Mit mehr als drei Monaten Verspätung sind auch die letzten Steueränderungen 2024 offiziell. „Es ist zwar nicht ungewöhnlich, dass einige dieser Entscheidungen erst nach dem Jahreswechsel anstehen“, weiß Prof. Dr. Christoph Juhn, Professor für Steuerrecht an der FOM Hochschule und geschäftsführender Partner der Kanzlei JUHN Partner.
„Dass mit dem Wachstumschancengesetz (WCG) allerdings so viele steuerliche Anreize, Impulse und Änderungen über Monate in der Schwebe hingen, ist ungewöhnlich.“ Hier ein Überblick über die fünf wichtigsten Neuerungen aus dem WCG für Unternehmen.
Degressiv statt linear
Mit Verabschiedung des WCGs haben Firmen temporär die Möglichkeit, auf eine höhere Abschreibung für bewegliche Gegenstände des Anlagevermögens zu setzen. „Konkret lässt sich die degressive Abschreibung auf Vermögensgegenstände anwenden, die zwischen dem 1. April und dem 31. Dezember 2024 erworben oder hergestellt wurden“, präzisiert der Steuerexperte. „Der Wechsel zur linearen Methode bleibt jederzeit möglich, lohnt sich aber erst dann wirklich, wenn der Abschreibungswert dabei gleich hoch ist wie der degressive oder höher liegt.“ Im letzten Jahr der Nutzungsdauer ist die Rückkehr zur linearen Abschreibung jedoch verbindlich.
Investitionsförderung durch Thesaurierung
Zahlreiche Unternehmen nutzen die Thesaurierung, um Steuern einzusparen. „Gewinne, die ein Betrieb nicht ausschüttet, sondern im Unternehmen behält, unterliegen dem niedrigeren Thesaurierungssteuersatz von 28,25 Prozent“, so Prof. Dr. Juhn. Bisher mussten vom Gesamtvolumen allerdings alle entnommenen Steuern inklusive der Gewerbesteuer abgezogen werden. Das WCG schafft diese Regelung ab und sorgt dafür, dass Firmen die volle steuerliche Vergünstigung der Thesaurierung erhalten.
Entlastung für KMUs
Als Rechtsform haben kleine und mittelständische Betriebe (KMUs) oft die eines Einzelunternehmens oder einer Personengesellschaft. „Üblicherweise unterliegt der Gewinn dabei dem persönlichen Einkommensteuersatz der Gesellschafter beziehungsweise Unternehmer, der meist zwischen 35 und 45 Prozent beträgt“, erklärt der Steuerprofi. Zum Vergleich: Abgaben von Kapitalgesellschaften liegen bei etwa 30 Prozent. Zwar gab es 2021 eine erste Angleichung bei der Steuerbehandlung verschiedener Gesellschaftsformen, allerdings galt sie nur für bestimmte Arten von Personengesellschaften. Mit dem WCG wurde der Kreis ausgeweitet, sodass beispielsweise nun auch eingetragene Gesellschaften bürgerlichen Rechts (eGbR) profitieren, was KMUs im internationalen Wettbewerb stärkt.
Vereinfachter Verlustausgleich
Verzeichnet ein Unternehmen Verluste, findet in der Regel eine Verrechnung mit Gewinnen im gleichen Steuerjahr statt. Kommt dabei ein Minus heraus, macht das Unternehmen steuerlich ebenfalls Verluste. „Durch einen Verlustabzug kann der Betrieb diese aber ausgleichen, indem negative Einkünfte mit positivem Einkommen aus anderen Zeiträumen verrechnet werden, was zu einer Verringerung des steuerpflichtigen Gewinns führt“, so Prof. Dr. Juhn. Für die Steuerjahre 2024 bis 2027 erhöht das WCG die maximale Summe des Verlustvortrags auf eine Million Euro – oder zwei Millionen für zusammenveranlagte Ehepartner – plus 70 Prozent des Gesamteinkommens. Normalerweise liegt die Grenze bei zuzüglich 60 Prozent.
Weniger Bürokratie
Eine wichtige Änderung im WCG bezieht sich auf die Umsatz- und Gewinngrenzen für die Buchführungspflicht, die im Vergleich zu den bisherigen 600.000 Euro beziehungsweise 60.000 Euro um jeweils ein Drittel angehoben wurden. „Unternehmen, deren Einnahmen unterhalb dieser Schwellen liegen, sind nicht mehr zur Buchführung verpflichtet“, so der Experte. „Stattdessen können sie eine vereinfachte Einnahmen-Überschuss-Rechnung erstellen, was den zeitlichen und finanziellen Aufwand reduziert.“
Mehr Effizienz
Außerdem entbindet das WCG Kleinunternehmer von der Pflicht, eine Umsatzsteuererklärung abzugeben, vorausgesetzt ihr Vorjahresumsatz übersteigt 800.000 Euro nicht. „Daneben unterliegen sie der Ist-Besteuerung“, fügt Prof. Dr. Juhn an. Maßgeblich für die Berechnung der Umsatzsteuer ist also der tatsächlich empfangene Betrag, den sie für ihre Leistungen erhalten. Denn sonst müssten sie die Umsatzsteuer nach dem auf ihren Rechnungen ausgewiesenen Betrag abführen, noch bevor ihnen dieses Geld zugeflossen ist. Außerdem sind Unternehmen, deren Umsatzsteuer im vergangenen Kalenderjahr insgesamt nicht mehr als 2.000 Euro betrug, künftig von der Vorauszahlung befreit.
Themen:
LESEN SIE AUCH
Steueränderungen durch das Wachstumschancengesetz
Nach dem Kompromiss im Bundesrat ist das Wachstumschancengesetz beschlossen. Einiges wurde wie geplant, anderes in veränderter Form umgesetzt, manches ist dem Rotstift zum Opfer gefallen. Der Beitrag zeigt in jeder Kategorie für vier Maßnahmen was sich für die Einkommensteuer ändert oder auch nicht.
Selbst für Entlastung sorgen: 6 Tipps für Unternehmer, Selbstständige und Freiberufler
Hohe Steuerlast in wirtschaftlich unsicheren Zeiten? Unternehmen, Selbstständige und Freiberufler können mit gezielten Maßnahmen ihre Abgaben senken. Steuerexperte Prof. Dr. Christoph Juhn zeigt, welche Stellschrauben dabei besonders effektiv sind.
Wegweiser zur Niederlassungsgründung: Schlüsselfaktoren für eine gelungene Expansion
Prof. Dr. Christoph Juhn, Experte für Steuerrecht, beleuchtet die wichtigsten Schritte bei der Gründung einer Unternehmensniederlassung. Von Gewerbeanmeldung über steuerliche Vorgaben bis hin zu Eintragungen ins Handelsregister: Diese fünf Faktoren sind entscheidend.
„Wegzugsteuer: Stille Reserven machen den Abschied teuer“
Warum die Wegzugsteuer oft unterschätzt wird, welche Fehler Unternehmen vermeiden sollten und wie andere Länder mit dem Thema umgehen, erklärt Steuerexperte Prof. Dr. Christoph Juhn im Exklusiv-Interview.
Unsere Themen im Überblick
Themenwelt
Wirtschaft
Management
Recht
Finanzen
Assekuranz
Allgemeinverfügung zum Solidaritätszuschlag auf Körperschaftsteuerguthaben: Einheitliche Regelung für laufende Einsprüche
Am 4. März 2025 erließen die obersten Finanzbehörden der Länder eine Allgemeinverfügung, die sich auf Einsprüche und Anträge im Zusammenhang mit dem Solidaritätszuschlag auf das Körperschaftsteuerguthaben gemäß § 37 Absatz 5 KStG 2002 bezieht.
Besteuerung von Erstattungszinsen: Allgemeinverfügung der Finanzbehörden tritt in Kraft
Die obersten Finanzbehörden der Länder haben am 20. Februar 2025 eine Allgemeinverfügung erlassen, die sich auf anhängige Einsprüche und Anträge zur Besteuerung von Erstattungszinsen nach § 233a der Abgabenordnung bezieht.
BFH: Flugunterricht für Privatpiloten nicht steuerfrei
Der Bundesfinanzhof hat mit Urteil vom 13. November 2024 entschieden, dass Flugunterricht zur Erlangung einer Privatpilotenlizenz der Umsatzsteuer unterliegt.
Europäische Kleinunternehmerregelung: Umsatzsteuerbefreiung nun auch im EU-Ausland möglich
Mit der Einführung der Europäischen Kleinunternehmerregelung (EU-KU-Regelung) können deutsche Kleinunternehmer seit 2025 erstmals die Steuerbefreiung nach §19 UStG auch in anderen EU-Mitgliedstaaten nutzen.