Rente nach unten und hinein in die Armutsgrenze

Die Diskussionen über die Höhe und Sicherheit der gesetzlichen Rentenbezüge werden in den kommenden Wochen bis zur Bundestagswahl 2017 noch intensiver werden. Die Gäste der abendlichen Talkshows und auch Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Herausforderer Martin Schulz werden sich diesem Thema widmen – ob die Antworten Mut zur Hoffnung geben, steht in den Sternen. Die Rente ist seit Jahren ein Dauerbrenner und wird es auch bleiben. Wird das Rentenniveau, wie bislang vorgesehen, gesenkt, wird es auch für qualifizierte Beschäftigte mit mittlerem Einkommen erheblich schwieriger, sich Altersbezüge in einer Höhe zu erarbeiten, die deutlich oberhalb der Grundsicherungs- oder der Armutsgefährdungsschwelle liegen.

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Schwierig wird es besonders dann, wenn statt des traditionellen Konzepts des "Eckrentners" mit 45 Beitragsjahren und einem Durchschnittsverdienst auch kürzere Versicherungsverläufe die Basis bilden – und es ist realistischer künftig davon auszugehen. Dies gilt insbesondere für Frauen.

Massive Veränderungen

Dass die Veränderungen erheblich sein werden und wie diese aussehen könnten, wird von neuen Modellrechnungen des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung anhand von einigen Beispielen im Rahmen einer Kurzstudie skizziert.

Liegt das aktuelle Rentenniveau (rund 48 Prozent, gemessen am Durchschnittsentgelt) zugrunde, erhält eine Person, die als Alten- oder Krankenpfleger/in nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes bezahlt wird, nach gut 25 Beitragsjahren eine Rente, die höher ist, als die Grundsicherung im Alter. Würde heute dagegen bereits das für das Jahr 2045 prognostizierte Rentenniveau von knapp unter 42 Prozent gelten, hätte die Pflegerin/der Pfleger erst nach rund 29 Beitragsjahren einen Rentenanspruch oberhalb der Grundsicherung. Der monatliche Betrag der Grundsicherung lag im Jahr 2015 bei durchschnittlich 747 Euro im Monat.

Ein Rentner mit 45 Beitragsjahren in Vollzeit muss auf Basis des aktuellen Rentenniveaus im Durchschnitt 11,42 Euro pro Stunde brutto verdienen, um die Grundsicherungsschwelle zu überschreiten. Würde das für 2045 prognostizierte Rentenniveau gültig sein, wären dafür mindestens 13,06 Euro nötig. Bei 35 Beitragsjahren in Vollzeit würde der dafür notwendige Stundenlohn von aktuell 14,68 Euro auf 16,79 Euro ansteigen.

Rente über der Armutsgefährdungsschwelle

Soll die gesetzliche Rente über der Armutsgefährdungsschwelle liegen, die nach aktuellsten Daten aus dem Jahr 2015 bei 942 Euro Monatseinkommen für einen Alleinstehenden liegt, müssen die notwendigen Stundenlöhne deutlich höher ausfallen:

Nach heutigem Stand und bei 45 Beitragsjahren in Vollzeit müssten im Durchschnitt 14,40 Euro verdient werden. Beim Rentenniveau des Jahres 2045 wären es 16,47 Euro. Würde man mit 40 Beitragsjahren in Vollzeit rechnen, betragen die dafür nötigen Stundenlöhne sogar 16,20 bzw. 18,53 Euro.

WSI-Alterssicherungsexperte Dr. Florian Blank zieht folgendes Resümee der Studie:

"Eine Stabilisierung oder Anhebung des Rentenniveaus ist dringend geboten, um für alle Einkommensgruppen die Lohnersatzfunktion der Renten und damit die Legitimität der Rentenversicherung sicherzustellen."

Doch beides sei akut gefährdet, wenn trotz einer langjährigen Beitragszahlung keine gesetzliche Rente deutlich über dem Grundsicherungsniveau oder der Armutsgrenze erreicht werden kann. Damit würde die nach wie vor tragende Säule des deutschen Alterssicherungssystems weiter beschädigt werden.

Blanks Untersuchung zeigt auch, dass eine qualifizierte Beschäftigung zu Tariflöhnen beim aktuellen Rentenniveau einen verlässlichen Schutz vor Altersarmut bieten kann – natürlich eine lange Erwerbsbiografie vorausgesetzt. Das gilt vor allem in Bereichen wie der Industrie oder dem Öffentlichen Dienst.

Problem Mindestlohn

Viele Mindestlöhne, wie auch der gesetzliche Mindestlohn, sind hingegen zu niedrig, um damit auf eine gesetzliche Rente über dem Grundsicherungsniveau zu kommen — auch bei einer ununterbrochenen, 45-jährigen Vollzeittätigkeit. So müsste eine Person, die zum gesetzlichen Mindestlohn beschäftigt wird, dafür auf Basis des heutigen Rentenniveaus fast 60 Jahre lang arbeiten.

Mit dem abgesenkten Rentenniveau des Jahres 2045 wären sogar mehr als 69 Beitragsjahre nötig. Wer den Branchenmindestlohn für Pflegerinnen und Pfleger erhält, braucht beim aktuellen Rentenniveau 55 Jahre. Mit dem Niveau des Jahres 2045 wären mehr als 62 Beitragsjahre erforderlich. Noch Fragen?

WSI-Forscher Blank mahnt deshalb:

"Das Rentenniveau zu stabilisieren oder anzuheben ist kein Instrument zur Bekämpfung von Altersarmut bei Niedrigverdiensten oder stark fragmentierten Erwerbsverläufen. Entsprechende Reformen würden aber verhindern, dass sich immer mehr Menschen, für die das bislang kein Thema ist, um ihren Lebensstandard im Alter Sorgen machen müssen."

Um den Kreis derer, die von Altersarmut bedroht werden, nicht noch größer werden zu lassen, würde in einem zweiten Schritt auch eine zielgenaue Unterstützung von Risikogruppen helfen.

Bild: © DDRockstar / fotolia.com

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