Wann kein Zwang zur Schriftform besteht und auch kein Bußgeld droht
Seit 01.08.2022 traten Änderungen durch das sogenannte Nachweisgesetz in Kraft, basierend auf der EU-Richtlinie 2019/1152. Diese betreffen die Information des Arbeitnehmers (AN) über Arbeitsbedingungen, wozu nun auch die betriebliche Altersversorgung (bAV) gehört. Das bis dahin geltende Recht schloss die digitale Form nicht aus.
Ein Beitrag von Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt und Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik
Seit dieser Novelle kritisieren nicht nur bAV-Dienstleister, dass auch aktuell gesetzlich eine Schriftform – also eine vom Arbeitgeber (AG) unterzeichnete Urkunde – verlangt werde. Obgleich die EU auch eine digitale Textform zugelassen hätte, was sogar für den eigentlichen Arbeitsvertrag auch in Deutschland weiterhin zulässig ist.
Massenhafter Auslegungsfehler in der Wirtschaftspresse
Wenn jedoch die Anwender (AG und AN) überzeugt sind, dass die digitale Textform statt der Schriftform – also Textdateien statt Papier – dem AN zum Vorteil gereicht, können sie diese indes weiterhin verwenden und auf Papierform verzichten. Viele AN werden die digitale Form ja vorziehen, zumal wenn sie überall aktuell darauf zugreifen können, eventuell gar durchsuchbar und untereinander verlinkt. Und etwa auch, weil, wie Reinhard Mey sang, er „Papiere immer verliere“. Denn wie § 6 NachweisG besagt, kann ja unter dieser Voraussetzung von der Schriftform abgewichen werden:
"Unabdingbarkeit: Von den Vorschriften dieses Gesetzes kann nicht zuungunsten des Arbeitnehmers abgewichen werden (§ 6 NachweisG)."
Gemeint ist wohl der Einzelne, nicht alle; und der Einzelne kann ja äußern, ob ihm Textform lieber ist. Es bleibt Sache des AG zu entscheiden, ob die digitale Textform (die ja noch anwenderfreundlicher gestaltbar auch mit Zwangs-Download oder ständigem Portal-Zugang ist) aus objektiven Gründen für alle oder typisierbare AN als nicht benachteiligend darstellbar ist.
Ein Problem damit hätte allenfalls, wer der Überzeugung ist, dass die Textform – oder eine ihm derzeit verfügbare anwenderunfreundliche – gegenüber der Schriftform dem AN zum Nachteil gereicht. Welcher AG sich also zur Schriftform verpflichtet fühlt, gesteht dies mithin so selbst zum eigenen Nachteil ein – indem er sich selbst dem Schutzheiligen „St. Bürokratius“ verpflichtet sieht. Selbst wenn er nur Zweifel hätte, dass die digitale Form für den AN von Vorteil ist.
Benachteiligung durch digitale Textform?
Wer indes die Digitalisierung in papierloser Textform als den Betroffenen benachteiligend ansieht, muss sich fragen lassen, ob dies nicht durch Zweifel an der Zweckmäßigkeit der Digitalisierung diese insgesamt sehr infrage stellt. Anders gesagt: Die Textform statt der Schriftform ist nicht verboten, außer sie fällt konkret zuungunsten des AN aus.
Und wer als AG jammert, den fragt man: „Ist das denn bei Ihnen so? Und warum wollen Sie dann lieber die Textform, wenn Sie doch meinen, sie sei für den AN nachteilig?“ Niemand hat die Absicht, dem AN das Leben zu erschweren. Wenn die papierlose Form für den AN besser ist, kann man sie verwenden.
Wenn jemand sich beschwert, dass er nicht weiß, ob es später ein Gericht genauso sieht, ist dies albern. Denn das weiß er ja bei Wahl der Schriftform hinsichtlich der übrigen Forderungen des Gesetzes auch nicht, und bei allen anderen Gesetzen ebenso wenig, bis ihm ein oberstes Gericht dies sagt.
Da bliebe ihm wohl nur übrig, sich hinzusetzen und an die Decke zu starren und abzuwarten, bis jemandem dies auffällt und man sich um ihn kümmert. Wer als Arbeitgeber glaubte, die bisher doch als vorteilhaft bevorzugte digitale Textform nicht mehr nutzen zu dürfen, stellte sich selbst ins logische Abseits. Zumal wenn er auch nicht einmal eine Möglichkeit sieht, die Digitalisierung ausreichend arbeitnehmerfreundlich zu gestalten.
Die legal mögliche Vermeidung von Papierbergen und die Ermöglichung von digitaler Form wird regelmäßig von den Parteien des Arbeitsvertrags und der bAV-Vereinbarungen dankbar als Erleichterung aufgenommen.
Niemand hat die Absicht, hier eine Mauer zu errichten! Der deutsche Gesetzgeber erlaubt es, er will nur erreichen, dass die Digitalisierungs-Praxis nicht am Ende noch nachteiliger als die Papierform ausfällt. Und das sollte doch bei gutem Umsetzungs-Standard der Digitalisierung auch leicht erreichbar sein.
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