Zur Rechtsmissbräuchlichkeit von Auskunftsansprüchen nach der DSGVO

Das Oberlandesgericht Dresden (OLG Dresden) hatte sich mit der rechtlichen Frage zu befassen gehabt, ob der Auskunftsanspruch nach Art. 15 DSGVO (Datenschutz-Grundverordnung) verwendet werden darf, um die Begründetheit von Rechtsansprüchen zu überprüfen oder doch nicht eine dem Sinn und Zweck der DSGVO widersprechende rechtsmissbräuchliche Anwendung des Auskunftsanspruch darstellt.

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Ein Beitrag von Björn Thorben M. Jöhnke, Fachanwalt für Versicherungsrecht, Gewerblichen Schutz und Informationstechnologierecht, Jöhnke & Reichow Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB

Der klagende Versicherungsnehmer unterhält bei der beklagten Versicherung eine private Krankenversicherung. Dem Versicherungsverhältnis liegen die Allgemeinen Versicherungsbedingungen und Tarifbedingungen der Beklagten zugrunde.

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit von Beitragserhöhungen in der privaten Krankenversicherung. Der Kläger wendet sich gegen die Beitragserhöhungen und begehrt zudem im Wege der Stufenklage Auskunft hinsichtlich aller Beitragserhöhungen in den Jahren 2011 bis 2016. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Nun verfolgt der Versicherungsnehmer sein Anspruch mit der Berufung weiter.

Die Entscheidung des OLG

Die Berufung des Versicherungsnehmers bleibt ohne Erfolg. Der Senat schließt sich insoweit den überzeugenden Ausführungen des OLG Hamm zu dieser Rechtsfrage an (siehe: OLG Hamm, Beschluss v. 15.11.2021 – 20 U 269/21)

Anspruch aus Art. 15 DSGVO?

Der geltend gemachte Auskunftsanspruch ergebe sich nicht aus Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Der Beklagten stehe ein Weigerungsrecht aus Art. 12 Abs. 5 Satz 2 lit. b) DSGVO zu. Die Vorschrift führe zwar lediglich die häufige Wiederholung als Beispiel für einen „exzessiven“ Antrag auf. Die Verwendung des Wortes „insbesondere“ mache aber deutlich, dass die Vorschrift auch andere rechtsmissbräuchliche Anträge erfassen will.

Bei der Auslegung, was in diesem Sinne rechtsmissbräuchlich ist, sei auch der Schutzzweck der DSGVO zu berücksichtigen. Wie sich aus dem Erwägungsgrund 63 zu der Verordnung ergibt, sei Sinn und Zweck des in Art. 15 DSGVO normierten Auskunftsrechts, es der betroffenen Person problemlos und in angemessenen Abständen zu ermöglichen, sich der Verarbeitung der sie betreffenden personenbezogenen Daten bewusst zu werden und die Rechtmäßigkeit dieser Verarbeitung überprüfen zu können.

Um ein solches Bewusstwerden zum Zweck einer Überprüfung der datenschutzrechtlichen Zulässigkeit der Verarbeitung personenbezogener Daten gehe es dem Kläger aber nach seinem eigenen Klagevorbringen überhaupt nicht. Sinn und Zweck der von ihm begehrten Auskunftserteilung sei vielmehr ausschließlich die Überprüfung etwaiger vom Beklagten vorgenommener Prämienanpassungen wegen möglicher formeller Mängel nach § 203 Abs. 5 VVG. Eine solche Vorgehensweise sei vom Schutzzweck der DSGVO aber nicht umfasst, so das OLG Dresden.

Anspruch aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB?

Auch bestehe kein Auskunftsanspruch aus §§ 241 Abs. 2, 242 BGB in Verbindung mit dem zwischen den Parteien bestehenden Versicherungsvertrag. Zwar könne sich aus einem Schuldverhältnis nach Treu und Glauben auch die Pflicht zur gegenseitigen Unterstützung ergeben. Dies könne auch zu der Verpflichtung eines Vertragspartners führen, dem Vertragspartner etwa Unterlagen für die Kreditbeschaffung oder für die Wahrnehmung von dessen steuerlichen Belangen zur Verfügung zu stellen.

Auch im Rahmen einer zwischen den Parteien bestehenden Sonderverbindung setze ein solcher Auskunftsanspruch aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs voraus, dass der Schuldner in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen habe der Kläger nicht dargelegt. Aus den ihm während der Laufzeit des Vertrages übersandten Unterlagen könne er unschwer selbst ersehen, welche Prämienanpassungen vorgenommen worden sind. Nachvollziehbare Gründe dafür, dass und warum ihm dies ausnahmsweise nicht mehr möglich sein sollte, seien nach Ansicht des Senats nicht vorgetragen.

Weitere Anspruchsgrundlage?

Schließlich könne der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auch nicht aus § 810 BGB hergeleitet werden. Diese Vorschrift gebe keinen Anspruch auf Erteilung einer Auskunft oder auf Übersendung von Unterlagen. Ein Auskunftsanspruch aus § 3 Abs. 3 und 4 VVG scheide ebenfalls aus. Dieser beziehe sich nur auf abhanden gekommene oder vernichtete Versicherungsscheine sowie auf die eigenen Erklärungen des Versicherungsnehmers, die er in Bezug auf den Vertrag abgegeben hat. Darum gehe es hier aber nicht, meint abschließend das OLG.

Fazit und Praxishinweis

Die Entscheidung OLG Dresden (OLG Dresden, Urt. v. 29.03.2022 – 4 U 1905/21) ist rechtlich nachvollziehbar und überzeugt im Ergebnis. In Anbetracht der Tatsache, dass nunmehr viele Verbraucher ihr Auskunftsbegehren auf Art. 15 DSGVO stützen, hat das Gericht den Fall juristisch präzise und zutreffend gelöst.

Klargestellt hat es dabei insbesondere, dass es keinen Weg gibt den DSGVO-Auskunftsanspruch für die Vorbereitung der Geltendmachung von geldwerten Ansprüchen zu nutzen. Er dient nämlich, so wie es der Titel der Verordnung bezeichnet, allein dem Datenschutz. Dazu gehören verordnungsfremde Zwecke, wie die Verfolgung von Leistungsbegehren nicht. Mit dieser Entscheidung hat das OLG Dresden damit eine klare Linie für die Behandlung aller weiteren, vergleichbaren Fälle geschaffen.

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