Die EU-Kommission legt am 8. Dezember 2021 eine Richtlinie zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen von Plattformbeschäftigten vor.
Dazu erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder:
Wir begrüßen, dass für Europa ein einheitlicher Ansatz zur Regulierung von Plattformarbeit gesucht wird. Das verhindert einen Flickenteppich aus uneinheitlichen und sich oft sogar widersprechenden nationalen Regelungen. Der europaweite Ansatz schafft mehr Rechtssicherheit und im Idealfall zumindest innerhalb der EU ähnliche Wettbewerbs- und Arbeitsbedingungen.
Wer über solche Plattformen Jobs anbietet, muss die juristischen Konsequenzen schnell und sicher erfassen können. Dies ist gerade für Startups, Selbständige und kleine Unternehmen wichtig. Umgekehrt muss auch jeder, der auf solchen Plattformen Jobs sucht, wissen, welche arbeitsrechtlichen und sonstigen Bedingungen gelten. Soweit diese in EU-Kompetenz fallen, sollten sie europaweit möglichst harmonisiert sein, und zwar unabhängig von Sitz der Plattform, des die Jobs anbietenden Unternehmens und der jobsuchenden Nutzerinnen und Nutzer.
In diesem Sinne ist die Richtlinie ein Fortschritt. In der aktuellen Debatte muss aber stärker differenziert werden. Die vielfältige Plattformarbeit darf nicht über einen Kamm geschoren werden. Geradezu reflexhaft wird oft davon ausgegangen, dass über Plattformen primär prekäre Jobs vermittelt würden, und das ist mitnichten so. Auf Online-Plattformen werden Jobs für Freiberufler genauso wie für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte vermittelt, die Bezahlung kann schlecht bis herausragend gut sein, soziale Absicherung kann völlig fehlen oder hohen Standards entsprechen. Dieser komplexen Realität sollte die künftige Regulierung unbedingt Rechnung tragen.
Digitale Geschäftsmodelle, Plattformen und Services schaffen eine Vielzahl neuer Erwerbsmöglichkeiten. So unterschiedlich wie die Branchen sind auch die vermittelten Tätigkeiten. Die Bandbreite reicht von Jobs mit eher geringen Voraussetzungen wie für Kurier- und Lieferdienste bis zu hochgradig spezialisierter und qualifizierter Arbeit, etwa als Autor oder Designerin, als Programmiererin oder IT-Berater.
Über Online-Plattformen vermittelte Jobs sind niedrigschwellig zugänglich, flexibel in der Ausführung und bringen Angebot und Nachfrage sehr viel effizienter zusammen, als es bei klassischen Formen, etwa übers Schwarze Brett, möglich wäre – und das grenzüberschreitend.
Genau diese Vorteile werden von vielen, die Plattform-Jobs suchen, geschätzt. Sie wollen flexibel und selbstbestimmt arbeiten, sich ihre Jobs aussuchen und diese perfekt in das Alltagsleben integrieren. Viele sind gleichzeitig auf mehreren Plattformen tätig. In der Regel geht es nicht um prekäre Lohnarbeit, sondern um die Möglichkeit, sich nebenbei etwas dazu zu verdienen, etwa für Studierende oder im Hauptjob Teilzeitbeschäftigte. Für einige dient die Tätigkeit auf Plattformen als Sprungbrett in die Selbstständigkeit oder als zusätzlicher Vertriebskanal.
Grundsätzlich ist es richtig, berufliche Tätigkeiten sozial abzusichern, und zwar unabhängig davon, ob sie digital oder analog vermittelt werden. Die Digitalwirtschaft darf bei der Regulierung von Plattformarbeit gegenüber klassischen Sektoren aber nicht diskriminiert werden. Für Selbständige müssen in der Online- wie Offline-Welt die gleichen Rechte und Pflichten gelten. Dabei ist aus unserer Sicht selbstverständlich, dass die neuen Regelungen für die Jobsuchenden mehr Transparenz und Diskriminierungsfreiheit herstellen sollen. Diese Prinzipien unterstützen wir.
Was Regeln für den Einsatz von Algorithmen betrifft, sollten Überschneidungen mit der europäischen Verordnung zur Künstlichen Intelligenz und sich überlagernde Aufgaben und Pflichten jedoch unbedingt vermieden werden.
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