Neue Entscheidung des BGH zur BSV im zweiten Lockdown

© Danny – stock.adobe.com

Der BGH durfte sich bei seinem weiteren Urteil vom 18.01.2023 – IV ZR 465/21 mit etwas anderen Versicherungsbedingungen als bei seinem ersten, viel beachteten Urteil vom 26.01.2022 auseinandersetzen. In diesem zweiten BSV-Verfahren vor dem BGH konnte der Versicherungsnehmer wenigstens teilweise obsiegen.

Ein Beitrag von Rechtsanwalt Stephan Michaelis und Rechtsanwalt Dr. Jan Freitag, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Stephan Michaelis, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Im neueren Verfahren verlangte die Klägerin aufgrund der teilweisen Einstellung ihres Hotelbetriebs in der Zeit vom 18.03.2020 bis zum 25.05.2020 Entschädigungsleistungen sowie die Feststellung, dass das Versicherungsunternehmen verpflichtet ist, ihr den aus der erneuten Schließung ab dem 02.11.2020 entstandenen Schaden zu ersetzen.

Dem Versicherungsvertrag über die Betriebsschließung liegen die „Bedingungen für die Betriebsschließungs-Pauschalversicherung Gewerbe (BBSG 19)“ zugrunde. Nach Ziff. 8.1 BBSG 19 ersetzt der Versicherer dem Versicherungsnehmer im Falle einer bedingungsgemäßen Betriebsschließung den entgehenden Gewinn und fortlaufende Kosten bis zum Ablauf der vereinbarten Haftzeit. Die BBSG 19 lauten auszugsweise:

3. Versicherte Gefahren und Schäden

3.1 Behördliche Anordnungen zu Schließung, Desinfektion und Tätigkeitsverboten

Der Versicherer leistet […] Entschädigung, wenn die zuständige Behörde aufgrund des Infektionsschutzgesetzes beim Auftreten meldepflichtiger Krankheiten oder Krankheitserreger (siehe Ziffer 3.4)

3.1.1 den versicherten Betrieb oder eine versicherte Betriebsstätte zur Verhinderung der Verbreitung von meldepflichtigen Krankheiten oder Krankheitserregern beim Menschen nach Ziffer 3.4 ganz oder teilweise schließt; Tätigkeitsverbote gegen sämtliche Betriebsangehörige eines Betriebs oder einer Betriebsstätte werden einer Betriebsschließung gleichgestellt (Schließung) […].

3.4 Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger

Meldepflichtige Krankheiten und Krankheitserreger im Sinne dieser Bedingungen sind die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger, ausgenommen sind jedoch humane spongiforme Enzephalopathien nach § 6 (1) 1. d) IfSG.

Dr. Jan Freitag, Rechtsanwalt, Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte

Der örtliche Landkreis untersagte per Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 unter anderem Betreibern von Beherbergungsstätten, Personen zu touristischen Zwecken zu beherbergen. Nach zwischenzeitlichen Lockerungen der Maßnahmen war es Betreibern von Beherbergungsstätten durch die am 02.11.2020 in Kraft getretene Niedersächsische Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 (Niedersächsische Corona-Verordnung) vom 30.10.2020 erneut untersagt, Übernachtungsangebote zu unterbreiten und Übernachtungen zu touristischen Zwecken zu gestatten. Die Klägerin bot daraufhin in der Zeit vom 18.03.2020 bis zum 25.05.2020 und ab dem 02.11.2020 keine Übernachtungen zu touristischen Zwecken an.

Das Landgericht Hannover hat entschieden, dass die Zahlungsklage für den ersten Lockdown dem Grunde nach gerechtfertigt und die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin den aus der zweiten Schließung des versicherten Betriebes entstandenen Schaden zu ersetzen.

Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht Celle die Zahlungsklage für den ersten Lockdown insgesamt abgewiesen und das weitergehende Rechtsmittel zurückgewiesen. Beide Parteien gingen gegen das Urteil in Revision. Der BGH hat beide Revisionen zurückgewiesen.

1. (Kein) Anspruch auf Entschädigungsleistung für den ersten Lockdown

Zu Recht hat das OLG Celle angenommen, dass es an der nach Ziff. 3.4 BBSG 19 vorausgesetzten namentlichen Nennung der Krankheit oder des Krankheitserregers in den §§ 6 und 7 IfSG im Zeitpunkt der ersten Betriebsschließung durch die Allgemeinverfügung vom 18.03.2020 fehlte.

Nicht maßgeblich ist hierbei, dass bereits mit dem Inkrafttreten einer auf der Grundlage von § 15 IfSG erlassenen Verordnung am 01.02.2020 die Meldepflichten nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 und § 7 Abs. 1 Satz 1 IfSG auf den Verdacht einer Erkrankung, die Erkrankung sowie den Tod in Bezug auf eine Infektion mit COVID-19 und auf den direkten oder indirekten Nachweis einer Infektion mit SARS-CoV-2 ausgedehnt wurden.

Mit der Begrenzung des Leistungsversprechens auf „die im Infektionsschutzgesetz in den §§ 6 und 7 namentlich genannten Krankheiten und Krankheitserreger“ erschließt sich dem durchschnittlichen Versicherungsnehmer, dass nur die in diesen Vorschriften mit Namen bezeichneten Krankheiten und Krankheitserreger vom Versicherungsschutz umfasst sein sollen.

Indem die Klausel unmissverständlich die namentliche Benennung der Krankheiten und Krankheitserreger in den §§ 6 und 7 IfSG verlangt, macht sie für den durchschnittlichen Versicherungsnehmer das Anliegen der Beklagten erkennbar und nachvollziehbar, den Versicherungsschutz jedenfalls auf die im Gesetz selbst benannten Krankheiten und Krankheitserreger zu begrenzen.

2. Anspruch auf Entschädigungsleistung für den zweiten Lockdown

Das Berufungsgericht ist demnach zu Recht davon ausgegangen, dass die Klägerin aus Anlass der teilweisen Einstellung ihres Betriebs ab dem 02.11.2020 die begehrte Feststellung verlangen kann, weil die Krankheit COVID-19 und der Krankheitserreger SARS-CoV-2 mit Inkrafttreten des Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 19.05.2020 am 23.05.2020 in § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Buchst. t und § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 44a IfSG namentlich genannt wurden.

Schlussfolgerung

Im Gegensatz zur BGH-Entscheidung vom 26.01.2022, wonach der BGH überhaupt keinen Anspruch des Versicherungsnehmers im Rahmen der Betriebsschließungsversicherung annahm, lagen hier leicht veränderte Versicherungsbedingungen vor. Anders als bei den Versicherungsbedingungen ZBSV 08 enthielten die BBSG 19 keine abschließende Auflistung von Krankheiten und Erregern, sondern verwiesen lediglich auf §§ 6 und 7 IfSG.

Auch wenn diese Versicherungsbedingungen zwar nur einen geringen Teil der am Markt verwandten Bedingungen darstellen, ist die aktuelle BGH-Entscheidung zumindest in Teilen ein positives Signal für Versicherungsnehmer. Die Entscheidung sollte daher zum Anlass genommen werden, mögliche Ansprüche auf Versicherungsleistungen aufgrund des zweiten Lockdowns zu prüfen.

Hierfür steht Ihnen in unserem Hause gern Herr Rechtsanwalt Fabian Kosch zur Verfügung, der auch diese interessante Zusammenfassung für Sie erstellt hat. Wir weisen aber auch darauf hin, dass die Gerichte häufig nur nach Gründen suchen, die Ansprüche der Versicherungsnehmer aus der BSV zurückzuweisen! Daher unser verhaltener Optimismus.

Bilder (2–3): © Kanzlei Michaelis Rechtsanwälte