Wann muss ein Mieter eine Mieterhöhung im Rahmen von Modernisierungsarbeiten aufgrund von unzumutbarer finanzieller Härte nicht entrichten? Der Bundesgerichtshof befasste sich mit den Maßstäben, nach denen sich die Abwägung zwischen den Interessen der Mietvertragsparteien richtet, wenn sich der Wohnraummieter gegenüber einer Modernisierungsmieterhöhung auf das Vorliegen einer unzumutbaren Härte beruft.
Der Kläger wohnt in einer fast 86 qm großen Wohnung in Berlin zur Miete. In dieser lebt er seit seinem fünften Lebensjahr inzwischen allein. Der Mietvertrag über die Wohnung wurde im Jahr 1962 von den Eltern des Klägers abgeschlossen. Der Kläger bezieht Arbeitslosengeld II und erhält zur Deckung der Wohnungsmiete monatlich einen Betrag von circa 463,10 Euro. Seit Juni 2016 betrug die Kaltmiete für die Wohnung 574,34 Euro pro Monat zuzüglich eines Heizkostenvorschusses in Höhe von 90 Euro.
Modernisierungsmaßnahmen am Gebäude
Die beklagte Vermieterin ließ Dämmungsarbeiten an der obersten Geschossdecke und der Außenfassade durchführen. Zudem ersetzte sie die bisherigen Balkone durch größere Balkone mit einer Fläche von jeweils circa 5 qm und nahm einen seit den 1970-iger Jahren stillgelegten Fahrstuhl wieder in Betrieb.
Die Beklagte erhöhte daraufhin gegenüber dem Mieter schriftlich die Erhöhung der Kaltmiete ab dem 1. Januar 2017 um 240 Euro monatlich. Hiervon entfielen nach ihren Erläuterungen 70 Euro auf die Dämmungsarbeiten (davon 4,16 Euro auf die Dämmung der obersten Geschossdecke), 100 Euro auf den Anbau der neuen Balkone und weitere 70 Euro auf die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls. Hiergegen wandte der Kläger ein, die Mieterhöhung bedeute für ihn eine finanzielle Härte. Er erhob Klage auf Feststellung, dass er nicht zur Zahlung der verlangten Mieterhöhung von 240 Euro monatlich verpflichtet sei.
Prozessverlauf
Das Amtsgericht hat geurteilt, dass der Mieter nicht zur Zahlung der Mieterhöhung von 70 Euro für die Wiederinbetriebnahme des Fahrstuhls verpflichtet sei. Im Übrigen hat es die Feststellungsklage des Mieters abgewiesen.
Auf die Berufung des Mieters hat das Landgericht das erstinstanzliche Urteil abgeändert und festgestellt, dass dieser aufgrund seines Härteeinwands zur Zahlung einer Mieterhöhung von mehr als 4,16 Euro monatlich nicht verpflichtet sei. Denn er schulde weder für den Anbau eines größeren Balkons noch für die Fassadendämmung eine Mieterhöhung. Zu zahlen habe er nur den auf die Dämmung der obersten Geschossdecke entfallenden Betrag von zusätzlich 4,16 Euro monatlich.
Die weiteren Mieterhöhungen (100 Euro für den Balkonanbau und 65,84 Euro für die Dämmung der Außenfassade) seien unwirksam, weil sie für den Mieter jeweils eine finanzielle Härte bedeuteten, die auch unter Würdigung der berechtigten Interessen der Vermieterin nicht zu rechtfertigen sei. Hiergegen wendet sich diese mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Vermieterin geht in Revision
Die beklagte Vermieterin hat im Revisionsverfahren vor allem geltend gemacht, dass nach den für staatliche Transferleistungen geltenden Vorschriften für einen Einpersonenhaushalt lediglich eine Wohnfläche von 50 qm als angemessen gelte. Die Wohnung des Mieters sei aber knapp 86 qm groß und übersteige damit diese Grenze erheblich. Letztlich laufe die einen Härtefall bejahende Entscheidung des Berufungsgerichts darauf hinaus, dass der Vermieter den "Luxus" des Mieters zu finanzieren habe.
Entscheidung des Bundesgerichtshofs
Der Bundesgerichtshof hat den Einwand der Vermieterin nicht durchgreifen lassen. Der Umstand, dass ein Mieter gemessen an seinen wirtschaftlichen Verhältnissen und seinen Bedürfnissen eine viel zu große Wohnung nutzt liegt jedoch nicht bereits dann vor, wenn der Mieter eine Wohnung nutzt, die gemessen an den Ausführungsvorschriften zur Gewährung von staatlichen Transferleistungen oder an den Vorschriften für die Bemessung von Zuschüssen für den öffentlich geförderten Wohnungsbau zu groß ist.
Bei einer Berufung auf einen Härtefall nach § 559 Abs. 4 Satz 1 BGB kann im Einzelfall entgegenstehende Unangemessenheit einer Wohnung nicht isoliert nach einer bestimmten Größe für die jeweilige Anzahl der Bewohner bestimmt werden. Vielmehr kommt es darauf an, ob die vom Mieter genutzte Wohnung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls – etwa auch der Verwurzelung des Mieters in der Wohnung und seiner gesundheitlichen Verfassung – für seine Bedürfnisse deutlich zu groß ist.
Urteil vom 9. Oktober 2019 (Bundesgerichtshof, VIII ZR 21/19)
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