Pensionskassen dürfen keine Krankenkassen-Beiträge auf privaten Rententeil einbehalten

Pensionskassen dürfen keine Krankenkassenbeiträge auf privaten Rententeil einbehalten
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Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, Beschlüsse vom 27.06.2018, Az. 1 BvR 100/15, 1 BvR 249/15) entschied, dass Leistungen einer Pensionskasse – welche auf vom Mitarbeiter privat geleisteten Beiträgen beruhen – keiner Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung unterliegen. Dies gilt entsprechend, wenn ein Mitarbeiter seine Direktversicherung nach Ausscheiden beim Arbeitgeber privat weiter bespart hat.

Illegaler Einbehalt sowie rechtswidrige Abführung von GKV-Beiträgen durch PK

Gleichwohl gibt es PK, die bisher weder die zu viel bezahlten Beiträge zur GKV von dieser zurückgefordert noch an den Betriebsrentner zurückgezahlt haben, und sie unrechtmäßig sogar weiterhin in voller Höhe einbehalten und wohl auch abführen, auch auf die teils privat finanzierten PK-Altersrenten.

Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala

Die Beschlüsse des BVerfG binden Gerichte und Verwaltung – betreffende PK hindern diese nicht an GKV-Falschmeldungen. So wie jeder Arbeitgeber unzutreffende Meldungen abgeben könnte; beispielsweise die Mafia meldet Mitarbeiter einfach bei der GKV ab, beschäftigt diese weiter – die GKV bittet den Arbeitnehmer dann erst mal vors Arbeitsgericht zu ziehen – und die GKV-Beiträge aus eigener Tasche zu bezahlen; und manchmal rückt Monate später Steuerfahndung oder Zoll aus.

Solche illegal arbeitenden PK haben die dafür erforderlichen Meldekorrekturen schlicht nicht erstellt. Man müsse sich mit der GKV auf ein Verfahren verständigen, heißt es irrig. Solange man nicht weiß, wie man es richtig machen muss, macht man weiter wie bisher – gar keine Meldung abgeben geht ja auch nicht. Etwa wie wenn der Geisterfahrer auf der Autobahn sich sagt: „Rechtsfahrgebot – Richtgeschwindigkeit 130 – Wenden und Anhalten verboten!“

In der Tat ist es ja auch keinesfalls versicherungsmathematisch klar, wie hier zu rechnen wäre. Womöglich kann man mangels Daten und wegen der versicherungsmathematischen Komplexität im Hause mancher PK gar nicht exakt rechnen. Jeder praktikable Vorschlag wäre angreifbar. Das Personal wird man vielleicht als Laien in Nadelstreifen einordnen wollen. Oder als hochkompetent, aber nicht bereit, Verantwortung für eine gangbare „quick and dirty“-Lösung zu übernehmen, mit deren Folgeproblemen in Einzelfällen man sich dann später befassen kann – etwa wie bei der Erfüllung der Motor-Grenzwerte durch Ingenieure mithilfe Dieselmanipulation?

Da haben es Betriebsrentner mit Leistungen aus einer DV leichter, auch wenn mancher Versicherer bis zu mehr als zwei Jahre benötigen soll, bis er eine nachvollziehbare Herausrechnung jenes Rententeilbetrages liefert, der aus privat bezahlten Beiträgen stammen soll.

Untätigkeit der PK trotz bekanntem Melde- und Korrekturverfahren gegenüber der GKV

Warum sollte die GKV über ein gesetzlich geregeltes Verfahren diskutieren? Sie kann doch schlicht sagen, dass eben korrigierte Beitragsmeldungen erstellt werden müssen. Was korrekt ist, muss sich die PK überlegen, um ihre gesetzlichen Pflichten zu erfüllen. Später bei einer Sozialversicherungsprüfung kann dann die Krankenkasse dies beanstanden. Die Krankenkasse nimmt die Beiträge einstweilen aufgrund überhöhter Meldungen entgegen und kann auch gar nicht anders.

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Inzwischen sind Beitragsrückforderungen der PK gegenüber der GKV für Zeiten vor 2014 verjährt. Nicht verjährt sind die vier letzten Vorjahre sowie das laufende Jahr. Falsch abgeführte und deklarierte Beiträge verjähren nun für weitere Jahre sukzessive. Was spricht aus PK-Sicht dagegen, sich als unfähig zu erklären, die korrigierten Meldungen zu erstellen? Dann tritt eben Verjährung ein. Das kann sich allenfalls zunächst als die sinnvollste Lösung herausstellen.

Besser vielleicht aus Sicht Verantwortlicher als fehlerhaft zu wenig zu melden. So wie mancher Kapitän einer Strafe im nächsten Hafen und einer Rüge seiner Reederei wegen Anlandens blinder Passagiere entging, indem er sie auf dem freiem Meer über Bord werfen ließ, wo lediglich die Rechtsprechung des Landes zu fürchten sind, unter dessen Flagge sein Schiff fährt.

Ansprüche der PK-Rentner auf Schadensersatz

Der PK-Rentner müsste nun gegen den Träger seiner betrieblichen Altersversorgung, also die PK eine Stufenklage erheben. Die erste Stufe wäre auf Auskunft zu klagen – damit die PK eine nachvollziehbare Berechnung der Rentenaufteilung in betrieblich und privat angesparten Rentenanteil vorlegt. Der Kläger benötigt dann noch einen Versicherungsmathematiker als Privatgutachter, um kontrollieren zu lassen, ob die von der PK versuchte Berechnung zutreffend oder absurd ist – um die Kosten jeder als unzutreffend erkannten Berechnung, wird man die Schadensersatzforderung gegenüber der PK später erhöhen können.

In der letzten Stufe wird der Rentner dann die Nachzahlung beziffern, und künftige Unterlassung rechtswidriger Falschmeldungen gegenüber der PKV strafbewehrt fordern sowie Schadensersatz.

Die Minderzahlung bei den einzelnen Rentenraten verjährt – gerechnet ab dem Jahresende der betroffenen zu geringen Rentenzahlungen – regelmäßig binnen dreier Jahre. War eine Unkenntnis nicht grob fahrlässig beim Rentner verjährt der Anspruch auf Nachzahlung der illegalen Kürzungen taggenau spätestens nach 10 Jahren, §§ 195 ff. BGB.

Staatliches Einschreiten und Einstandspflicht früherer Arbeitgeber

Spätestens wenn die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) sich mit der Frage befasst, ob die Eignung der Geschäftsleitung der PK derart fraglich geworden ist, dass man zur Abberufung schreiten müsse – oder wegen des großen Schadens und der Vielzahl von Betroffenen eine Staatsanwaltschaft (StA) etwa wegen Untreue ermittelt – wird Bewegung hinein kommen.

Schließlich ist noch daran zu denken, dass für die GKV gegenüber dem Rentner als deren Mitglied auch Aufklärungs-, Auskunfts- und Beratungspflichten bestehen, §§ 13-15 SGB I. Dies könnte etwa dahin führen, dass die GKV auf eine Anregung oder einen Antrag hin, hoheitliche Zwangsmaßnahmen gegenüber der PK ergreift, um eine Korrektur falscher Meldungen zu forcieren. Womöglich wird die Korrektur auch in der Sozialversicherung vom Prüfdienst der Deutschen Rentenversicherung (DRV) im Wege der Amtshilfe angestoßen. Sobald die GKV bösgläubig ist, müsste sie von Amts wegen tätig werden, denn sie setzt sich anderenfalls etwaiger eigener zumindest sekundärer Schadensersatzpflicht im Wege besonderer Schadensersatzansprüche einschließlich sogenannter „Wiederherstellung“ als Amtshaftung aus. Die GKV wird sich dann vermutlich mit der StA abstimmen, wer von beiden dann einen Aktuar als Sachverständigen beauftragt.

Der Arbeitnehmer könnte sich auch darauf besinnen, dass er sich an seinen früheren Arbeitgeber wendet. Alle Ansprüche aus dem sogenannten Stammrecht gegenüber dem Arbeitgeber verjähren gemäß § 18a Betriebsrentengesetz (BetrAVG) nach 30 Jahren. Vielleicht ist der Arbeitgeber selbst ein Mitglied der PK, und könnte intervenieren; etwa aufgrund seiner Fürsorge- und Loyalitätspflicht. Oder der Arbeitgeber überlegt, ob und wie er alle Versorgungsverträge mit der PK für seine (Ex-)Mitarbeiter rückabwickeln könnte.

Womöglich ist die Leistung der PK ohnehin schon immer zu niedrig gewesen, im Vergleich zum Inhalt der Zusage des Arbeitgebers. Bereits dann – und noch bevor die PK nicht erst wegen Missmanagement bei den Kapitalanlagen oder Fehlkalkulationen die Leistungen herabsetzt – trifft den Arbeitgeber die Einstandspflicht. Ein Aktuar wird die Größenordnung mathematisch berechnen können.

Der Pensionssicherungsverein (PSV aG) tritt hier bei Insolvenz des Arbeitgebers gesetzlich nicht ein. Vielleicht muss er aber bei Leistungskürzungen der PK künftig nach Art. 8 der Richtlinie 2008/94/EG insoweit eintreten (BAG, Beschluß vom 20.02.2018, Az. 3 AZR 142/16).

Nur ein Teil der PK ist Mitglied der Protektor Lebensversicherungs-AG, welche im Falle des Konkurses der PK die Funktion einer Auffanggesellschaft übernimmt. Die Haftung trifft im Zweifel den Arbeitgeber, selbst wenn bei diesem danach eine Folgeinsolvenz eintritt. Arbeitgeber wissen dies häufig nicht.

Abwarten und Tee trinken als pragmatisch beste Lösung

Es hat sich immer wieder gezeigt, dass am Ende selbst bei intensiver Aufklärung in den Medien vielleicht über die Jahre einer von hundert Betroffenen seine Ansprüche anmeldet, noch weniger den Weg zum Gericht gehen. Erst wenn ein oberstes Gericht Recht gesprochen hat, weiß man aber, wie man sich im betreffenden Fall richtig hätte verhalten müssen – das kann schon mal zwei Jahrzehnte dauern – genug, damit ein Großteil längst verjährt oder Betroffene bereits ein Fraß der Würmer geworden sind. Nur selten dauert es auch mal 500 Jahre, bis festgestellt war, dass Giordano Bruno nicht auf den Scheiterhaufen hätte gestellt werden dürfen.

Bis dahin wird man eher den Weg des geringsten Risikos gehen: Den Klagen einzelner Betroffener kann man gelassen entgegensehen, zumal sie helfen, damit die Zivilgerichte unklare rechtliche Vorgaben auslegen und am Ende Klarheit schaffen, mindestens teilweise. Eine zu geringe Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen kann zwar auch zur Klarheit per Gericht führen – diesmal allerdings mit Hilfe von Staatsanwalt und Strafrichter wegen Hinterziehung von Sozialabgaben.

Von Dr. Johannes Fiala, PhD, RA, RB, MBA Finanzdienstleistungen (Univ.), MM (Univ.), Geprüfter Finanz- und Anlageberater (A.F.A.), Bankkaufmann (www.fiala.de) und

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik, Aktuar DAV, öffentlich bestellt und vereidigt von der IHK Frankfurt am Main für Versicherungsmathematik in der privaten Krankenversicherung (www.pkv-gutachter.de).

https://www.experten.de/2018/09/11/rentenzahlungen-von-pensionskassen-nicht-immer-beitragspflichtig/

 

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