Wie Direktversicherungen durch Gläubiger und Insolvenzverwalter gepfändet werden können
Der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 24.06.2015, Az. IV ZR 411/13) entschied bereits, dass die Direktversicherung eines Gesellschafter-Geschäftsführers trotz unwiderruflichem Bezugsrecht mit Vorbehalt des Widerrufs bis zur sogenannten Unverfallbarkeit bei der GmbH auch bei seiner insolvenzbedingten Kündigung pfändbar sind. Damit steht dieses Vermögen zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) der Insolvenzmasse der GmbH zu.
Aussonderungsrecht normaler Arbeitnehmer
Hingegen greift bei normalen Arbeitnehmern wie auch einfachen GmbH-Geschäftsführern (BGH, Urteil vom 08.06.2005, Az. IV ZR 30/04) ein Aussonderungsrecht nach § 47 InsO, auch bei arbeitgeberfinanzierten Direktversicherungen, weil der BGH den Vorbehalt nicht auf den Fall des insolvenzbedingten Ausscheidens angewendet, sondern nur auf den Fall der Eigenkündigung des Arbeitnehmers.
Beweislast beim Versicherer – wenn er nicht auszahlt
Im Fall der Insolvenz trifft den Versicherer (VR) – letztlich die versicherte Person – die Beweislast, wenn trotz Kündigung des Insolvenzverwalters keine Auszahlung erfolgen soll. Schließlich riskiert der VR, am Ende doppelt leisten zu müssen, wenn der Rückkaufswert geschützt gewesen war.
Insolvenzverwalter und Gläubiger pfänden künftige Auszahlungsansprüche
Bis zu mehr als 90 Prozent der Insolvenzanträge werden verspätet gestellt, womit der Insolvenzverwalter gegen die Ex-Geschäftsleitung etwaige Haftungsansprüche durchsetzt, um künftige Rentenzahlungen zu pfänden. Dieser kann dann beim Geschäftsführer insbesondere auch das Bezugsrecht pfänden.
Auch das Kapital bzw. der Rückkaufswert ist pfändbar und des öfteren widerruflich
Das Kündigungsrecht sowie etwa das Recht auf Vertragswiderruf verbleiben bei Direktversicherungen beim (ersten) Versicherungsnehmer (VN). Dies gilt häufig auch bei privater Weiterführung nach Ausscheiden und Übertragung der Versicherungsansprüche auf den (Ex-)Mitarbeiter. Hier gilt es, den Inhalt der Vereinbarung zur Übertragung auszulegen. Oft existiert keine Übertragungsvereinbarung, sondern der Arbeitgeber bestimmte es gegenüber dem VR.
Ohne Kündigung durch den Versicherungsnehmer, also den (Ex-)Arbeitgeber, kann ein Gläubiger der Versicherten Person nicht allein durch Pfändung den Rückkaufswert ausbezahlt bekommen (BGH, Urteil vom 02.12.2009, Az. IV ZR 65/09). Damit aber ist ein Schutz der Direktversicherung vor Gläubigern der Versicherten Person trotzdem nicht gegeben. Denn der Gläubiger kann laut diesem BGH-Urteil von der Versicherten Person fordern, dass diese vom ehemaligen Arbeitgeber die Kündigung oder die Übertragung des Kündigungsrechts der Direktversicherung verlangt. Mittels Kündigung durch den VN, oder eine Übertragung des Kündigungsrechts, wird sie damit wiederum für Gläubiger beim Bezugsberechtigten pfändbar. Bei einer gelöschten GmbH ist an eine Nachtragsliquidation zu denken.
Widerruf der Direktversicherung durch Arbeitgeber, Gläubiger und Insolvenzverwalter?
Das Widerrufsrecht für Lebensversicherungsverträge mit Abschluss seit 29.07.1994 bis einschließlich 2007 bei falscher Widerrufsbelehrung betrifft nicht nur Privatpersonen, die als Verbraucher gelten. Auch Unternehmen – von der Einzelfirma bis hin zur GmbH & Co.KG – steht dieses Recht zu, mit dem Ziel weitaus mehr vom Versicherer zu bekommen, als der Rückkaufswert es bietet. Diese Option besteht bei zahlreichen Unternehmen auch für deren Gläubiger und Insolvenzverwalter. Dadurch kann auch das Bezugsrecht rückwirkend entfallen – der durch bAV begünstigte Mitarbeiter stünde mit leeren Händen im Alter da und dürfte nach Anmeldung seiner Forderung(en) allenfalls mit einer üblichen Insolvenzquote von bis zu weniger als 3 Prozent rechnen.
Sicherungstreuhand schützt Altersvorsorgevermögen nicht vor Gläubigerzugriff
Hat die Geschäftsleitung das Vermögen für die bAV bei einem Treuhänder vermeintlich gesichert, kann mit dem Titel beziehungsweise Urteil gegen den Ex-Geschäftsführer unmittelbar auch beim Treuhänder gepfändet werden, soweit es sich um die Rückübertragung des Treuhandvermögens handelt (BGH, IV ZR 95/53; VII ZR 56/57; IX ZR 100/93). Einer Klage gegen den „Sicherungs-Treuhänder“ bedarf es regelmäßig nicht.
Von Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, RB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik (Diethardt), Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).
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