Die Ergebnisse des RICS Global Construction Monitor (GCM) für das vierte Quartal 2022 zeigen eine leichte Belebung der weltweiten Bautätigkeit, auch wenn die Dynamik im Vergleich zu dem Bild, das sich vor 12 Monaten bot, sehr viel bescheidener ausfällt.
Die Verbesserung des globalen Bautätigkeitsindex (Global Construction Activity Index, CAI) von +3 auf +8 ist fast ausschließlich auf den Bereich Infrastruktur zurückzuführen, der im vierten Quartal einen Anstieg verzeichnete. Im Gegensatz dazu sank die Aktivität im privaten Wohnungsbau, da sich die höheren Zinsen negativ auf die Käufernachfrage auswirken und zu einer Anpassungsphase in diesem Sektor führen.
Region MEA weist stärksten Bautätigkeitsindex auf
Die Region MEA (Middle East & Africa) verzeichnet im vierten Quartal den stärksten CAI-Wert im Vergleich zu allen anderen Weltregionen. Hier stieg der Gesamtindex von zuvor +20 auf +25. In Europa stieg der Bautätigkeitsindex nur leicht von -10 auf -2 und steht somit im Einklang mit einem mehr oder weniger stagnierenden europäischen Gesamttrend.
In der Region APAC (Asia Pacific) signalisiert der jüngste CAI-Wert von +7 (Q3: -1) eine leichte Verbesserung der Dynamik in der Bauindustrie. Obwohl die Bautätigkeit in ganz Amerika weiter ansteigt, hat sich der CAI (derzeit bei +13) in den letzten drei Quartalen jeweils abgeschwächt und ist von seinem jüngsten Höchststand von +38 im ersten Quartal 2022 zurückgegangen.
Auf Länderebene weisen Saudi-Arabien (+65) und Nigeria (+62) im Vergleich zu allen anderen erfassten Ländern die höchsten CAI-Werte auf. Auch die Vereinigten Arabischen Emirate (+49) und Indien (+44) verzeichnen deutlich positive Werte. Am schwächeren Ende der Skala befinden sich die Niederlande (-36), Sri Lanka (-33), Deutschland (-17) und Spanien (-12) mit deutlich negativen CAI-Werten. Dies geht mit einem Rückgang der Bautätigkeit im vierten Quartal ein.
Infrastruktur führend bei aktueller Bautätigkeit und Zwölfmonatserwartungen
Sowohl auf globaler Ebene als auch in allen Weltregionen ist der Infrastruktursektor beim Wachstum der Bautätigkeit weiterhin führend. Weltweit stieg hier der Nettosaldo von +14 Prozent auf +23 Prozent. Ein ähnlich positives Bild im Bereich Infrastruktur zeigt sich in MEA (+27 Prozent), APAC (+27 Prozent), Amerika (+24 Prozent) und Europa (+16 Prozent). Zudem sind die Zwölfmonatserwartungen für Infrastrukturprojekte durchweg positiv, angeführt von besonders robusten Werten in APAC (+63 %Prozent, MEA (+58 Prozent) und Amerika (+46 Prozent).
Im Gegensatz dazu zeigt sich eine stark nachlassende Dynamik im privaten Wohnungsbau. Einen Rückgang der Wohnungsbautätigkeit verzeichnen alle Regionen außer MEA. In Europa und Amerika ist der beschriebene Umschwung am auffälligsten, wo ein solides Wachstum im Wohnungsbau vor zwei bis drei Quartal jetzt einem Rückgang der Bautätigkeit gewichen ist.
Die Aussichten für den Wohnungsbau in Europa in diesem Jahr sind auf ein Nettosaldo von -9 Prozent gefallen (Q3: -5 Prozent). In Nord- und Südamerika fällt der Wert ebenfalls: von +5 Prozent auf jetzt -2 Prozent. In den Regionen APAC und MEA wird ein Anstieg der Bautätigkeit im Wohnbereich in diesem Jahr erwartet.
Materialkosten sind weiterhin größtes Hindernis
Auf globaler Ebene bestätigten 83 Prozent (Q3: 85 Prozent) der Umfrageteilnehmer, dass steigende Materialkosten die Bautätigkeit hindern (Deutschland: 74 Prozent). Auch wenn dieser Anteil in den letzten Quartalen von einem Höchststand mit 91 Prozent im ersten Quartal 2022 jeweils leicht zurückgegangen ist, bleiben die Materialkosten eindeutig ein erhebliches Hindernis.
Fast zwei Drittel der Umfrageteilnehmer sagen zudem, dass finanzielle Zwänge sowie ein Qualifikations- beziehungsweise Arbeitskräftemangel Hindernisse darstellen. Obwohl 56 Prozent der Befragten weiterhin angibt, dass Materialknappheit den Markt behindert, hat der Anteil in den letzten Quartalen deutlich abgenommen.
Noch im zweiten Quartal 2022 hatten 74 Prozent Probleme der Materialverfügbarkeit verzeichnet. Der aktuelle Rückgang deutet darauf hin, dass der Druck auf die Lieferketten etwas nachgelassen hat. In Deutschland wird das Bild bestätigt. Hier sank die Zahl derer, die die Materialverfügbarkeit als Hindernis für die Bautätigkeit sehen, von 75 Prozent auf 61 Prozent.
Europa: Privater Wohnungsbautätigkeit weiter rückläufig
Die Ergebnisse für Europa belegen insgesamt eine weitgehend flache Entwicklung der Gesamtaktivität im Baugewerbe, auch wenn die Trends auf Sektorebene variieren. Der Bereich Infrastruktursektor verzeichnet weiterhin ein solides Wachstum, das sich den Erwartungen zufolge in diesem Jahr fortsetzen wird.
Im Gegensatz dazu geben die Befragten einen Rückgang der privaten Wohnungsbautätigkeit an, da höhere Zinssätze die Nachfrage in diesem Sektor weiter unter Druck setzen.
Europaweiter Bautätigkeitsindex steigt leicht
Auf gesamteuropäischer Ebene verzeichnete der CAI einen Wert von -2 und verbesserte sich damit leicht von -10 im vorangegangen Quartal. Auf Länderebene registrieren Großbritannien (-7), Spanien (-12), Deutschland (-17) und die Niederlande (-36) schlechtere CAI-Werte im Vergleich zum regionalen Durchschnitt. Als Grund dafür gaben die Befragten einen stagnierenden oder negativen Trend sowohl im privaten Wohnungs- als auch Gewerbebau an. Im Gegensatz dazu weisen Italien (+17) und Frankreich (+23) positive Werte für den Hauptindex auf.
Anstieg der Infrastrukturaktivitäten erwartet
Bei den Zwölfmonatserwartungen auf Sektorebene führt in Europa der Bereich Infrastruktur. Hier stieg der Nettosaldo von -3 Prozent auf +23 Prozent. Auch in Deutschland stieg der Wert von -8 Prozent auf +14 Prozent. Im Gegensatz dazu gehen die Umfrageteilnehmer davon aus, dass die Arbeitsauslastung im privaten Wohnungsbau in diesem Jahr europaweit deutlich zurückgehen wird.
Der Nettosaldo fällt hier auf -9 Prozent von zuvor -5 Prozent und markiert damit den schwächsten Wert für diesen Indikator seit der Einführung der Erhebung vor drei Jahren. In Deutschland fällt der Nettosaldo für den Bereich sogar von -43 Prozent auf -57 Prozent.
Zudem sind auch die Aussichten für den privaten Gewerbebau europaweit negativ: Der Nettosaldo erreicht hier im vierten Quartal -7 Prozent. Die deutschen Umfrageteilnehmer sehen in diesem Bereich ebenfalls eine Eintrübung, so dass der Wert von -7 Prozent auf aktuell -13Prozent fällt.
Etwas positiver ist die Beschäftigungsprognose für dieses Jahr in Europa. Der Nettosaldo steigt dabei von -3 Prozent auf +8 Prozent. Besonders in Frankreich (+43 Prozent) erwarten die Befragten einen soliden Anstieg der Zahl der Beschäftigten im Baugewerbe, und auch in Großbritannien (+15 Prozent) sind die Erwartungen positiv.
In Deutschland (-11 Prozent) und Spanien (-10 Prozent) hingegen ist das Feedback gedämpfter. Hier wird von einem leichten Rückgang der Beschäftigung in den nächsten 12 Monaten ausgegangen.
Steigende Kosten setzen Margen weiter unter Druck
Auch wenn sich die erwartete Inflationsrate bei den Materialkosten im Vergleich zu den vorherigen Ergebnissen reduziert hat, werden die Gesamtkosten immer noch stärker steigen als die Angebotspreise. Dementsprechend rechnet ein Nettosaldo von -19 Prozent der Befragten europaweit mit einer Verringerung der Gewinnspannen in den nächsten 12 Monaten, wenngleich der Wert von -29 Prozent im vierten Quartal anstieg. In Deutschland ist eine leichte Erholung – wenngleich noch im negativen Bereich – zu verzeichnen. Hier stieg der Nettosaldo von -32 Prozent auf -26 Prozent.
„Infrastrukturmaßnahmen stützen den Construction Activity Index in einigen Weltregionen, aber Dynamik ist nicht zu spüren. Insbesondere der Wohnungsbau stagniert und kommt teilweise ganz zum Erliegen", erklärt Susanne Eickermann-Riepe, Vorstandsvorsitzende der RICS Deutschland.
Europa und insbesondere Deutschland seien besonders betroffen. Die Hindernisse liegen weiterhin bei den Materialkosten und beim Fachkräftemangel. Aber auch das spürbare Nachlassen der Nachfrage aufgrund der makroökonomischen Rahmenbedingungen und insbesondere der Finanzierungskonditionen wirke sich aus, konstatiert die Vorstandsvorsitzende weiter.
"Die Absenkung der Margen geht weiter voran und zeigt, dass neue Impulse in der Transformation der Weltwirtschaft, aber auch in der Bauindustrie vor Ort benötigt werden, um die Kostenspirale zu durchbrechen“, schließt Eickermann-Riepe.
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