Das OLG Dresden hat mit Beschluss vom 16.05.2019 (Az.: 4 U 441/19) darüber entschieden, ob eine Haftung des Versicherungsvertreters als Pseudomakler für nicht zustande gebrachten Versicherungsschutz besteht. Ein Versicherungsvertreter wurde damit beauftragt bessere Alternativen für die bisher bestehenden Versicherungen des Versicherungsnehmers zu suchen.
Vor der Beauftragung des Versicherungsvertreters kündigte der Versicherungsnehmer jedoch eigenständig eine bestehende Betriebsinhaltsversicherung für sein Ladengeschäft zum Ende des Jahres. Hierüber erfolgte jedoch keine Mitteilung gegenüber dem Versicherungsvertreter.
Nach dem Jahreswechsel kam es aufgrund einer Fehlfunktion der Sprinkleranlage zu einem Wasserschaden in dem Ladengeschäft des Versicherungsnehmers. Für diesem Schadensfall bestand kein Versicherungsschutz, da der ursprüngliche Versicherungsvertrag bereits abgelaufen war und vom Versicherungsvertreter bis dahin kein neuer Versicherungsvertrag vermittelt worden war.
Daraufhin fordert der Versicherungsnehmer Schadensersatz von dem Versicherungsvertreter. Er behauptete, der Versicherungsvertreter sei ihm gegenüber als Versicherungsmakler aufgetreten und habe gegen seine Pflichten als Sachwalter des Versicherungsnehmers verstoßen.
Entscheidung des OLG Dresden
Das OLG Dresden e3ntschied, dass dem Versicherungsnehmer kein Schadensersatzanspruch gegen den Versicherungsvertreter zusteht. Dieser hatte keine Beratungspflicht verletzt und war somit nicht schadensersatzpflichtig.
Grundsätzlich ist ein Versicherungsvermittler gemäß § 15 VersVermV (§ 11 a.F.) dazu verpflichtet gegenüber einem potentiellen Versicherungsnehmer auf seinen Vermittlerstatus als Versicherungsvertreter oder Versicherungsmakler hinzuweisen.
Erfolgt eine solche Mitteilung, wie vorliegend, nicht und ergibt sich aus den äußeren Umständen der Anschein einer Tätigkeit als Versicherungsmakler, muss sicher der Versicherungsvertreter wie ein Versicherungsmakler behandeln lassen (sogenannte Pseudomakler). Ein allgemeiner Hinweis auf § 34d Abs. 1 GewO ist zur Unterscheidung nicht ausreichend.
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Als Pseudomakler hat ein Versicherungsvertreter dieselben Pflichten eines Versicherungsmaklers zu erfüllen. Diese Pflichten eines Versicherungsmaklers gehen weit, da er als Interessen- und Abschlussvertreter des Versicherungsnehmers angesehen wird.
Wegen seiner umfassenden Pflichten kann der Versicherungsmakler für den Bereich des Versicherungsverhältnisses des von ihm betreuten Versicherungsnehmers als dessen treuhänderischer Sachwalter (vgl. BGH: Versicherungsmakler ist treuhändischer Sachwalter des Versicherungsnehmers („Sachwalterentscheidung“)) bezeichnet und insoweit mit sonstigen Beratern verglichen werden.
Als Vertrauter und Berater des Versicherungsnehmers hat er dessen Interessen wahrzunehmen und individuellen, für das betreffende Objekt passenden Versicherungsschutz zu besorgen (vgl. OLG Zweibrücken Urteil vom 12.12.2018 – 1 U 167/14).
Dies setzt jedoch voraus, dass der Versicherungsmakler auch mit der Betreuung des bestehenden Vertrags beauftragt und zu einem Zeitpunkt eingeschaltet wird, in dem der noch die Möglichkeit hat, auf die Vermeidung von Deckungslücken hinzuwirken.
Dies war vorliegend für den Versicherungsvertreter jedoch nicht mehr möglich.
Zwar hat das Gericht hervorgehoben, dass bei beabsichtigten Versicherungswechseln in existentiell bedeutsamen Bereichen, in dem Versicherungsschutz nicht ohne weiteres erlangt werden kann, besonders hohe Anforderungen an die sachgerechte Aufklärung und Beratung durch den Versicherungsmakler gestellt werden. Dabei sollte beachtet werden, dass Deckungslücken und Verschlechterungen im Versicherungsschutz in der Regel nicht gewollt sind.
Deswegen muss er bei einer Umdeckung und einer vorzeitigen Kündigung der alten Versicherung auf die Möglichkeiten der gravierenden Nachteile hinweisen und notfalls erst zu einer Kündigung nach Abschluss eines Versicherungsvertrages mit den gewünschten Konditionen zu raten.
Nach Ansicht des OLG Dresden hatte der Versicherungsvertreter in dem vorliegenden Fall aber nicht gegen solche weiterreichenden Maklerpflichten verstoßen. So hatte er erhebliche Anstrengungen unternommen, um für eine zeitnahe Anschlussversicherung zu sorgen und ihn traf keine Pflicht gegenüber dem Versicherungsnehmer darauf hinzuweisen, dass kein unmittelbarer Versicherungsschutz vermittelt werden könnte.
Fazit
Die Entscheidung des OLG Dresden belegt nochmals welche Haftungsrisiken im Zusammenhang mit dem Wechsel des Versicherungsschutzes bestehen (siehe hierzu auch OLG Saarbrücken: Haftung des Versicherungsvertreters bei Umdeckung einer Berufungsfähigkeitsversicherung). Die Entscheidung sollte jedoch gerade eine Warnung für Versicherungsvertreter sein, wie schnell sie sich einer Haftung des Versicherungsmaklers ausgesetzt sehen können, wenn keine ordnungsgemäße Erstinformation von ihnen erteilt wird.
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