Seit August 2022 ist die Abfrage der Nachhaltigkeitspräferenzen des Kunden ein fester Bestandteil der IDD (Insurance Distribution Directive). Vermittler sind gesetzlich dazu verpflichtet, Nachhaltigkeit in den Beratungsprozess zu integrieren. Eine aktuelle Studie von EY legt offen: 78 Prozent der Vermittler führen bei ihren Kund*innen noch keine Präferenzabfrage zu Nachhaltigkeit durch.
Der benötigte Inhalt und Umfang der Präferenzabfrage sei in der IDD festgelegt und der Türöffner für den weiteren Gesprächsverlauf im ESG-Beratungsprozess, weiß Patrick Pfalzgraf, Partner bei EY EMEIA Financial Services. In etwa vier von fünf Fällen komme es aber erst gar nicht dazu – das Thema Nachhaltigkeit werde, offenbar aus verschiedenen Gründen, eher vermieden.
Dass ein Großteil der Branche geltendes Gesetz nicht einhalte, sei sicherlich kein Vorsatz. Es zeige aber, wie viele Hürden die Branche auch zwei Monate nach dem Tag X noch nicht überwunden habe. Und das trotz eines hohen vertrieblichen Potenzials und der hehren Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit, so Pfalzgraf.
Anhand eines Mystery-Shopping-Ansatzes führte EY in Zusammenarbeit mit bao solutions im Rahmen der Studie 85 telefonische und Online-Beratungsgespräche à ca. 50 Minuten bei Vermittlern von 13 Versicherungen durch und unterzog die ESG-Beratungsqualität einem echten Härtetest. Weitere Teilergebnisse: In fast allen Gesprächen (95 Prozent) wurde der Wissensstand zum Thema Nachhaltigkeit nicht abgefragt und weit mehr als die Hälfte (65 Prozent) der zugesandten Unterlagen enthielten keine Informationen zu nachhaltigen Produkten, geschweige denn Klassifizierungen.
Wenn es keine ESG-konformen Anlageprodukte zu vertreiben gebe oder der Anbieter keine entsprechende Klassifizierung vorgenommen habe, hängen die Vermittler natürlich in der Luft, erklärt Pfalzgraf. Aber die Gesamtproblematik gehe tiefer. Häufig seien die Kenntnisse auf der Vermittlerseite für eine dezidierte Nachhaltigkeitsberatung noch nicht ausreichend. Zudem fehle es an geeigneter Unterstützung durch strukturierte Prozesse in der Omnikanalberatung; obendrein seien Tools und klare Leitfäden oft Mangelware. Das schlage dann irgendwann auch auf die Motivation der Berater*innen nieder.
Neben der offensichtlichen Notwendigkeit zur Schaffung von klassifizierten ESG-Produkten sieht Pfalzgraf verschiedene Lösungswege, um die Beratungsfähigkeit zu verbessern: Ein kurzfristiger Weg sei die Etablierung von Nachhaltigkeits-Kompetenz-Centern. An Nachhaltigkeit interessierte Kundinnen und Kunden können so an spezialisierte Vertriebseinheiten oder zertifizierte Nachhaltigkeitsberater in der jeweiligen Organisation geleitet werden.
Mittelfristig führe jedoch an der intensiven und wiederkehrenden Schulung des gesamten Vermittlungspersonals kein Weg vorbei. Zudem seien, so Pfalzgraf, die Einbettung des Beratungsprotokolls inklusive Präferenzen in die Antragsstrecke sowie geeignete Tools für die Gesprächsführung und für eine strukturiere Geeignetheitserklärung notwendig.
Aus unternehmerischer Sicht sei der große Aufholbedarf etwas unverständlich. Nachhaltigkeit zahle auf die Optimierung aller Erfolgsdimensionen ein: Kundenerlebnis, Glaubwürdigkeit, Produktwert, merkt Pfalzgraf an. Insbesondere – wenn auch nicht ausschließlich – für die jüngere Kundschaft sei Nachhaltigkeit zunehmend ein Kauffaktor. Gut ausgespielt, könne dieses Thema eine noch nie dagewesene Vertrauensbasis zwischen Kunde und Versicherer schaffen und die Markenstärke eines Versicherers emotional aufladen.
Sieger der Herzen unter den 13 Probanden sind die Bayerische und die Gothaer. Auch wenn es noch Verbesserungsbedarf bei Beratungsstruktur und Umfang der Präferenzabfrage gibt, konnten die Vermittler mit aktiver Ansprache zu Nachhaltigkeit, guter Fachkompetenz und hoher Kundenzentrierung punkten.
Der klare Gewinner jedoch ist auch gleichzeitig die einzige Plattform: Check 24 überzeugt mit unmittelbarer, interaktiver und strukturierter Beratung. Hier zeigen sich die Vorteile, wenn ein strukturierter, digitaler Prozess verfolgt werde, so Pfalzgraf.
Nachhaltigkeit ist dabei eine konkrete Bewertungsoption im Auswahlprozess der Versicherungen, Nachhaltigkeitspräferenzen werden bei Check24 grundsätzlich erfasst und der gewünschte Anteil nachhaltiger Fonds ist grob wählbar. Verbesserungsbedarf gibt es aber auch dort bei der dezidierten inhaltlichen Beratung. Außerdem ist eine Aufteilung der Anteile auf die Faktoren E, S und G nicht möglich.
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