Das Geheimnis erfolgreicher Gruppen: Reflexion und Retrospektive

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Agilität spielt in der heutigen Arbeitswelt eine wichtige Rolle. Dazu gehört auch die Bildung von Gruppen, die nur für einen befristeten Zeitraum zusammenarbeiten, um eine bestimmte Aufgabe zu erfüllen oder gemeinsam ein Projekt umzusetzen. Dabei fehlen oft die klassischen Strukturen von Teams.

Im Gegensatz dazu sind Gruppen nämlich zumeist keine eingeschweißte Einheit, sondern ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Spezialisten. Für die erfolgreiche Zusammenarbeit sind deshalb gerade bei Gruppen die Reflexion und die Retrospektive von immenser Bedeutung.

Was bedeutet Reflexion in der beruflichen Praxis?

Das Wort Reflexion leitet sich vom lateinischen „reflexio“ ab und bedeutet wörtlich übersetzt „zurückbeugen“. Im beruflichen Zusammenhang wird heutzutage darunter das Nachdenken und Diskutieren über bewältigte Aufgaben und Projekte verstanden.

Im klassischen Projektmanagement findet die Reflexion zumeist in der Phase des Projektabschlusses statt und wird als „Lessons Learned“ bezeichnet. Bei einem entsprechenden Workshop werden die Erfahrungen eines Projektes diskutiert, um daraus für künftige Projekte die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Sowohl die positiven als auch die negativen Erkenntnisse sind Teil der Projektabschlussdokumentation und werden in einer zentralen Datenbank abgelegt, auf die auch Mitarbeiter zugreifen können, die nicht direkt in das Projekt involviert waren.

Um den Workshop von Beginn an in Schwung zu bringen, empfiehlt es sich, die Teilnehmer schon im Vorfeld dazu aufzufordern, ihre positiven und negativen Beobachtungen zu übermitteln. Beim Workshop selbst sollen die positiven Dinge noch einmal hervorgehoben und gelobt werden. Bei den negativen Punkten geht es vor allem darum, Ideen und Lösungen zu finden, wie diese bei zukünftigen Projekten vermieden werden können.

Idealerweise wird der Workshop nicht vom Projektleiter, sondern von einer Person außerhalb des Projektteams durchgeführt. So fällt es einfacher, die eventuell im Projekt entstandenen Emotionen und Reibungspunkte außen vor zu lassen und nüchtern an die Reflexion heranzugehen.

Grundsätzlich ist die Abhaltung eines solchen Workshops sinnvoll. Ein großer Kritikpunkt ist jedoch vor allem der Zeitpunkt der Durchführung. Wer ein wenig Erfahrung mit Projekten hat, der weiß, dass das Engagement und die Beteiligung vieler Mitglieder im Laufe eines Projekts deutlich nachlassen. Oftmals ist den Beteiligten auch klar, dass sich die Wege nach dem Projekt wieder trennen werden. Deshalb bleiben auch viele Dinge unausgesprochen. Bei der Retrospektive sieht das ein wenig anders aus.

Die Retrospektive als wichtiger Bestandteil der agilen Arbeitswelt

Bei der Retrospektive handelt es sich um eine Arbeitsmethode, die beim agilen Projektmanagement zur Anwendung kommt. Anders als bei der Reflexion findet sie nicht nur zum Ende des Projekts statt, sondern wird nach jedem Sprint durchgeführt. Ein Sprint beschreibt dabei eine Zeiteinheit, in der das Projektteam einen zuvor festgelegten Plan zur Umsetzung eines Zwischenzieles umsetzt.

Die Durchführung einer Retrospektive fällt in den Aufgabenbereich des Scrum Masters. Dessen Rolle in einem Projekt ist so ausgelegt, dass er auf Dinge achtet, die zu wenig oder gar keine Beachtung finden. Häufig wird der Sinn dieser Rolle in Unternehmen hinterfragt, weil es so aussieht, als hätte der Scrum Master nicht viel zu tun.

Laut einer Studie von Horvath & Partners sind bei agilen Arbeitsmethoden Effizienzsteigerungen von bis zu zwölf Prozent möglich. Doch in der Praxis steht und fällt der Projekterfolg genau mit dem Scrum Master. Denn kommt er nur temporär oder im schlimmsten Falle gar nicht zum Einsatz, verpuffen die Vorteile der Scrum-Methode gegenüber dem klassischen Projektmanagement. Ein guter Scrum Master braucht vor allem Frustrationstoleranz und Ausdauer, Offenheit, Respekt, Mut und die Selbstverpflichtung gegenüber der Organisation und des Projektteams, stets das Beste zu geben.

Wer sich entsprechend ausbilden lassen möchte, kann das im Rahmen einer Scrum Master Zertifizierung machen. Bei Ausbildungsstellen wie beispielsweise CSM Training gibt es die Möglichkeit, durch interaktives und praxisnahes Lernen ohne Powerpoint-Folien ein weltweit anerkanntes CSM-Zertifikat der Scrum Alliance zu erlangen.

Es gibt sehr viele unterschiedliche Methoden für die Durchführung einer Retrospektive. Je erfahrener der Scrum Master ist, desto größer ist in der Regel auch seine entsprechende Toolbox. Eine bekannte davon findet sich auch in den von Keith McCandless und Henri Lipmanowicz zusammengetragenen Liberating Structures wieder. Dabei handelt es sich um die sogenannte „Nine Whys“ Methode.

Einmal nach dem Warum zu fragen, ist bei Projekten nicht ausreichend, um den Problemen tatsächlich auf den Grund zu gehen. Deshalb wird bei der Nine-Whys-Methode „nachgebohrt“.

Einmal nach dem Warum zu fragen, ist bei Projekten nicht ausreichend, um den Problemen tatsächlich auf den Grund zu gehen. Deshalb wird bei der Nine-Whys-Methode „nachgebohrt“.

Die Nine-Whys-Methode als Tool zur Retrospektive

Durch den Einsatz der Nine-Whys-Methode können einzelne Personen und Gruppen sehr schnell klären, was für ihre Arbeit in einem Projekt wichtig ist. Dadurch lässt sich schnell aufdecken, ob bei gewissen Aufgaben der Sinn fehlt oder es einfachere Methoden gegeben hätte, das jeweilige Zwischenziel zu erreichen.

Zunächst wird die Analyse in Zweier-Gruppen durchgeführt. Dabei befragen sich die beiden Personen für einen Zeitraum von etwa fünf bis zehn Minuten. Am Beginn könnte beispielsweise die Frage „Was ist Dir während des letzten Sprints aufgefallen?“ stehen. Nach einer entsprechenden Antwort wird die Frage „Warum ist das wichtig für dich?“ gestellt. Mit weiteren Warum-Fragen wird versucht, die Ursachen des Problems noch näher zu erforschen. Im Anschluss werden die Rollen getauscht und die Schritte wiederholt.

Nach der Diskussion in der Zweier-Gruppe werden Vierer- oder Sechsergruppen gebildet. Das Ziel dabei ist es, herauszufinden, welche Ähnlichkeiten und Unterschiede zu den eigenen Problemen bestehen und diese zu diskutieren.

Die gewonnenen Erkenntnisse werden schließlich am Ende noch einmal in der gesamten Projektgruppe diskutiert und reflektiert. Das schafft die Grundlage für eine schrittweise Analyse und bringt Schwung in die Retrospektive.

Ein erfahrener Scrum Master weiß, wie er dabei bekannte Stolperfallen dieser Arbeitsmethode vermeiden kann. Bei der Nine-Whys-Methode ist es wichtig, einen sicheren und einladenden Raum zu schaffen und die Teilnehmer dazu zu animieren, ihr inneres Kind zu aktivieren und entsprechend neugierig zu sein. Er fasst die Ergebnisse der einzelnen Kleingruppen übersichtlich zusammen und hilft so dabei, die Probleme für die gesamte Projektgruppe sichtbar zu machen.

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