Wie stark haben sich die staatlichen Corona-Maßnahmen auf die Entwicklung der Insolvenzzahlen ausgewirkt? Laut einer Auswertung des Kreditversicherers Coface wären die Insolvenzen, basierend auf der alleinigen Konjunkturentwicklung, im Jahr 2020 um 9 Prozent zum Vorjahr gestiegen.
Tatsächlich sind sie aber wohl um 15 Prozent gesunken – die staatlichen Stützmaßnahmen haben den eigentlichen Anstieg daher nicht nur ausgeglichen, sondern überkompensiert.
Ein ähnliches Bild zeigt sich nicht nur in Deutschland, sondern in fast allen Ländern, in denen Coface die Insolvenzen betrachtet. Lediglich die Türkei (tatsächliches Insolvenzwachstum: 14 Prozent in 2020) und Island (23 Prozent) gleichen den Anstieg der Insolvenzen nicht vollständig durch staatliche Maßnahmen aus.
Auch für 2021 rechnen die Coface-Experten mit einer ähnlichen Entwicklung. Denn bereits jetzt ist klar, dass in vielen Staaten die Maßnahmen bis weit ins Jahr 2021 laufen.
Der Blick auf die Realität bleibt also weiterhin so lange verschleiert, wie der Patient Wirtschaft am Tropf der staatlichen Maßnahmen hängt.
Eine Insolvenzprognose für das laufende Jahr wird es daher nicht geben.
Coface-Volkswirtin Christiane von Berg erklärt: „2020 hat gezeigt, dass klassische Insolvenzprognosen nicht mehr greifen. Sie werden mit Modellen errechnet, die funktionierende Marktkräfte unterstellen. Wenn der Staat, wie zum Beispiel in Deutschland, in den Markt eingreift, indem immer wieder die Insolvenzantragspflicht ausgesetzt wird und gleichzeitig Regierung und Zentralbank in nie dagewesenem Umfang die Wirtschaft unterstützen, sind Modellprognosen schlicht nicht mehr möglich.“
Bewertung für Automotive- und Chemiebranche angehoben
Regelmäßig gibt Coface Risikoeinschätzungen für insgesamt 13 Branchen in 28 Ländern ab: In der aktuellen Bewertung wurden für Deutschland sowohl der Automotive- als auch der Chemiesektor besser bewertet. Im Falle der Automotive-Branche setzt Coface die Risikoeinschätzung von sehr hohem Risiko auf hohes Risiko.
„Die Branche bleibt dennoch ein Sorgenkind. Denn die Probleme, die es vor der Pandemie gab, haben sich nicht in Luft aufgelöst. Aber der extreme Produktions- wie auch Nachfrageeinbruch weltweit hat sich etwas gelegt."
Gerade die chinesischen Kunden fragten besonders deutsche Premiummodelle verstärkt nach. Ein neues Negativ-Thema werde dagegen der Lieferengpass bei den für die Elektronik notwendigen Chips sein. Positiver sieht es nach Ansicht von Coface für die Chemiebranche aus. Hier hat sich die Risikoeinschätzung von hohes auf mittleres Risiko verbessert.
„Die Chemiebranche ist prozyklisch und Zulieferbranche für viele Industriebetriebe. Gerade das Verarbeitende Gewerbe hat sich in den letzten Monaten weiter belebt, da dieses im Vergleich zum Frühjahr deutlich weniger von den Lockdown-Maßnahmen betroffen ist. Die Stimmungsindikatoren für die deutsche Industrie zeigen auf Wachstum.“
Deutschland bleibt bei A3
Die Länderrisikoeinschätzung von Deutschland bleibt auch Anfang 2021 zunächst bei A3. Christiane von Berg sagt dazu: „Es gab im Verlauf der Pandemie Momente, in denen die Daten für eine bessere Länderrisikonote gesprochen hätten. Aber gerade der zweite Lockdown und die erneut einbrechende Konjunktur zeigen, dass man den Tag nicht vor dem Abend loben sollte. Erst wenn die Impfungen weit fortgeschritten sind und die Pandemie unter Kontrolle ist, ergibt eine Anhebung Sinn."
Die Länderrisikoeinschätzung von Coface spiegelt die Wahrscheinlichkeit von erhöhten Zahlungsausfällen in einem Land in den nächsten sechs Monaten wider. Deutschland hält die Note A3 seit dem Ausbruch der globalen Corona-Pandemie. Es ist die bisher schlechteste Note, die Deutschland in den letzten 20 Jahren zugewiesen bekam.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Insolvenzen: Der Schein trügt, mehr Pleiten in der Pipeline
Überkompensation der Insolvenzen durch staatliche Hilfen
Länderrisken: Coface passt Einschätzung für 13 Länder an
Bei der Risikobewertung des Kreditversicherers verbesserten sich 12 Länder, darunter Belgien, Kroatien, Namibia und Rumänien. Die Bestnote A1 erhielten Dänemark und die Schweiz.
Kreditversicherer spüren Wachstumsschwäche Deutschlands
Die deutschen Kreditversicherer verzeichnen für 2023 einen massiven Anstieg der Zahlungsausfälle bei Unternehmen und gehen für das Gesamtjahr von Leistungen von über 1,2 Mrd. Euro aus – ein Anstieg von 44 Prozent. Betroffen ist auch eine bisher unauffällige Branche.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
„Fünf Tierseuchen gleichzeitig – Tierhalter geraten weiter unter Druck“
Mit einem neuen Höchstwert von 96 Millionen Euro Schadenaufwand blickt die Vereinigte Tierversicherung (VTV) auf das bislang teuerste Jahr ihrer Geschichte zurück. Der Großteil der Schäden entstand durch Tierseuchen – allen voran durch die Blauzungenkrankheit, die allein 30 Millionen Euro kostete. Diese betraf 2024 vor allem Wiederkäuer-Bestände in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Hessen. Die VTV ist Marktführer in der landwirtschaftlichen Tierversicherung und Teil der R+V Gruppe.
Klimawandel trifft den Wald – AXA fordert mehr Prävention
Waldbrände, Sturmschäden, Haftungsrisiken: Die Klimakrise macht Wälder zur Risiko-Zone – und verändert auch das Versicherungsgeschäft. AXA setzt deshalb auf Forschung, Prävention und Versicherungsschutz.
Autofrachter in Flammen: GDV fordert moderne Brandschutztechnik auf See
Über 10.000 Fahrzeuge, über eine Milliarde Euro Schaden – die Zahl der brennenden Autofrachter nimmt zu. Der GDV schlägt nun konkrete Maßnahmen für besseren Brandschutz auf hoher See vor. Wird die Internationale Seeschifffahrt reagieren?
Wenn der Spaß zum Risiko wird: Wie man Hüpfburgen auf Schulfesten richtig absichert
Ein fröhliches Schulfest in Krugersdorp, Südafrika, verwandelte sich kürzlich in eine Tragödie, als eine plötzliche Windböe eine Hüpfburg mit mehreren Kindern in die Luft riss.
Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk
Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.