BU: Nachprüfungsrecht auch bei Dread Disease?

Das OLG Bremen hatte sich mit der Frage zu befassen gehabt, ob das in den Versicherungsbedingungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung geregelte Recht des Versicherers im Rahmen der Nachprüfung des Fortbestehens der Berufsunfähigkeit einmal jährlich umfassende ärztliche Untersuchungen des Versicherungsnehmers verlangen zu können, gegen § 307 Abs. 1 BGB verstößt. Ferner hatte das Gericht zu prüfen, ob es im Streitfall für die vom Versicherer verlangte Nachprüfung an der nach § 31 Abs. 1 S. 1 VVG vorausgesetzten Erforderlichkeit der Auskunft fehlte.

Ein Beitrag von Björn Thorben M. Jöhnke, Rechtsanwalt, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Björn Thorben M. Jöhnke, Rechtsanwalt, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Der 1974 geborene Versicherungsnehmer unterhält bei dem beklagten Versicherer seit Mai 2001 eine Berufsunfähigkeitszusatzversicherung. Wegen erheblichen Rückenproblemen beendete der Kläger 2002 seinen Beruf als Konstruktionsschlosser. Der Versicherer wurde 2005 rechtskräftig zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente an den Versicherten bis längstens zum 30. April 2034 verurteilt. Der Versicherungsnehmer war dabei zu 60 Prozent berufsunfähig. Bestandteil des Versicherungsvertrags sind unter anderem die Besonderen Bedingungen der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung des Versicherers (BB-BUZ). Dort heißt es unter anderem:

„§ 6 (1) Nach Anerkennung oder Feststellung unserer Leistungspflicht sind wir berechtigt, das Fortbestehen der Berufsunfähigkeit, ihren Grad bzw. den Umfang der Pflegebedürftigkeit nachzuprüfen. (…) Dabei können wir erneut prüfen, ob die versicherte Person eine andere Tätigkeit i. S. von § 2 ausübt, wobei neu erworbene berufliche Fähigkeiten zu berücksichtigen sind. (…)

(2) Zur Nachprüfung können wir auf unsere Kosten jederzeit sachdienliche Auskünfte und einmal jährlich umfassende Untersuchungen der versicherten Person durch von uns zu beauftragende Ärzte verlangen. (…)“

Er forderte 2010 den Versicherer auf zu erklären, dass ihm kein Nachprüfungsrecht gemäß § 6 BB-BUZ bezüglich seines Gesundheitszustands zustehe, weil mit einer Besserung seiner Beschwerden nicht zu rechnen sei. Der Versicherer lehnte die Abgabe einer solchen Erklärung ab. Das Landgericht lehnte die Klage ab. Hiergegen richtet sich die Berufung des Versicherten.

Die Entscheidung des OLG Bremen

Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. § 6 BB-BUZ sei nicht wegen eines Verstoßes gegen § 307 Abs. 1 BGB unwirksam, so auch das OLG Bremen. Ein Anspruch aus § 242 BGB komme ebenfalls nicht in Betracht. Das Gericht kam zu dem Ergebnis, dass das in § 6 BB-BUZ geregelte Nachprüfungsrecht des Versicherers keine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers darstelle. Die gelte auch dann, wenn die Berufsunfähigkeit oder die Erkrankung endgültig sei.

Der Zweck des Nachprüfungsrechts sei, die Berufsunfähigkeit, die grundsätzlich kein Versicherungsfall sei, der stets auf Dauer fortbestehe, zu prüfen. Es begründe für den Versicherer eine Zahlungspflicht für einen möglicherweise über Jahrzehnte erstreckenden Zeitraum, wenn die Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers festgestellt werde, obwohl die Feststellung auf einer medizinischen Untersuchung beruhe, die lediglich den aktuellen Krankheitszustand dokumentiere und eine Prognose anstelle, so das OLG.

31 VVG: Der Schutz des Versicherungsnehmers

Doch der Versicherungsnehmer genießt auch im Rahmen des Nachprüfungsrechts des Versicherers Schutz. Und zwar durch § 31 Abs. 1 S. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG)! Das Gericht meint, dass danach der Versicherer nach dem Eintritt des Versicherungsfalls Auskünfte vom Versicherungsnehmer nur insoweit verlangen könne, als dies zur Feststellung des Umfangs der Leistungspflicht erforderlich sei. 

Stehe im konkreten Fall fest, dass die bisherigen Untersuchungsergebnisse, die eine Berufsunfähigkeit bestätigen, nach wie vor Bestand haben (weil zum Beispiel die Erkrankung nach derzeitigem medizinischem Kenntnisstand nicht heilbar ist), könne es am Merkmal der Erforderlichkeit fehlen. Weiter führt das OLG Bremen aus, dass in einem solchen Fall der Versicherer nicht verlangen könne, dass Nachuntersuchungen durchgeführt werden.

Ferner kann es für Untersuchungen, die den Versicherten zusätzlich beeinträchtigen, an der Erforderlichkeit im Rahmen des § 31 Abs. 1 Satz 1 VVG fehlen. Das könne dann der Fall sein, wenn der Versicherer deren Durchführung in kurzen, auch medizinisch nicht gebotenen Intervallen verlange, so das Oberlandesgericht.

Keine unangemessene Benachteiligung durch Nachprüfungsrecht

Im vorliegenden Fall behaupte der Versicherungsnehmer, dass es keine Heilungsmöglichkeit gebe. Das OLG Bremen sei jedoch der Auffassung, dass sich hieraus weder gemäß § 307 Abs. 1 BGB noch nach § 242 BGB ein genereller Ausschluss des Nachprüfungsrechts des Versicherers ergebe. Im Einzelfall könne sich der Versicherungsnehmer lediglich, dass es gemäß § 31 Abs. 1 S. 1 VVG an der Erforderlichkeit der Untersuchung fehle und die konkret von ihm verlangte medizinische Untersuchung damit gegen § 31 Abs. 1 S. 1 VVG verstoße.

Das OLG komme hier jedoch zum Ergebnis, dass ein solcher Fall hier nicht ersichtlich sei. Der Versicherer habe unter anderem gegenüber dem klagenden Versicherungsnehmer ein Nachprüfungsverfahren bisher noch gar nicht angekündigt. Außerdem seien auch objektive Anhaltspunkte dafür, dass sich die Rückenprobleme des Klägers nicht bessern könnten, nicht ersichtlich, so das OLG Bremen.

Auch sei das Gericht der Ansicht, dass es durch Entwicklung neuer Technologien und Arbeitsmethoden Veränderungen ergeben können, die auch eine erneute medizinische Untersuchung erforderlich machen, wenn sich der gesundheitliche Zustand nicht verändert habe. Ein Feststellungsanspruch des Klägers bezüglich des Nichtbestehens eine Nachprüfungsrechts des Versicherers bestünde daher selbst dann nicht, wenn feststehen würde, dass eine Besserung des gesundheitlichen Zustandes des Versicherungsnehmers ausgeschlossen sei. Letztlich enthalte das Nachprüfungsverfahren eine angemessene Abwägung der Interessen des Versicherungsnehmers und des Versicherers auch in den Fällen, in denen nicht mit einer Besserung der gesundheitlichen Situation des Versicherungsnehmers zu rechnen sei. Da die Nachprüfung eine Einwendung des Versicherers darstelle, trage dieser die Darlegungs- und Beweislast.

Fazit und Praxishinweis

Die Entscheidung des OLG Bremen zeigt, dass das Nachprüfungsrecht des Versicherers in der Berufsunfähigkeitsversicherung eine wichtige Rolle spielt und häufig Gegenstand von rechtlichen Auseinandersetzungen ist. Durch das Nachprüfungsrecht ist es dem Versicherer erlaubt, neue gesundheitliche oder beruflich leistungsrelevante Entwicklungen beim Versicherungsnehmer zu prüfen. Bei unheilbaren Erkrankungen kann es jedoch an der Erforderlichkeit fehlen, so dass weitere Untersuchungen nicht geboten sind, so dass der Versicherer in diesem Fall nur ein „eingeschränktes Nachprüfungsrecht“ hat.

Wurde vom Versicherer die Leistungspflicht einmal anerkannt, ist er zunächst an diese Entscheidung, mit Ausnahme von Fällen der nachträglich aufgedeckten arglistigen Täuschung, grundsätzlich gebunden. Also ist eine Änderung des Ergebnisses der erstmaligen Leistungsprüfung im Rahmen der Berufsunfähigkeitsversicherung aufgrund der Erkenntnis, dass dieses fehlerhaft war oder dass eine neue, abweichende Bewertung vorliegt, ausgeschlossen.

Versicherungsnehmern ist stets anzuraten, im Rahmen der Nachprüfung des Versicherers mitzuwirken, soweit dies erforderlich ist. Verweigert der Versicherungsnehmer nämlich die erforderliche Mitwirkung, stellt dies eine vertragliche Obliegenheitsverletzung dar. Dadurch kann der Versicherer bei Vorsatz leistungsfrei werden oder bei grober Fahrlässigkeit zur Leistungskürzung berechtigt sein, sofern dies in den Versicherungsbedingungen geregelt ist.

Es ist daher in der Praxis sinnvoll, jede Leistungseinstellung eines Berufsunfähigkeitsversicherers anwaltlich überprüfen zu lassen. Dieses gerade auch im Hinblick auf ein durch den Versicherer durchgeführtes Nachprüfungsverfahren. Wie eine solche Überprüfung der Entscheidung im Nachprüfungsverfahren aussehen kann. Das Nachprüfungsverfahren ist dabei nur ein Teil des gesamten BU-Verfahrens. Für Vermittler und Versicherungsnehmer ist daher anzuraten, frühzeitig anwaltliche Expertise in Anspruch zu nehmen, um etwaige Anspruchsvereitelungen sowohl im Rahmen einer Erst- als auch einer Nachprüfung zu vermeiden.

Bild (2): © Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB