Connect & Protect von Munich Re: Schlüsselfertiger Innovations-Booster für die Versicherungsbranche

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Wenn von Innovationen die Rede ist, dürfte den meisten Menschen eine Branche am wenigsten in den Sinn kommen: Die Versicherungsbranche. Auch wenn die Pandemie noch einmal einen deutlichen Schub in Sachen Digitalisierung gebracht hat – man wird das Gefühl nicht los, dass sich Veränderungen in der Versicherungsbranche geradezu im Zeitlupentempo vollziehen.

Da mutet „Connect & Protect“ fast wie die Idee aus einer anderen Welt an. Das Projekt der MunichRe bietet schlüsselfertige IoT-Lösungen für Erstversicherer. „Predict & Prevent“ statt „Repair & Replace“ ist das Motto einer Idee, die das Potenzial hat, der Branche völlig neue Geschäftsfelder zu erschließen.

LHD haben mit Jan Förnges gesprochen, Senior Project Manager der Munich Re und verantwortlich für „Connect & Protect“.

Herr Förnges, bevor wir zu Connect & Protect kommen, würde mich Ihre Einschätzung der Versicherungsbranche generell interessieren.

Die Versicherungsbranche befindet sich in einem großen Umbruch. Während sie einerseits vor großen Herausforderungen steht – sei es das Niedrigzinsumfeld, der drohende Verlust der Kundenschnittstelle, oder der zunehmende Wettbewerb durch Branchenfremde wie bspw. die Tech Giants – gibt es andererseits ungleich mehr Chancen als früher, die Kundenbeziehungen und die technische Performance zu verbessern.

Um nur drei Beispiele zu nennen: Data Analytics für die Optimierung der Risikoselektion und des Pricings, neue digitale Vertriebswege zum Versicherten – gerade in Zeiten der Pandemie ein wichtiges Thema – oder die Möglichkeit, durch den Einsatz von Sensorik zur Schadensprävention die Schadenquote zu senken und dem Versicherten echte Mehrwerte über den Versicherungsschutz hinaus zu bieten.

 

 

Gibt es etwas wie Innovationstreiber der Branche? Wenn ja, welche?

Die Digitalisierung ist natürlich schon länger ein Thema. Was wir aber jetzt in der Pandemie sehen, ist, dass digitale Vertriebswege nochmals enorm an Bedeutung gewonnen haben – über die traditionell digital affinere Kundengruppe der 20-40-Jährigen hinaus. Während die Banken den Schritt zur „Online-Filiale“ bereits vor vielen Jahren vollzogen haben, und nun zunehmend bereits an Financial-Home-Lösungen arbeiten, ist der Anteil des analogen Versicherungsvertriebs noch vergleichsweise hoch.

Gerade im Vertrieb einfacher Produkte gibt es hier Aufholpotenzial. Zu einer guten Customer Experience wird es aber auch in Zukunft gehören, komplexe und beratungsintensive Produkte im persönlichen Gespräch zu verkaufen bzw. die richtige Balance zwischen digitalen und physischen Vertriebswegen zu finden, Stichwort: „phygital“.

Die Versicherungsbranche diskutiert IoT-Lösungen seit einiger Zeit. Bisher fand wenig Umsetzung – und wenn überhaupt nur Teillösungen – statt. Jetzt bieten Sie eine, sofern ich weiß, noch nie gesehene Gesamtlösung an. Wie reagieren Erstversicherer darauf?

Ja, mit unserem Produkt „Connect & Protect“ bieten wir eine schlüsselfertige IoT-Lösung zur Früherkennung und Vermeidung von (versicherungsrelevanten) Schäden an, welche Versicherern Zugang zu unterschiedlichsten Anwendungsfällen aus einer Hand bietet. Wir vermarkten „Connect & Protect“ aktiv im deutschen Markt bei unseren mittelgroßen bis großen Kunden, den (Erst)Versicherern.

Das Interesse ist sehr groß, weil unsere Kunden erkannt haben, dass IoT bzw. Sensoren zur Lösung verschiedenster Pain Points auf der Kosten- aber auch auf der Umsatzseite beitragen. Das kurzfristige Wertversprechen liegt natürlich in der Reduktion der Schadenkosten durch Prävention sowie durch Früherkennung von gefährlichen Situationen oder Schäden; dies betrifft insbesondere die Sachversicherung. Perspektivisch können Versicherer basierend auf IoT-Daten aber auch ihre Risikoselektion oder das Pricing verbessern und so Portfoliooptimierung betreiben.

Zum Anderen ist die Wahrnehmung als innovativer Versicherer, der beim Einsatz von IoT ein deutlich erweitertes Leistungsversprechen neben der reinen Schadenkostenminimierung bieten kann, wichtig. Man kann damit das Werteversprechen an die Versicherten deutlich erhöhen.

Nicht nur reine Schadenzahlung, sondern eben dafür sorgen, dass nichts passiert. Also „predict & prevent“ und statt „repair & replace“. So können bspw. Betriebsunterbrechungen minimiert oder Reputationsschäden vermieden werden. Einen Schaden will der Versicherte nie haben, auch wenn er gegen dessen finanzielle Folgen versichert ist.

Großes Marktpotential sehen wir im gewerblichen Bereich, in der Privatwirtschaft, aber bspw. auch bei kommunalen Gebäuden, wo die Budgets für Reparaturen sehr limitiert sind und oftmals Sanierungsstau besteht. Dort machen IoT-Lösungen, bspw. für Leitungswasserschäden, Sinn und die Kosten-Nutzen-Relation ist am besten.

Ein anderer Bereich sind Baustellen, da werden wir oft für Lösungen angefragt. Für einen Investor oder Bauträger kann es finanziell schnell empfindlich werden, wenn größere Schäden am Bau zu Verzögerungen bei der Fertigstellung und Vertragsstrafen führen.

Nicht für Privatkundengeschäft geeignet?

Das Privatkundengeschäft ist ungleich schwerer zu adressieren im Vergleich zum gewerblichen Segment, in dem man sich mit den Konsequenzen von Betriebsunterbrechungen und Reputationsschäden herumschlagen muss. Die Zahlungsbereitschaft beim Endkunden ist nicht in gleichem Maße gegeben; auch das Risikobewusstsein ist häufig niedriger. Der Privatkunde legt den Schwerpunkt im Smart Home eher auf „Convenience“.

Nicht zuletzt ist die Exponierung, gemessen an der Versicherungssumme, für die Versicherer regelmäßig deutlich niedriger, was den Einsatz von IoT-Technologie oft nicht wirtschaftlich macht. Die Versicherer haben hier im deutschen Markt keine so guten Erfahrungen gemacht. Aus meiner Sicht liegt das aber zum großen Teil auch daran, dass Versicherer es bisher nicht geschafft haben, Ihren Versicherten ein integriertes Erlebnis aus Versicherung und IoT zu bieten, sozusagen eine „Connected Insurance“.

In der Regel verlinken sie nur auf einen Technologiepartner, und lassen den Versicherten mit der Technik allein. Das wollen wir mit unserem Produkt fundamental ändern.

Als Rückversicherer sprechen Sie damit Erstversicherer an. Was wäre, wenn Sie Aufmerksamkeit unter Konsumenten, also Versicherungsnehmern, generieren würden? Da könnte ein Push & Pull-Effekt entstehen.

Unsere Publikationen in der Versicherungswirtschaft finden ihren Weg natürlich auch zu gewerblichen Endkunden, bspw. Bauträgern, aber auch Maklern. Derzeit bieten wir unseren schlüsselfertigen IoT-Service „Connect & Protect“ nur zusammen mit einem Versicherer an. Bei interessierten Endkunden nehmen wir deren Versicherer immer gerne mit ins Boot.

Connect & Protect ist ein hervorragendes Beispiel von den Vernetzungsmöglichkeiten des IoT in der Praxis. Aber nicht alle Teilnehmer im Gesamtprozess der Schadensbegrenzung, Schadensregulierung und Schadensbeseitigung sind vernetzt – nur der Versicherungsnehmer erhält die Meldungen der Sensoren. Dies hat, denke ich, mit Datenschutz zu tun. Wäre es nicht eine interessante Option für Versicherte, die Meldungen freiwillig an die Versicherung, Sicherheitsdienst, Sanierer, Feuerwehr usw. leiten zu lassen?

Technisch ist das ohne Probleme möglich. Wir haben „Connect & Protect“ als offene Plattform mit APIs aufgebaut, und es lassen sich Lösungen und Services von Partnern integrieren.

Selbstverständlich muss der Versicherungsnehmer der Datenweitergabe unter den einzelnen Playern zustimmen. Aber natürlich macht es Sinn, wenn der Versicherer in nahezu Echtzeit über Schadenereignisse informiert wird. Dann kann er den Versicherungsnehmer sofort aktiv in der Schadensbegrenzung bzw. -behebung unterstützen.

Auch die intelligente Einbindung von Assistance-Dienstleistern, wie bspw. Gebäudesanierern, bietet entsprechende Vorteile für den Versicherten. Ein solches Ökosystem rund um Anwendungsfälle und Schadenereignisse bauen wir gerade auf. Das geht natürlich nicht von heute auf morgen. Aber perspektivisch ist dies das Ziel.

Wichtig ist: Der Versicherte wird seine Daten nur teilen, wenn er einen Mehrwert dafür bekommt. Entweder finanziell, bspw. durch reduzierten Selbstbehalt – oder der Versicherer nutzt die Daten eben zur intelligenten Schadensprävention bzw. Unterstützung im Notfall. Das wäre dann auch ein Mehrwert.

Connect & Protect hat das Potenzial, eine Plattform zu werden, sozusagen ein Ökosystem, dass beliebig aus- und umgebaut werden kann. Was ist Ihre Vision?

Wir arbeiten an einem schlüsselfertigen IoT-Service für die Versicherungswirtschaft, mit dem Schadensprävention und Schadenkostenreduktion rund um Gebäude holistisch und aus einer Hand realisiert werden können. Hierzu bauen wir ein Ökosystem aus Servicepartnern, Dienstleistern, Risikoexperten, Assistance-Dienstleistern und Technologie-Providern auf. Das oberste Ziel ist es, den Versicherten echte Mehrwerte gegenüber einem klassischen Versicherungsprodukt zu bieten und die Customer Experience zu erhöhen.

Dem Versicherer wollen wir zum Einen den Aufwand ersparen, sich mit Technologielösungen im Detail auseinander setzen oder eine IoT-Installation gar dauerhaft im Feld betreiben zu müssen – denn das liegt weit außerhalb seiner (Kern-)Kompetenzen. Zum Anderen wollen wir ihm die Möglichkeit bieten, vollumfänglichen Zugriff auf von der Munich Re kuratierte Sensorlösungen und Analytics-Services auf einer einzigen Plattform zu erhalten, und so selbst kein aufwändiges Partnermanagement aufbauen zu müssen.

Wo sehen Sie das Produkt in fünf Jahren?

IoT-Technologie wird Einzug in die Versicherungswirtschaft halten. Dieser Trend ist nicht aufzuhalten. Heute neu entwickelte Produkte oder entworfene Gebäude sind von Beginn an „smart“ – bestehende Gebäude können einfach nachträglich per „Retrofitting“ smart gemacht werden, wobei die Kosten für die Sensorik und die Konnektivität weiter sinken, und zunehmend mehr Anwendungsfälle ökonomisch attraktiv machen. Ich denke, dass IoT ein integraler Bestandteil zukünftiger Versicherungspolicen sein wird, bspw. in der Gebäude- oder Inhaltsversicherung. Daran arbeiten wir schon heute.

Wie ist der Sales-Prozess? Die Versicherungsbranche steht ja im Ruf, ihr Hauptaugenmerk auf der Erneuerung bestehender Verträge zu legen!

Das Klischee ist natürlich überholt! Wir sprechen unsere Kunden über unser Client Management als etablierten Kundenzugang an. Wir definieren zusammen mit unseren Kunden die relevanten Anwendungsfälle (bspw. Leitungswasser) und die Betriebsarten (z.B. Krankenhäuser) und machen einen konkreten Produktvorschlag.

Typischerweise führen wir kommerzielle Piloten, bspw. über 25-50 Risikoorte, durch, damit der Kunde Erfahrungen mit dem Einsatz von IoT machen kann, bevor wir in die Skalierung gehen. Bei all dem decken wir alle integralen Leistungsbestandteile für die Versicherer ab, bspw. das Marketing, Vertriebsschulungen, Logistik rund um die Sensorik, Programm-Management, die Betreuung der Installationen im Feld, 24/7-Monitoring der Risikoorte, Customer Support etc. bis hin zur Auswertung der gewonnen Daten, um Ansatzpunkte für eine Verbesserung der Risikoselektion und des Pricings zu erhalten. Connect & Protect ist eben ein schlüsselfertiger Service, der Versicherern die Welt des „Internet der Dinge“ zugänglich und leicht konsumierbar machen soll.

Herr Förnges, wir danken Ihnen für Ihre Zeit und die spontane Zusage.

Ein Original-Beitrag von LHD über news aktuell

 

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