Befristungen in der Berufsunfähigkeitsversicherung
Befristungen, Vergleich und Nachprüfungsverfahren in der Berufsunfähigkeitsversicherung beschäftigen immer wieder Gerichte. So hatte der BGH zuletzt zu Befristungen entschieden, dass diese gegenüber dem Kunden nachvollziehbar begründet werden müssen und unter bestimmten Voraussetzungen auch nicht rückwirkend vorgenommen werden dürfen. Besondere Vorsicht ist für beide Parteien eines Versicherungsvertrages immer dann geboten, wenn BU-Leistungen für einen bereits abgelaufenen Zeitraum geltend gemacht werden. Das zeigt ein aktuelles Urteil des OLG Dresden.
Ein Artikel von Tobias Strübing, Rechtsanwalt, Wirth–Rechtsanwälte, Rechtsanwälte in Partnerschaft mbB
In dem vom OLG Dresden am 22.8.2023 entschiedenen Sachverhalt (Geschäftszeichen 4 U 943/20) hatte die Klägerin zuletzt als Referentin für Kommunikation gearbeitet. Diese Stelle beendete sie nach eigenen Angaben zum 31.1.2015 durch „eigene Kündigung aus gesundheitlichen Gründen und auf Empfehlung des Arztes“. Erstmals im April 2015 teilte sie der beklagten Versicherung mit, dass sie seit Dezember 2014 wegen Erschöpfung berufsunfähig sei.
Trotz mehrmaliger Nachfrage der Versicherung reagierte die Klägerin zunächst nicht weiter und machte dann schließlich gut ein Jahr später, im Juli 2016 eine Berufsunfähigkeitsrente für den Zeitraum vom Dezember 2014 bis April 2016 geltend. Die beklagte Versicherung holte daraufhin ein medizinisches Sachverständigengutachten ein und erklärte im Februar 2017, dass sie die Leistungen ab dem 1.1.2015 anerkennt. Weiterhin erklärte sie aber, dass diese Leistung am 30.11.2015 wieder endet, und führte dazu wörtlich nur Folgendes aus: „(…) da Sie nach Aussage von Prof. Dr. med. S…… seit dem 01.12.2015 wieder Ihre berufliche Tätigkeit ausüben können.“
Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass trotz dieser Erklärung darin ein unbefristetes Anerkenntnis zu sehen sei. Sie verlangte auch über den 30.11.2015 hinaus die Rente und bekam vor dem OLG zumindest teilweise recht. Das Oberlandesgericht setzte sich zunächst damit auseinander, ob die beklagte Versicherung ihre Leistung rückwirkend befristen konnte.
Wie so oft stand die Lösung in den Versicherungsbedingungen. Dort hatte die Berufsunfähigkeitsversicherung nämlich mit der Klägerin vereinbart, dass nur unter bestimmten Voraussetzungen Leistungen längstens für einen Zeitraum von zwölf Monaten befristet werden können. Unter anderem hätten dafür die medizinischen und beruflichen Gegebenheiten unklar sein oder die Klägerin Rehabilitations-, Umschulungs- oder Wiedereingliederungsmaßnahmen absolvieren müssen. Nach der Rechtsauffassung und Würdigung des Oberlandesgerichts lag jedoch keiner der im Versicherungsvertrag vereinbarten Gründe für eine Befristung der Versicherungsleistung vor.
Damit konnte sie nach ihren eigenen Bedingungen, jedenfalls in dem konkreten Fall der Klägerin, die Leistung nicht befristen. Weiter beschäftigte sich das Oberlandesgericht mit der sogenannten Uno-actu-Entscheidung. Insbesondere in Fällen wie bei der Klägerin ist es BU-Versicherungen möglich, ein Anerkenntnis mit einem Nachprüfungsverfahren zu verbinden, also „uno actu“ zwei Entscheidungen in einer zu treffen.
Nach unserer Erfahrung machen bisher wenige BU-Versicherer in solchen oder ähnlich gelagerten Fällen davon Gebrauch, sondern retten sich aktuell eher in „Kulanzzahlungen“. Mit so einer Uno-actu-Entscheidung wäre es BU-Versicherungen aber rechtlich unschwer möglich, auch für einen rückwirkenden Zeitraum Leistungen zu befristen. Allerdings hätte die Versicherung dann die von der Rechtsprechung aufgestellten formalen Voraussetzungen für eine wirksame Einstellung der BU-Leistung einhalten müssen.
Befristung braucht Begründung
Unabdingbare Voraussetzung dafür ist, dass, ähnlich wie bei Befristungen, dem Kunden nachvollziehbar begründet wird, warum sie die Leistung wieder einstellen möchte. Das setzt typischerweise eine Vergleichsbetrachtung voraus, wenn die BU-Versicherung wie im vorliegenden Fall die Leistung deswegen wieder einstellen möchte, weil die Klägerin wieder ihre berufliche Tätigkeit ausübt.
Mit dem oben wörtlich wiedergegebenen Satz hatte die BU-Versicherung diese Voraussetzungen jedoch noch nicht erfüllt. Erst in einem Schriftsatz ihrer Rechtsanwälte aus dem November 2018 wurde diese Einstellungsmitteilung nachgeholt und damit hatte die Versicherung erst im November 2018 die formalen Voraussetzungen für eine wirksame Wiedereinstellung der Versicherungsleistung erfüllt.
Schlussendlich waren aber auch die Ausführungen der Rechtsanwälte nicht von Erfolg gekrönt. Zwar übte die Klägerin ab Januar 2018 wieder eine inhaltlich vergleichbare Tätigkeit aus. Allerdings verdiente sie in ihrer neuen Tätigkeit 31 Prozent weniger. In den Versicherungsbedingungen war jedoch vereinbart, dass eine Einkommensreduzierung von 20 Prozent für den Versicherungsnehmer nicht zumutbar ist. Mit einem um 31 Prozent geringeren Einkommen überschritt die Klägerin jedoch die Grenze, sodass nach den eigenen Bedingungen der BU-Versicherung damit die neue Tätigkeit für sie nicht zumutbar war und sie daher auf diese neue Tätigkeit auch nicht verwiesen werden konnte.
Manchmal, und bei Berufsunfähigkeitsversicherungen eher häufiger, steckt der Teufel im Detail. Dieses Urteil zeigt einmal mehr die Komplexität von Versicherungsfällen in der Berufsunfähigkeitsversicherung. Versicherungsnehmer sind daher immer gut beraten, sich in solchen Fällen von Experten vertreten zu lassen.