Viel Luft nach oben in der Pflegevorsorgeberatung

Vor nunmehr 18 Monaten sind die Neuregelungen des Pflegestärkungsgesetzes II in Kraft getreten, die umfangreiche Leistungserweiterungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung bedeuten und vor allem Menschen mit psychischen Erkrankungen bei der Einschätzung der Pflegebedürftigkeit besser berücksichtigen. experten Report sprach mit Rainer M. Jacobus, Vorstandsvorsitzender der IDEAL Versicherungsgruppe, über Perspektiven für die private Pflegeversicherung und Chancen für den Vertrieb, die sich paradoxerweise auch durch die Regelungen der IDD ergeben.

(PDF)
Rainer-M-Jacobus-2018-IDEALRainer-M-Jacobus-2018-IDEAL

Die IDEAL hat nach eigenen Angaben über 92.000 Pflegerentenversicherungen im Bestand und führt gerade eine der größten Tarifwechselaktionen der letzten Jahre durch. Welchen Nutzen versprechen Sie sich und wie ist die Resonanz bisher?

Zunächst einmal möchten wir unseren Kunden, die bis zum 31.12.2016 eine Pflegerentenversicherung bei der IDEAL abgeschlossen hatten, alle Optionen für die Anpassung ihres Versicherungsschutzes anbieten, die sich aus der neuen Gesetzesgrundlage ergeben.

Der Kunde kann entscheiden, ob er seinen Vertrag auf die neuen Pflegegrade umstellen und damit von einer Ausweitung des Versicherungsschutzes profitieren möchte. Diese Umstellung kommt ohne Beitragserhöhung und ohne erneute Gesundheitsprüfung aus. Noch dazu sichern sich unsere Kunden den früheren und damit deutlich besseren Garantiezins. Die bisherige Resonanz kann sich sehen lassen: Mehr als 15 Prozent unserer „Pflege“-Kunden haben bereits umgestellt, wovon rund 75 Prozent zusätzlich die Upgrade-Option genutzt haben.

Wie können Makler und Vermittler von der Aktion profitieren?

Ich kann nur eindringlich an unsere Vertriebspartner appellieren, die laufende Aktion für sich zu nutzen und mit der Verkaufsunterstützung, die wir in großem Umfang zur Verfügung stellen, aktiv das Gespräch mit ihren Kunden zu suchen und sie über die geänderten Bedingungen umfassend zu beraten.

Schließlich steht der Makler als Sachwalter seines Kunden in einer Beratungspflicht. Im Zweifelsfall ergibt sich sogar ein Haftungsrisiko, wenn der Aspekt der Pflegevorsorge nicht in der Beratung angesprochen wird. Gleiches gilt generell für die Vorsorgeberatung.

Welche Chancen sehen Sie vor dem Hintergrund der erweiterten Leistungen in der gesetzlichen Pflegeversicherung nach dem PSG II noch für den Vertrieb von Pflegevorsorgeprodukten?

Beratungsansätze für eine Pflegezusatzversicherung gibt es auch nach Einführung des PSG II zur Genüge. Denn trotz des erweiterten Leistungsumfangs bleibt die gesetzliche Pflegeversicherung dennoch eine Art Teilkasko, die nur einen Bruchteil dessen leistet, was Pflege wirklich kostet.

Konkrete Beratungsansätze haben wir mit passenden Erklärfilmen auf unserem Vermittlerportal IPOS zusammengestellt – angefangen bei der günstigen Absicherung des Pflegerisikos für junge Leute bis hin zur Vermögensschutz-Police für den Pflegefall. Für den Vertrieb von Pflegevorsorgeprodukten stehen die Zeichen so gut wie nie zuvor.

Seit der letzten Pflegereform hat das Thema Pflege in der öffentlichen Wahrnehmung massiv Fahrt aufgenommen und sorgt für breiten Diskurs in der Gesellschaft. Schlagworte wie Pflegenotstand, Pflegegrade statt Pflegestufen, bessere Absicherung für Demenzkranke sind in Politik und Gesellschaft angekommen und haben die Menschen für das große Thema Pflege sensibilisiert.

Laut der aktuellen R+V-Studie „Die Ängste der Deutschen“ befürchten 52 Prozent der Menschen, im Alter ein Pflegefall zu werden. Gleichzeitig sind die Konsumausgaben so stark gestiegen wie seit 20 Jahren nicht mehr; selbst die Sparquote ist trotz der niedrigen Zinsen wieder auf fast 10 Prozent gestiegen (Quelle: Statistisches Bundesamt, 2018). Die Einsicht in die Notwendigkeit und auch die Bereitschaft, für das Alter und den Ruhestand vorzusorgen, sind äußerst groß.

Aus Kundensicht ist es geradezu essenziell, sich in Hinblick auf die Altersvorsorge – und auch die Absicherung des Pflegerisikos – umfänglich beraten zu lassen. So individuell wie jeder Mensch muss auch die Vorsorgeberatung gestaltet sein, Standard-Lösungen helfen da nicht weiter. Hier sind kompetente Beratung und umfassendes Produktwissen gefragt – ein echter Vorsprung für Makler und Vermittler.

Seit Februar 2018 ist die europäische Versicherungsvertriebs-Richtlinie (IDD) in Deutschland umgesetzt. Welche Vorgaben für die Beratung ergeben sich daraus und erschweren die weiteren Regulierungen nicht eher den Vertrieb?

Neben Solvency II, MiFID und LVRG belastet auch die IDD die Branche stark mit weiteren Vorschriften und teilweise überzogenen Anforderungen. Wie sich vielleicht schon rumgesprochen hat, bin ich kein Fan immer größerer Regulierung. Für uns als Versicherer bedeutet das enormen Verwaltungs- und Controllingaufwand.

So müssen Versicherungsunternehmen beispielsweise spezielle Produktfreigabeverfahren etablieren, die bei allen Produktneueinführungen oder auch wesentlich geänderten Produkten anzuwenden sind. Hier müssen Zielmärkte definiert, Risiken identifiziert und für die Zielmärkte bewertet werden. Diese festgelegten Parameter sind dann über alle Geschäftsprozesse hinweg einzuhalten, nachhaltig zu prüfen und zu dokumentieren.

Darunter fällt am Ende der Kette auch die stichprobenartige Qualitätsprüfung der Beratungsdokumentation. Zusätzlich müssen alle vertrieblich tätigen Mitarbeiter mindestens 15 Stunden pro Jahr geschult werden. Versicherungsvermittler und Makler wiederum müssen schriftlich dokumentieren, dass sie umfassend und bedarfsorientiert beraten haben. So aufwendig und lästig die neuen Regelungen auch sein mögen, einen positiven Aspekt kann ich dem Ganzen abgewinnen. Die IDD zwingt Makler und Vermittler zu mehr Beratungsqualität und dazu, sich an den individuellen Bedürfnissen des Kunden zu orientieren, nachvollziehbare Empfehlungen abzugeben und den passenden Versicherungsschutz auszuwählen.

Der Versicherungsberater vor Ort beim Kunden ist für eine korrekte Beratung geradezu verpflichtet, die Finanz- und Lebenssituation des Kunden umfassend zu ermitteln, und dies kann er nun mit der neuen Beratungsdokumentation dem Kunden gegenüber auch deutlich machen.

All dies kann dazu beitragen, die Verbraucher für Vorsorgethemen zu sensibilisieren und auch Vertrauen in die Versicherungsbranche zurückzugewinnen. Anspruchsvolle Produkte wie beispielsweise eine Universal Life oder die Pflegerentenversicherung lassen sich eben nicht einfach über Online-Vergleichsportale verkaufen. Dazu braucht es gut ausgebildete und kompetente Versicherungsvermittler, die den Markt und seine Produkte kennen.

Herr Jacobus, vielen Dank für das Gespräch.

Bilder: (1) © IDEAL Versicherungsgruppe (2) © experten-netzwerk GmbH

(PDF)

LESEN SIE AUCH

Audience in the lecture hall.Audience in the lecture hall.kasto – stock.adobe.com
Pflege versichert

IDEAL-Beratungsinitiative zur Pflege tourt durch Deutschland

Mit den ExpertenForen „Baby Boomer – boomt es auch bei Ihnen?“ unterstützt die IDEAL ihre Vertriebspartner dabei, das Thema Pflege in die Vorsorgeberatung einzubauen. Bis zum 30. März vermittelt die Beratungsinitiative an noch 16 deutschen Standorten neue Denkanstöße, Verkaufs- und Best-Practices-Ansätze.
Anzugtraeger-zerfallende-Treppe-98043269-FO-Sergey-NivensAnzugtraeger-zerfallende-Treppe-98043269-FO-Sergey-Nivens
Marketing & Vertrieb

IDD und VersVermV: Zwischen Umsetzungspflicht und Unsicherheit

Mit Gesetz vom 20. Juli 2017 wurde die Richtlinie (EU) 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über den Versicherungsvertrieb (kurz IDD) in deutsches Recht umgesetzt. Darüber hinaus sollte mit dem Gesetz entsprechend der Koalitionsvereinbarung die Honorarberatung im Versicherungsbereich gestärkt werden. Das Gesetz trat – von einigen Ausnahmeregelungen abgesehen – zum 23. Februar 2018 in Kraft.
Anzugtraeger-Weggabelung-55948825-FO-alphaspiritAnzugtraeger-Weggabelung-55948825-FO-alphaspirit
Marketing & Vertrieb

IDD-Umsetzung – neue Geschäftsmodelle für InsurTechs und Versicherungsberater

Die Umsetzung der Richtlinie EU 2016/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Januar 2016 über Versicherungsvertrieb, also der Insurance Distribution Directive (IDD), durch § 43c Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) führt zu finanziellen Risiken für Versicherer (VR) und Versicherungsmakler (VM). Der Versicherer darf möglicherweise „doppelt zahlen“ und der Makler verliert eventuell seine Courtage. Ursache ist die Beratung durch Versicherungsberater (VB), auch ohne dessen Vermittlung. ...
Christian-Barton-2017-NuernbergerChristian-Barton-2017-Nuernberger
Pflegetagegeld

Private Pflegeversicherung: (K)eine Frage des Alters

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat der Personalnot in der Pflege den Kampf angesagt. Ein zentrales Thema dabei ist es, Pflegeberufe insgesamt attraktiver zu gestalten. Dazu zählt auch die berechtigte Forderung nach einer besseren Bezahlung. Höhere Gehälter bedeuten in der Konsequenz auch höhere Kosten, für die keinesfalls die gesetzliche Pflegeversicherung als Teilkaskoabsicherung aufkommen kann. Private Vorsorge wird dementsprechend immer wichtiger, auch für jüngere Menschen. Um diesen ...

Unsere Themen im Überblick

Informieren Sie sich über aktuelle Entwicklungen und Hintergründe aus zentralen Bereichen der Branche.

Themenwelt

Praxisnahe Beiträge zu zentralen Themen rund um Vorsorge, Sicherheit und Alltag.

Wirtschaft

Analysen, Meldungen und Hintergründe zu nationalen und internationalen Wirtschaftsthemen.

Management

Strategien, Tools und Trends für erfolgreiche Unternehmensführung.

Recht

Wichtige Urteile, Gesetzesänderungen und rechtliche Hintergründe im Überblick.

Finanzen

Neuigkeiten zu Märkten, Unternehmen und Produkten aus der Finanzwelt.

Assekuranz

Aktuelle Entwicklungen, Produkte und Unternehmensnews aus der Versicherungsbranche.

Die neue Ausgabe kostenlos im Kiosk

Werfen Sie einen Blick in die aktuelle Ausgabe und überzeugen Sie sich selbst vom ExpertenReport. Spannende Titelstories, fundierte Analysen und hochwertige Gestaltung – unser Magazin gibt es auch digital im Kiosk.

"Viele Eltern unterschätzen die finanziellen Folgen, wenn ihr Kind berufsunfähig wird."
Ausgabe 10/25

"Viele Eltern unterschätzen die finanziellen Folgen, wenn ihr Kind berufsunfähig wird."

Jens Göhner, Leiter Produktmanagement der Stuttgarter
"Unabhängigkeit hat viele Gesichter"
Ausgabe 07/25

"Unabhängigkeit hat viele Gesichter"

Was bedeutet Unabhängigkeit im Versicherungsvertrieb wirklich?
"Das Gesamtpaket muss stimmen"
Ausgabe 05/25

"Das Gesamtpaket muss stimmen"

Bernd Einmold & Sascha Bassir
Kostenlos

Alle Ausgaben entdecken

Blättern Sie durch unser digitales Archiv im Kiosk und lesen Sie alle bisherigen Ausgaben des ExpertenReports. Zur Kiosk-Übersicht