SVB-Crash: Keine Gefahr für Bondinvestoren großer Banken

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Was passiert, wenn eine 200 Milliarden Dollar schwere Bank in einem Umfeld hoher Inflation, langsamen Wachstums und steigender Zinsen zusammenbricht? Auch wenn „Ansteckung“ oder „globales Systemrisiko“ vernünftige Antworten sind, ist es möglich, dass sich beides im Fall der Silicon Valley Bank als nicht zutreffend erweisen wird.

Was der Fall der SVB für Investoren in Bankanleihen bedeutet, hat das Anleiheteam von M&G Investments beleuchtet

Ja, es wird Herausforderungen für die Kunden der SVB geben und möglicherweise bedeutenden Druck auf andere Spezialkreditgeber oder Banken mit besonders schwachem Einlagengeschäft, aber unserer Ansicht nach stellen die Ereignisse der letzten Woche kein wesentliches Risiko für Anleiheinvestoren in großen, diversifizierten US-Banken dar, und sogar ein noch geringeres Risiko für Anleiheinvestoren in europäischen Banken.

Ein Grund dafür ist, dass mehrere Schlüsselfaktoren für den Niedergang der SVB mit ihrem einzigartigen Geschäftsmodell zusammenhängen. Ein weiterer, dass mehrere allgemeine Faktoren, die zu der Krise der SVB beigetragen haben, in Europa nicht so stark ausgeprägt sind wie in den USA.

Die Anleger mögen (zu Recht) argumentieren, dass die SVB ihr Zinsrisiko falsch gemanagt hat, und dass dies bei jeder Bank passieren könnte. Aber das Zusammentreffen von Faktoren, die die sechzehntgrößte Bank der USA zu Fall brachten, ist bei jedem einigermaßen großen, diversifizierten Kreditinstitut auf beiden Seiten des großen Teichs schwer zu finden. Noch wichtiger: Es sieht nicht so aus, als ob große Banken ein beunruhigend hohes Engagement bei der SVB haben.

Ein einzigartiges Geschäftsmodell

Wie vielfach berichtet, konzentrierte sich die SVB stark auf die Bereitstellung von Bankdienstleistungen für Private- Equity-Fonds (PE), Risikokapitalfonds (VC) und Technologie-Start-ups. Mit dem Anstieg der Investitionen in Technologieunternehmen während der Pandemie wuchs auch die Einlagenbasis der SVB, und zwar von rund 60 Mrd. US-Dollar Ende 2019 auf fast 190 Mrd. US-Dollar zwei Jahre später.

Dieses Wachstum übersteigt den Anstieg der gesamten US-Bankeinlagen um 34 Prozent im selben Zeitraum bei Weitem. Der überwiegende Teil der SVB-Einlagen war leicht zugänglich, relativ groß und nicht FDIC-versichert (96 Prozent unversichert, um genau zu sein, verglichen mit weniger als 50 Prozent bei den meisten US-Banken).

Da die SVB kein traditioneller Kreditgeber ist – etwa die Hälfte ihrer Kredite ging an PE/VC-Firmen – hat sie den größten Teil der neuen Einlagen in Höhe von 130 Mrd. US-Dollar in Staatsanleihen investiert. Genauer gesagt kaufte sie zig Milliarden an längerfristigen Staatsanleihen und hypothekarisch gesicherten Wertpapieren (MBS), die praktisch kein Kreditrisiko aufwiesen, aber im Falle eines starken Zinsanstiegs im Preis fallen würden – und die Zinsen stiegen tatsächlich.

Das Vorgehen der SVB ist bei den meisten US-Banken gängige Praxis und stellt an sich kein Problem dar. Das Halten von staatlich garantierten MBS ist für eine Bank wirtschaftlich wahrscheinlich besser als das Halten von zugrundeliegenden Hypotheken in Form von Krediten: Agency-MBS haben eine etwas niedrigere Rendite, aber praktisch kein Kreditrisiko und eine viel größere Liquidität.

Noch wichtiger ist, dass sowohl festverzinsliche MBS als auch Kredite bei steigenden Zinsen an Wert verlieren, während die Banken in der Regel von steigenden Zinsen profitieren. Das liegt daran, dass ihre Kosten für Einlagen fast immer viel langsamer und auch weniger steigen als die Zinssätze für ihre variabel verzinslichen Kredite oder Barmitteläquivalente.

Steigende Zinsen sind besonders für Banken mit vielen zinslosen Transaktionskonten von Vorteil. Die Bank of America hat mehr als eine halbe Billion Dollar in MBS und ist dennoch eine der stärksten und profitabelsten Banken weltweit, was sie zum Teil ihrer weitgehend auf Privatkunden ausgerichteten Einlagenbasis von 1,9 Billionen US-Dollar verdankt.

Der Schlüssel zum Niedergang der SVB

Was geschah also mit der SVB, einer Bank mit sehr guten Aktiva-, Rentabilitäts- und Kapitalkennzahlen? Es gab zwei Hauptprobleme, von denen wahrscheinlich keines den Untergang verursacht hätte, wenn das andere nicht gleichzeitig aufgetreten wäre:

Erstens war die Einlagenbasis der SVB außerordentlich stark auf eine einzige, finanzstarke Gruppe von Unternehmen konzentriert, die alle dem zyklischen Risiko ausgesetzt waren, dass PE/VC-Finanzierungen austrocknen. Als der Geldfluss in risikoreiche private Investitionen im vergangenen Jahr nachließ, begannen die PE/VC-Sponsoren und ihre geldhungrigen Start-ups, ihre Einlagen bei der SVB abzubauen.

Die Bank verlor in den letzten neun Monaten des Jahres 2022 25 Mrd. US-Dollar oder 13 Prozent ihrer Einlagen und weitere acht Mrd. US-Dollar im Januar und Februar. Aber es gab immer noch keinen „Run auf die Bank“, und wenn dieses Risiko besser eingeschätzt worden wäre, hätte es wahrscheinlich auch letzte Woche keinen gegeben.

Das zweite Problem war die Entscheidung der Bank, den Großteil ihrer überschüssigen Liquidität in Anleihen mit langer Laufzeit anzulegen, ohne sich ausreichend gegen Zinsrisiken abzusichern. Als die Bank beschloss, mit dem Verkauf von Anleihen zu beginnen, um den Abfluss von Einlagen zu finanzieren, musste sie Verluste hinnehmen.

Es ist unklar, warum die Bank ihre vor 2017 verfolgte Politik änderte, hauptsächlich Wertpapiere mit kürzeren Laufzeiten zu halten. Unklar ist auch, warum sie nicht mehr Kredite bei der Federal Home Loan Bank oder auf den Repo-Märkten aufnahm (oder aufnehmen konnte), sondern stattdessen einige Anleihen mit Verlust verkaufte und eine Kapitalerhöhung ankündigte, um die starken Kapitalpuffer wieder aufzustocken.

Die Kapitalerhöhung schien die anspruchsvollen Einleger zu verschrecken. Sie witterten Ärger und fingen an, ihre Einlagen massenhaft abzuziehen. Nachdem das passiert war, kam das Ende schnell.

Sind andere US-Banken gefährdet?

Die gleiche Dynamik könnte auch bei anderen spezialisierten Kreditgebern auftreten. Aber es ist schwer vorstellbar, dass größere traditionelle Kreditgeber – sowohl große regionale als auch „global systemrelevante“ US-Banken – ein ähnliches Schicksal erleiden.

Die überwiegende Mehrheit der SVB-Einlagen war groß, nicht versichert und ging an anspruchsvolle PE/VC-Kunden, die denselben zyklischen Finanzierungsrisiken ausgesetzt waren. Diese Konzentration ist einzigartig unter US-Banken mit einem hohen Bestand an Staatsanleihen.

Im Vergleich zur SVB haben diese Banken weniger stark in langlaufende MBS investiert, verfügen über weitaus mehr versicherte Privatkundeneinlagen, haben in der Regel besseren Zugang zu Großkundenfinanzierungen und verfügen hoffentlich über ein besseres Zinsrisikomanagement. Glücklicherweise scheint kein großer US-Kreditgeber ein besorgniserregend hohes Engagement bei der SVB zu haben, da sich die Bank überwiegend über Einlagen refinanziert.

Natürlich werden auch andere US-Banken betroffen sein. Institute mit einer schwachen oder stark korrelierten Einlagenbasis stehen verständlicherweise bereits auf dem Prüfstand und/oder unter Marktdruck, und in naher Zukunft könnten sie einige Einlagen an größere, stärkere Institute verlieren, was ihre Probleme noch verschärfen würde. Und natürlich sollten die größeren Banken solche Einlagen vorsichtig annehmen und bepreisen, da sie wissen, wie flüchtig sie sein können.

Wir erwarten auch, dass die Banken und ihre Aufsichtsbehörden die Dynamik von Einlagenbasis und Preisgestaltung genauer unter die Lupe nehmen werden. Ein positiver Aspekt für Anleiheinvestoren ist, dass der Widerstand der Bankenlobby gegen strenge Kapital- und Liquiditätsvorschriften wahrscheinlich für einige Zeit schwächer wird, wenn nicht gar verstummt.

Stattdessen werden die Ereignisse der letzten Woche die Fed, die sich bereits mitten in einer „ganzheitlichen Überprüfung“ der Bankenregulierung befindet, wahrscheinlich dazu ermutigen, ihre Aufsicht über kleinere Banken deutlich zu verbessern.

Sind die europäischen Banken gefährdet?

Wie ihre US-amerikanischen Pendants verfügen die meisten großen europäischen Emittenten über Einlagen, die diversifizierter, stabiler und stärker versichert sind, als die SVB. Es gibt jedoch noch weitere Gründe dafür, dass europäische Banken nicht demselben Druck ausgesetzt sind wie das kalifornische Institut.

Zum einen konkurrieren Geldmarktfonds in Europa nicht so stark um Bankeinlagen wie in den USA, so dass wir davon ausgehen, dass die europäischen Banken weiterhin von steigenden Zinsen profitieren werden (wenn auch auf dem Kontinent stärker als in Großbritannien, wo der Nutzen weiterer Zinserhöhungen nachlassen könnte).

Ein zweiter Grund ist, dass die europäischen Vorschriften in Bezug auf Liquidität, Zinsrisikomanagement und Stresstests in mehrfacher Hinsicht robuster sind als die Vorschriften, die für die SVB galten. In den USA wurden die Vorschriften für Banken mit einer Bilanzsumme von weniger als 250 Mrd. US-Dollar im Jahr 2018 erheblich gelockert.

Drittens reagieren die Liquiditätsportfolios europäischer Banken weniger empfindlich auf Zinserhöhungen als die der meisten US-Banken. In Europa gibt es keinen mit dem US-Markt für 30-jährige festverzinsliche MBS vergleichbaren Markt, und der größte Teil der Liquidität der europäischen Banken wird bei den Zentralbanken oder in relativ kurzfristigen Staatsanleihen gehalten.

Infolgedessen dürfte das Risiko eines raschen Abflusses von Einlagen, der nicht durch den Verkauf von Wertpapieren oder die Aufnahme von Krediten gedeckt werden kann, in Europa geringer sein als in den USA.

Schlussfolgerungen

Die Insolvenz der SVB ist eine große Sache. Bis zur Hälfte der US-amerikanischen PE/VC-Gemeinschaft ist möglicherweise direkt oder indirekt an der Bank beteiligt und jede größere Bankpleite kann auf dem Markt Ängste auslösen, ob sie nun gerechtfertigt sind oder nicht.

Der Untergang der Bank wird wahrscheinlich zu Liquiditätsproblemen für die Einleger führen, die jedoch durch die Absicherung aller SVB-Einlagen, auch der nicht versicherten, durch die Fed gemildert werden dürften. Darüber hinaus ist es denkbar, dass die Entwicklungen kleinere und spezialisierte Kreditinstitute unter Druck setzen – insbesondere solche mit einem schwachen Einlagengeschäft.

Zudem könnten sie den Ruf der US-amerikanischen und kalifornischen Aufsichtsbehörden schädigen (die Bank hatte eine Registrierung für den Bundesstaat, keine nationale für die gesamte USA) und die Fähigkeit der FDIC auf die Probe stellen, den Kollateralschaden bei der Umsetzung der Testamente von Banken (living wills) zu begrenzen.

Wie es scheint, hat die Angst bereits dazu beigetragen, eine andere Bank in die Insolvenz zu treiben, denn am 12. März 2023 ist die mit 110 Mrd. US-Dollar ausgestattete Signature Bank in New York gescheitert. Wie die SVB wuchs auch Signature in den letzten Jahren sehr schnell und hatte eine konzentrierte, größtenteils unversicherte Einlagenbasis (vor allem Kryptowährungsunternehmen).

SVB und andere Nischenanbieter wie Signature sind in der breiteren Bankenwelt aber ziemlich einzigartig. Unserer Ansicht nach sind sie so einzigartig, dass sie für die Anleihen von großen diversifizierten Banken in den USA oder Europa keine wesentlichen Probleme verursachen sollten.