Nachdem ein Versicherer den mit einem Versicherungsvermittler bestehenden Handelsvertretervertrag außerordentlich gekündigt hatte, mahnte dieser den Agenturnachfolger wegen einer angeblichen herabsetzenden Äußerung ab.
Ein Beitrag von Rechtsanwalt Jens Reichow, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
Dem abgemahnten Versicherungsvertreter wurde vorgeworfen, er habe Versicherungsnehmer kontaktiert, um diese dazu zu bewegen, die von ihnen zuvor ausgesprochenen Kündigungen von Versicherungsverträgen zurückzunehmen. Dabei habe der Versicherungsvertreter angeblich auf einen „triftigen Vorfall“ zwischen dem Versicherer und dem abmahnenden Versicherungsvermittler hingewiesen und darüber hinaus gegenüber den Versicherungsnehmern behauptet, dass es das Unternehmen des Abmahnenden nicht mehr lange geben würde.
Der abmahnende Versicherungsvermittler sah in diesen Aussagen eine Herabsetzung im Sinne des § 4 Nr.1 UWG, sowie einen Verstoß gegen § 5 Abs.1 S. 2 Nr. 3 UWG und forderte den Agenturnachfolger dazu auf eine strafbewährte Unterlassungserklärung im Sinne des § 8 UWG abzugeben.
Nach Erhalt der Abmahnung beauftragte der abgemahnte Versicherungsvertreter die Kanzlei Jöhnke & Reichow mit der Wahrnehmung seiner Interesse, die Auftrag des Agenturnachfolgers die Forderung nach Abgabe einer Unterlassungserklärung zurückwies.
Formelle Mängel der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung
Zunächst argumentierte die Kanzlei Jöhnke & Reichow, dass die Abmahnung bereits die formellen Anforderungen nicht erfüllen. Nach § 13 Abs.2 Nr. 4 UWG hat eine Abmahnung nämlich klar und verständlich die Rechtsverletzung unter Angabe der tatsächlichen Umstände zu enthalten.
Die Fachanwälte führten sodann aus, dass es in der streitgegenständlichen Abmahnung bereits an den erforderlichen konkreten Sachverhaltsangaben fehlte, da bereits die Kunden, gegenüber denen die behauptete Äußerung getätigt worden sein sollten, nicht genannt waren.
Unbegründetheit der wettbewerbsrechtlichen Abmahnung
Auch inhaltlich wiesen die Anwälte die Abmahnung zurück. Selbst wenn die in der Abmahnung behaupteten Aussagen getätigt worden wären, so seien diese nämlich nicht zu beanstanden.
Dem abmahnenden Versicherungsvermittler war nämlich zuvor aus wichtigem Grund gekündigt worden. Wobei sich der „wichtige Grund“ auf einem Betrugsvorwurf begründete. Insofern dürfe durchaus von einem „triftigen Vorfall“ zwischen dem Versicherer und dem Abmahnenden ausgegangen werden.
Zudem würde ein Betrug zur Unzuverlässigkeit des Versicherungsvermittlers im Sinne des § 34 d Abs. 5 GewO führen. Dies hätte wiederum zur Folge, dass die Voraussetzungen für den Fortbestand der Gewerbeerlaubnis nach § 34 d GewO nicht mehr vorliegen würden und ein Fortbestand des Vermittlungsunternehmens damit ebenfalls nicht mehr gewährleistet wäre.
Nach der außergerichtlichen Erwiderung der Kanzlei Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte auf die Abmahnung, wurde die Unterlassungsforderung nicht weiterverfolgt.
Fazit
Im Rahmen wettbewerbsrechtlicher Abmahnungen ist aufgrund der oftmals engen zeitlichen Fristen eine schnelle Reaktion des Abgemahnten erforderlich. Wird die Frist zur Abgabe einer strafbewährten Unterlassungserklärung versäumt, drohen weitere, kostenpflichtige rechtliche Schritte. Die Reaktion auf eine Abmahnung sollte daher gut überlegt sein.
Insbesondere sollte stets im Einzelfall geprüft werden, ob der geltend gemachte Unterlassungsanspruch überhaupt besteht. Hierbei kann es sich empfehlen, den jeweiligen Einzelfall durch einen versierten Rechtsanwalt rechtlich prüfen zu lassen.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Fristlose Kündigung wegen Veränderung von Kundendaten
Das LG Erfurt hatte sich mit der Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Handelsvertretervertrages durch einen Versicherer aufgrund willkürlicher Veränderungen und Löschungen von Kundendaten durch einen Handelsvertreter zu befassen.
Widerruf einer Gewerbeerlaubnis wegen fehlender VSH
Dauerhaftigkeit der Berufsunfähigkeit wegen Brustkrebs?
Das OLG Dresden entschied anlässlich der Klage einer an Brustkrebs erkrankten Versicherungsnehmerin darüber, ob die Zahlung einer Berufsunfähigkeits-Rente eine Dauerhaftigkeit der Erkrankung grundsätzlich voraussetzt.
Wie unabhängig sind Versicherungsvertreter und Mehrfachagenten?
Mit der Frage, ob ein Versicherungsvertreter als Mehrfirmenvertreter auf seiner Webseite mit einer "unabhängigen Beratung" werben darf, obwohl er über keine Erlaubnis als Versicherungsmakler oder Versicherungsberater verfügt, befasste sich das OLG Hamburg in seinem aktuellen Hinweisbeschluss.
Datenschutz: Abmahnungen für die Verwendung von Google Fonts
Aktuell häufen sich die Abmahnungen an Webseitenbetreiber im Zusammenhang mit der Nutzung von Google Fonts. Ob eine Abmahnung samt Gebührenforderung rechtmäßig sein könnte, erläutert die Kanzlei Jöhnke und Reichow Rechtsanwälte.
Haftung bei Umdeckung einer DU-Versicherung
Das LG Erfurt entschied in der Frage der Haftung eines Versicherungsvertreters bei der Umdeckung einer DU- in eine BU-Versicherung und zeigt dabei auf, wie wichtig angesichts einer etwaigen Beweislastumkehr, die ordnungsgemäße Beratungsdokumentation ist.
Pensions-Sicherungs-Verein kann Forderungen 30 Jahre lang geltend machen
Forderungen des Pensions-Sicherungs-Vereins (PSV) in Insolvenzverfahren verjähren erst nach 30 Jahren. Das hat das Bundesarbeitsgericht entschieden. Eine Verjährung nach drei Jahren, wie von einem Insolvenzverwalter gefordert, lehnten die Richter ab.
BGH: Automatische Beendigung einer D&O-Versicherung bei Insolvenz unwirksam
Der Bundesgerichtshof hat mit Urteil vom 18. Dezember 2024 eine Klausel in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen einer D&O-Versicherung für unwirksam erklärt, die den Versicherungsschutz automatisch mit Ablauf der Versicherungsperiode bei Insolvenzantragstellung beendet.
Allianz unterliegt vor Gericht: Riester-Rente darf nicht gekürzt werden
Ein bedeutendes Urteil des Oberlandesgerichts Stuttgart sorgt für Aufsehen in der Versicherungsbranche: Die Allianz Lebensversicherungs-AG darf eine umstrittene Klausel in ihren fondsgebundenen Riester-Rentenverträgen nicht mehr verwenden.
Reiserücktritt wegen Covid-19: BGH schafft Klarheit
Der Bundesgerichtshof hat entschieden: Für die Beurteilung eines Reiserücktritts wegen Covid-19 sind nur die Umstände zum Zeitpunkt des Rücktritts entscheidend. Was diese Entscheidung für Reisende, Veranstalter und Versicherer bedeutet.
Gericht stärkt Post-COVID-Erkrankte: Der Fall eines Krankenpflegers und seine Bedeutung
Ein Krankenpfleger aus Baden-Württemberg steht im Mittelpunkt eines Rechtsstreits, der weit über seinen persönlichen Fall hinaus Signalwirkung entfalten könnte. Der Mann leidet bis heute an schweren Langzeitfolgen. Dennoch verweigerte die Unfallkasse Baden-Württemberg ihm die Zahlung einer Verletztenrente.
Fahrt zur Tankstelle zählt nicht als Arbeitsweg
Das Landessozialgericht Baden-Württemberg hat entschieden: Eine Fahrt zur Tankstelle ist kein Arbeitsweg und fällt daher nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Fall verdeutlicht die Abgrenzung zwischen privater und beruflicher Sphäre.