer*innen dar. Für Selbstnutzer*innen, die keine Mieten mehr zahlen möchten, verkürzt sich der Zeitraum, bis sich ein Kauf gegenüber der Mietzahlung rechnet. Vermieter*innen, die mit den Mieteinnahmen die Immobilie finanzieren wollen, realisieren bei niedrigem Vervielfältiger höhere Erträge.

Bundesweit reicht die Spanne von knapp zwölf Jahresnettokaltmieten für den Kauf einer Eigentumswohnung im Landkreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt bis zu 75 im Landkreis Nordfriesland an der Nordsee, zu dem auch die begehrten Lagen auf Sylt, Föhr und Amrum gehören.

Expert*innen sprechen derzeit bei einem Vervielfältiger von unter 25,0 von einem noch moderaten Kaufpreisniveau gemessen an den örtlichen Nettokaltmieten.

Postbank-Immobilienexpertin Grunwald erläutert: „Höhere Vervielfältiger können auf eine Überhitzung des regionalen Marktes hinweisen. Interessent*innen sollten vor einer Kaufentscheidung die Einschätzung von Immobilienexpert*innen einholen."

Überhitzungstendenzen in den Big Seven?

Besonders rasch enteilen die Kaufpreise in den sieben größten deutschen Städten, den so genannten Big Seven, dem Mietniveau. Im Vergleich zum Vorjahr liegt das Plus im Schnitt über die sieben Städte bei zwei Jahresmieten. Dabei rangierten die Vervielfältiger hier bereits in den Vorjahren auf hohem Niveau.

Das Ranking der Big Seven führt in diesem Jahr erstmalig Berlin an: Knapp 40 Jahresmieten mussten die Berliner*innen im Jahr 2020 für den Kauf einer Wohnung berappen. Damit erreicht die Bundeshauptstadt einen der deutschlandweit höchsten Werte und mit einem Plus von rund vier Jahresmieten im Vergleich zum Vorjahr den stärksten Anstieg unter den Big Seven.

Wesentliche Ursache für diese Dynamik war der Berliner Mietendeckel, der ab Februar 2020 galt und im April 2021 vom Bundesverfassungsgericht gekippt wurde. Diese Regelung führte zu einem Rückgang der Nettokaltmieten binnen Jahresfrist um mehr als vier Prozent und damit zu einem sehr hohen Anstieg des Vervielfältigers in der Bundeshauptstadt.

Postbank-Expertin Grunwald rät:

„Kaufinteressierte sollten in den Big Seven sehr wachsam sein und genau prüfen, ob die hohen Preise gerechtfertigt sind.“

Ein Umzug ins Umland als Option

Besonders rund um Berlin und Hamburg finden sich in den angrenzenden Landkreisen im Vergleich zum örtlichen Mietniveau noch günstigere Objekte. So liegt der Vervielfältiger im Landkreis Märkisch-Oderland in Brandenburg bei 26. Im Herzogtum Lauenburg vor den Toren Hamburgs werden für Wohneigentum im Schnitt 24,7 Jahresmieten fällig, in Stade 24,9 und in Pinneberg 25,0.

Weniger groß sind die Chancen auf günstigere Preise im Verhältnis zum Mietniveau im Umland von München. In den angrenzenden Landkreisen rangiert der Vervielfältiger nirgendwo unter 35. Der Landkreis Starnberg weist mit 39,5 sogar einen höheren Vervielfältiger auf als die bayerische Landeshauptstadt selbst.

Aber auch in deutschen Städten abseits der Big Seven liegen die Kaufpreise 2020 im Vergleich zu den Kaltmieten auf hohem Niveau. So mussten Käufer*innen in 23 Städten ab 20.000 Einwohnern 30 Jahresmieten und mehr aufbringen.

Zu den im Verhältnis zum örtlichen Mietniveau teuersten Großstädten ab 100.000 Einwohnern zählen neben Berlin, München, Hamburg, Frankfurt und Düsseldorf auch Rostock (Vervielfältiger 36,1) und Potsdam (32,8). Unter den Top Ten finden sich zudem die Mittelstädte Rosenheim (34,3), Landshut (33,3) und Baden-Baden (32,7).

Wo der Vervielfältiger noch nicht durch die Decke geht

Doch nicht in allen Städten laufen die Kaufpreise dem örtlichen Mietniveau derart davon und es bieten sich gute Chancen, beim Umzug von einer Mietwohnung in die eigenen vier Wände sogar günstiger wegzukommen. Das ist unter den Großstädten ab 100.000 Einwohner am ehesten in Gelsenkirchen (Vervielfältiger 18,0) und Salzgitter (19,1) der Fall.

Zwischen 20 und 21 Jahresmieten rangieren die Durchschnittspreise für Wohneigentum in Bremerhaven, Duisburg, Oberhausen, Hamm, Bochum, Chemnitz und Wuppertal. In insgesamt 41 Städten mit mehr als 20.000 Einwohner*innen liegt der Vervielfältiger unterhalb von 25,0 und damit unter dem Wert, den Expert*innen derzeit als Grenzwert für vergleichsweise moderate Preise betrachten.

Expertin Grunwald rät: „Wer die Chance hat, eine Eigentumswohnung nach seinen Wünschen zu erwerben, bei der die finanzielle monatliche Belastung im Verhältnis zur Mietbelastung nicht teurer kommt, der sollte den Erwerb unbedingt in Erwägung ziehen. Denn Immobilienbesitzer*innen betreiben zugleich Vermögensaufbau: Die eigenen vier Wände sind auch eine gute Altersvorsorge.“

(PDF)

LESEN SIE AUCH

House Miniature model on calculator with over digital chart repoHouse Miniature model on calculator with over digital chart reposmolaw11 – stock.adobe.comHouse Miniature model on calculator with over digital chart reposmolaw11 – stock.adobe.com
4 Wände

Immobilienpreise fliegen zu neuen Höhen

Im zweiten Corona-Jahr 2021 sind die Preise für Wohneigentum in Deutschland weiter gestiegen – und dies mit noch deutlich höherem Tempo als in den Vorjahren. In 98 Prozent aller deutschen Landkreise und kreisfreien Städte verteuerten sich Eigentumswohnungen im Bestand.
Geldschein-Puzzle-43317786-AS-grajaGeldschein-Puzzle-43317786-AS-grajagraja – stock.adobe.comGeldschein-Puzzle-43317786-AS-grajagraja – stock.adobe.com
Finanzen

Keine Angst vor der Anschlussfinanzierung

Abwarten und auf niedrigere Zinsen spekulieren, frühzeitig Konditionen fixieren oder die Tilgung justieren? Im aktuellen Zinsmarkt ist es wichtig, die zahlreichen Chancen des Marktes für die Anschlussfinanzierung genau durchzukalkulieren.

House and red arrow down. Falling real estate prices. Reduced inHouse and red arrow down. Falling real estate prices. Reduced inadragan – stock.adobe.comHouse and red arrow down. Falling real estate prices. Reduced inadragan – stock.adobe.com
Finanzen

Abwärtstrend der Immobilienpreise gestoppt

Zwischen Dezember 2022 und März 2023 sind die Angebotspreise von Bestandswohnungen nur noch in 4 von 14 untersuchten Großstädten gesunken. In 4 Städten haben sich die Kaufpreise sogar wieder leicht verteuert, in den übrigen 6 Städten blieb das Preisniveau stabil.

Dreaming of  future homeDreaming of future homealphaspirit – fotolia.comDreaming of future homealphaspirit – fotolia.com
4 Wände

Eigenes Dach über dem Kopf wird zum Luxus

Nur noch 4,8 Prozent der Bundesbürger zwischen 30 und 44 Jahren können sich rein rechnerisch Wohneigentum leisten. Noch im Jahr 2010 waren es 8,7 Prozent. Wie aus einer neuen Infografik von Block-Builders.de hervorgeht, wollen zwar immer mehr Deutsche Immobilien erwerben, sind jedoch immer seltener dazu imstande.
Haus-Wiese-208222454-AS-marcus-hofmannHaus-Wiese-208222454-AS-marcus-hofmannmarcus_hofmann – stock.adobe.comHaus-Wiese-208222454-AS-marcus-hofmannmarcus_hofmann – stock.adobe.com
Finanzen

Wo kann man sich Wohneigentum noch leisten?

Welchen Anteil vom Einkommen verschlingen die Wohnkosten, also die Miet- oder die Kreditratenzahlungen? Das haben Expert*innen des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) für den Postbank Wohnatlas auf Basis der durchschnittlich regional verfügbaren Haushaltseinkommen durchgerechnet.
Haus-aus-Geldscheinen-144852924-AS-grajaHaus-aus-Geldscheinen-144852924-AS-grajagraja – stock.adobe.comHaus-aus-Geldscheinen-144852924-AS-grajagraja – stock.adobe.com
Finanzen

Wo Wohneigentum bis 2030 an Wert gewinnt

Am deutschen Wohnungsmarkt werden die Preise auch nach der Corona-Krise weiter steigen. Das zeigt der Postbank Wohnatlas 2021, für den Experten des Hamburgischen WeltWirtschaftsInstituts (HWWI) eine Kaufpreisprognose bis 2030 erstellt haben. Demnach ist vor allem in und um die urbanen Zentren mit weiteren Preisaufschlägen zu rechnen.

Mehr zum Thema

Wie Edelmetalle Selbstständigen dabei helfen können, ihr Kapital zu sichern und in Krisenzeiten stabil zu bleiben, erklärt Heyla Kaya im Gastbeitrag.Heyla KayaWie Edelmetalle Selbstständigen dabei helfen können, ihr Kapital zu sichern und in Krisenzeiten stabil zu bleiben, erklärt Heyla Kaya im Gastbeitrag.Heyla Kaya
Finanzen

Wie Edelmetalle als Krisenversicherung für Selbstständige dienen können

Wie Edelmetalle Selbstständigen dabei helfen können, ihr Kapital zu sichern und in Krisenzeiten stabil zu bleiben, erklärt Heyla Kaya im Gastbeitrag.

Das Jahr 2025 könnte nicht nur das Schicksal von Bitcoin, sondern auch das der internationalen Wirtschaft neu definieren.Foto: AdobestockDas Jahr 2025 könnte nicht nur das Schicksal von Bitcoin, sondern auch das der internationalen Wirtschaft neu definieren.Foto: Adobestock
Finanzen

USA plant Bitcoin-Reserven - Beginn einer neuen Ära der globalen Krypto-Politik

Wird Trump eine strategische Bitcoin-Reserve ankündigen? Sollten die USA diesen Schritt wagen, könnte ein globaler Dominoeffekt folgen, der Bitcoin endgültig als Bestandteil nationaler Finanzstrategien etabliert.

Der Wechsel von der GKV in die PKV bleibt eine sehr individuelle Entscheidung, die von vielen Faktoren abhängt.Foto: AdobestockDer Wechsel von der GKV in die PKV bleibt eine sehr individuelle Entscheidung, die von vielen Faktoren abhängt.Foto: Adobestock
Finanzen

Für wen sich ein Wechsel in die Private Krankenversicherung lohnt

Der Wechsel von der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in die private Krankenversicherung (PKV) erscheint für viele Versicherte als eine attraktive Möglichkeit, um Kosten zu sparen und von individuell gestaltbaren Leistungen zu profitieren.

DALL-EDALL-E
Finanzen

Schwarzbuch Börse 2024: Missbrauch und Skandale auf dem Kapitalmarkt

Das Schwarzbuch Börse 2024 beleuchtet erneut zahlreiche Missstände im deutschen Kapitalmarkt.

Matt Benkendorf, Chief Investment Officer, Vontobel Quality GrowthVontobelMatt Benkendorf, Chief Investment Officer, Vontobel Quality GrowthVontobel
Finanzen

Vier Schlüsselthemen für die globalen Aktienmärkte im Jahr 2025

Von den Auswirkungen der KI-Welle bis hin zu geopolitischen Verschiebungen: Matt Benkendorf, Chief Investment Officer bei Vontobel Quality Growth, beleuchtet in einem Marktkommentar die vier zentralen Themen, die die globalen Aktienmärkte im Jahr 2025 prägen könnten.

Sind die Deutschen zu 'zinsverliebt'? Man sollte sich nicht allein durch die trügerische Sicherheit der Nominalzinsen leiten lassen, so Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst.DALL-ESind die Deutschen zu 'zinsverliebt'? Man sollte sich nicht allein durch die trügerische Sicherheit der Nominalzinsen leiten lassen, so Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst.DALL-E
Finanzen

Die Nominalzins-Illusion: Warum die Deutschen zu zinsverliebt sind

Trotz der geopolitischen Unsicherheiten gebe es kein Vorbeikommen an den Aktienmärkten, meint Thomas Meier, Portfoliomanager bei MainFirst.