„Denn eins ist sicher: Die Rente!“

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Die Deutschen blicken sorgenvoll auf das Rentensystem. Sie erhoffen sich von den Parteien vor der Bundestagswahl qualifizierte Antworten auf die Frage nach einer nachhaltigen Sicherung der gesetzlichen Altersrente.

Alexander Schrehardt, Gesellschafter-Geschäftsführer, AssekuranZoom GbR analysiert ausgewählte Wahlprogramme.

Sicherlich erinnern sich manche an den charismatischen Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Norbert Blüm. In einer Zeit, in der die deutsche Bundesregierung noch sozialrechtliche Geschenke in der Bevölkerung verteilte, startete Norbert Blüm seine Kampagne zum Einwerben von Vertrauen in die Deutsche Rentenversicherung.

Im Jahr 1986 klebte der stets gut gelaunte Bundesminister persönlich einige der 15.000 großformatigen Plakate mit dem Spruch „Denn eins ist sicher: Die Rente“ medienwirksam an Litfaßsäulen. Eine Aussage, bei der wir heutzutage doch sehr ins Grübeln kommen.

Alexander Schrehardt, Gesellschafter-Geschäftsführer, AssekuranZoom GbR

Nun ja, an dieser Stelle muss für den Minister eine Lanze gebrochen werden. Es wurde nur die Sicherheit der Rente, nicht aber deren Höhe euphorisch kommuniziert. Die Rahmenbedingungen der sozialen Sicherungssysteme waren vor 35 Jahren andere als heute.

Doch die Bundestagsmitglieder und Regierungsvertreter der Ära Kohl wussten schon damals von der steigenden Lebenserwartung und einem seit 1972 durchgängig dokumentierten Geburtenunterschuss. Regelmäßig wurden nachhaltige Reformprozesse eingefordert und dem Wähler in  homöopathischen Dosen verabreicht.

Einem politischen Befreiungsschlag kam die Einführung der zulagengeförderten Rentenversicherung, nach ihrem Initiator, dem Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung Walter Riester, salopp als „Riester-Rente“ bezeichnet, zum 01.01.2002 gleich.

Dies war vor dem Hintergrund der demografischen Verwerfungen in der deutschen Bevölkerung wahrlich überfällig, wurde der umlagefinanzierten gesetzlichen Rentenversicherung doch ein kapitalgedecktes Versicherungsprodukt zur Seite gestellt.

Grundsätzlich ein sehr guter Gedanke. „Gut gedacht“ muss aber nicht zwingend gleichbedeutend sein mit „gut gemacht“. So musste die Zulagenförderung bei Einführung der „Riester-Rente“ jährlich neu beantragt werden.

Auch die Rechtsnormen der §§ 10 a, 79 bis 88 und 92 a beziehungsweise 92 b EStG muss man zweimal lesen und die Lektüre des Schreibens des Bundesministeriums der Finanzen vom 21.12.2017 über die steuerliche Förderung der privaten Altersvorsorge kann nur mit Nachdruck angeraten werden.

  • Welche Förderansprüche hat ein Steuerpflichtiger, der mehrere „Riester-Vorsorgeverträge“ unterhält?
  • Wie ist das Thema Insolvenzschutz im Fall von gefördertem Altersvorsorgekapital eigentlich genau geregelt?
  • Kann das geförderte Altersvorsorgevermögen auch zur Verbesserung der Barrierefreiheit in den eigenen vier Wänden eingesetzt und der erforderliche Umbau einer Immobilie mit dem angesparten Guthaben finanziert werden?
  • Können bei Einsatz von gefördertem Altersvorsorgevermögen für eine Verbesserung der Barrierefreiheit im häuslichen Umfeld auch weitere Förderangebote,
    zum Beispiel der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW), genutzt werden?

Zusammenfassung der Fakten

Eine kapitalgedeckte, steuerlich und mit Zulagen geförderte Säule der Altersversorgung ist ohne jeden Zweifel zu befürworten. Allerdings hatte sich die „Riester-Rente“ ein Stück weit zu einem Beratungsmonster entwickelt, das von manchem in seiner Tiefe nicht vollständig durchleuchtet und erschlossen werden konnte.

Gegenwind kam dabei von Bundesminister Walter Riester, der für sich in Anspruch nahm, die nach ihm benannte zulagengeförderte Altersversorgung auf einem Bierdeckel erklären zu können. Über die Größe des Bierdeckels darf heftig spekuliert werden. Natürlich kann mit der Riester-Rente auch ordentlich Geld verdient werden.

So vereinnahmte Minister Riester nach einer Mitteilung der WELT (Ausgabe vom 10.05.2008) in den ersten 29 Monaten der 16. Legislaturperiode für Vorträge über die zulagengeförderte Altersversorgung rund 284.000 Euro.

Nachdem sich die „Riester-Rente“ nicht zum nachhaltigen Burner entwickelt hatte, werden nun von Kritikern die Kosten thematisiert und wieder einmal die Versicherungsbranche an den Pranger gestellt.

Tatsache ist, dass der zunehmende Verwaltungsaufwand, die 0-Prozent-Zinspolitik und – damit verbunden – die hohen Kosten für die Beitragsgarantien schwer auf der „Riester-Rente“ lasten. Erste Gesellschaften läuten bereits die Totenglocken für die geförderte Altersvorsorgelösung und schließen ihre Tarife für das Neugeschäft.

So zieht sich DWS, mit 665.000 Bestandskunden ein Titan unter den Anbietern von „Riester-Produkten“, mit Wirkung zum 01.07.2021 aus diesem Marktsegment zurück. Eine dem Grunde nach sehr gute und an eine breite Zielgruppe adressierte Vorsorgeidee wird vermutlich scheibchenweise auf dem Altar eines überbordenden Verwaltungsaufwands und einer desaströsen Zinspolitik geopfert.

Am 26.09.2021 werden 60,4 Millionen Wahlberechtigte zum Urnengang aufgerufen. Rechtzeitig vor diesem wichtigen Wahltermin, der das Ende der Ära Angelika Merkel einläutet, wurde auch die gesetzliche Rentenversicherung thematisiert.

Arbeitnehmer und Rentner blicken gleichermaßen sorgenvoll auf diese Großbaustelle und erhoffen sich von den Parteien und Spitzenkandidaten qualifizierte Antworten auf die bange Frage nach einer nachhaltigen Sicherung der gesetzlichen Altersrente.

Ein Blick in exemplarisch ausgewählte Wahlprogramme der Parteien sorgt indes für Ernüchterung

Bündnis 90/Die Grünen

Bei der Lektüre des Wahlprogramms von Bündnis 90/Die Grünen nimmt das Kapitel „Eine verlässliche Alterssicherung für alle“ nur eine Statistenrolle ein. Die Ausführungen im Wahlprogramm der Partei erinnern dabei mehr an ein indisches Mantra und sehen keine konkreten, zahlenbasierten Maßnahmen vor.

Das Rentenniveau von 48 Prozent soll langfristig gesichert, an der Regelaltersgrenze mit 67 Jahren festgehalten und ein erster Schritt zu einer Bürgerversicherung, die auch für anderweitig nicht versicherte Selbstständige und Abgeordnete verpflichtend sein soll, getan werden. Eine Antwort auf die brennende Frage, welche konkreten Schritte wann und wie getan werden, bleibt das Parteiprogramm schuldig.

Die Linke

Eine äußerst ambitioniert geplante Vorgehensweise findet sich im Wahlprogramm der Partei Die Linke. So soll als Sofortmaßnahme das Rentenniveau auf 53 Prozent angehoben werden. Dieses proklamierte Ziel wird dann auch gleich in Zahlen gefasst und eine Anhebung der aktuellen Durchschnittsrente von bislang 1.048 Euro monatlich auf 1.152 Euro erklärt.

Die Kosten für diese Maßnahme werden bei einem Durchschnittsverdienst von 3.379 Euro im Monat mit einem Mehrbeitrag von 33 Euro pro Monat beziffert, paritätisch von Arbeitgebern und Arbeitnehmern getragen.

Anders ausgedrückt, der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung soll um 1 Prozent angehoben werden. Der Beitrag für die private „Riester-Rente“ in Höhe von 120 Euro kann nach Einschätzung der Autoren des Wahlprogramms dafür entfallen. Bei dieser Betrachtung lässt das Wahlprogramm offen, ob ein monatlicher oder ein jährlicher Beitrag von 120 Euro für eine „Riester-Rente“ entfallen kann. Bekanntlich berechnet sich der Mindestbeitrag zur Erlangung der ungekürzten Zulagenförderung mit 4 Prozent der beitragspflichtigen Einnahmen.

Wie nun der verzichtbare Beitrag zu einer „Riester-Rente“ von 120 Euro berechnet wurde, darüber schweigt sich das Parteiprogramm aus.

Auch die Durchschnittsrente beziehungsweise deren Anhebung auf 53 Prozent muss an dieser Stelle tiefer beleuchtet werden. Nach der Statistik der Deutschen Rentenversicherung für das Jahr 2019 (Quelle: Rentenversicherung in Zahlen, Stand 24.07.2020) bezogen 50,02 Prozent der weiblichen Rentenempfänger in den alten Bundesländern eine Regelaltersrente von durchschnittlich 494 Euro/Monat.

Projiziert man die angestrebte Rentenerhöhung auf die Gruppe dieser Leistungsempfänger, so würde die Durchschnittsrente auf rund 543 Euro pro Monat steigen, was sicherlich einen Kaufrausch und die Grundlage für einen kometenhaften Konsumaufschwung zur Folge hätte.

Nur zur Erinnerung: Im Jahr 2019 bezogen in den alten Bundesländern 45,88 Prozent der Altersrentner, das waren 6,76 Millionen Leistungsempfänger, eine Regelaltersrente mit einem durchschnittlichen Rentenbetrag von 622 Euro monatlich.

Die Aussage, dass der – wie auch immer berechnete – Beitrag zu einer privaten „Riester-Rente“ im Fall einer Erhöhung des Rentenniveaus auf 53 Prozent beziehungsweise des Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung um 1 Prozent entfallen kann, kann bestenfalls in die Sammlung deutscher Märchen und Legenden eingereiht werden.

Ein kapitalgesicherter, personalisierter Versorgungsanspruch soll zugunsten einer Finanzspritze für ein marodes Rentensystem zur Sicherung von laufenden Rentenverpflichtungen aufgegeben werden.

Werfen wir an dieser Stelle noch mal einen Blick in die Statistik der Deutschen Rentenversicherung: Die Ausgaben der Deutschen Rentenversicherung stiegen im Zeitraum 1995 bis 2019 von 175,9 Milliarden Euro auf 319,1 Milliarden Euro an.

Diesen Ausgaben standen Beitragseinnahmen von 138,2 Milliarden Euro beziehungsweise von 247,4 Milliarden Euro gegenüber. Der Debitsaldo wurde mit Bundeszuschüssen ausgeglichen. In 2019 betrugen diese 72,3 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von 137,5 Prozent gegenüber dem Jahr 1995 entspricht.

Hier schließt sich eine spannende Frage an: Welche Mehrrente wird ein heute 25-jähriger Arbeitnehmer im Fall einer Erhöhung des Beitrags zur gesetzlichen Rentenversicherung um 1 Prozent bei seinem Renteneintritt zum vollendeten 67. Lebensjahr erhalten?

CDU/CSU

Auch die renommierten Volksparteien halten sich mit konkreten Aussagen zurück. In ihrem Wahlprogramm knüpfen die Schwesterparteien CDU/CSU mit der Beschwörungsformel „Je mehr Menschen sozialversicherungspflichtig arbeiten, desto besser ist es für die Rente“ die Renten- an die Wirtschaftspolitik.

Allein mit dieser Wunschvorstellung kann die Nachhaltigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung nicht garantiert werden. Zumal sich die Frage stellt, wo denn die zusätzlichen Beitragszahler herkommen sollen.

Tatsache ist, dass die deutsche Bevölkerung seit 1972 schrumpft. Selbst im Fall einer Umkehr durch steigende Geburtenzahlen würden die heute neugeborenen Kinder erst in 20 bis 25 Jahren als Beitragszahler die gesetzliche Rentenversicherung stützen können. Natürlich, und dies soll nicht bestritten werden, sichert eine gute Arbeitsmarktlage auch der Deutschen Rentenversicherung höhere Beitragseinnahmen.

Diese Situation war vor der Corona-Pandemie auch gegeben. Auf demografische Verwerfungen in unserer Gesellschaft haben aber auch niedrige Arbeitslosenzahlen keinen Einfluss. Auch das Credo, die betriebliche  Altersversorgung stärken zu wollen, sichert keine grundlegend neuen Erkenntnisse.

So lässt das Wahlprogramm klare Aussagen zur Förderung der betrieblichen Altersversorgung vermissen. Die geplante Verbesserung einer Mitnahme von unverfallbaren Anwartschaften bei einem Arbeitgeberwechsel wird ergebnisoffen formuliert und lässt Vorschläge für die Umsetzung offen.

Für die private, staatlich geförderte Altersvorsorge wird ein erforderlicher Neustart postuliert. Die Schwesterparteien wollen Standardvorsorgeprodukte mit und ohne Leistungsgarantie entwickeln, die ohne Abschluss- und mit niedrigen Verwaltungskosten auskommen sollen.

Wer diese Absicherungsform beraten, Anträge aufnehmen und bearbeiten soll, lässt das Wahlprogramm offen. Interessant ist die Aussage, dass die Schwesterparteien diesen Plan nicht nur auf die Freiwilligkeit der privaten Eigenvorsorge, sondern auch auf einen eventuell verpflichtenden Abschluss einer geförderten privaten Altersvorsorge abstellen.

SPD

Im Wahlprogramm der SPD finden sich vor allem mantraförmige Beschwörungsformeln, die eine Sicherung des derzeitigen Rentenniveaus von 48 Prozent, einen Ausbau der betrieblichen Altersversorgung und – absolut begrüßenswert! – einen Abbau von bürokratischen Hemmnissen bei klassischen privaten Angeboten der Altersvorsorge beinhalten.

Auch die SPD beschwört eine steigende Bedeutung der betrieblichen und der privaten Altersversorgung für die nächsten Jahre und Jahrzehnte; doch leider ohne konkrete Vorschläge, wie dieses Ziel erreicht werden soll.

Die Gretchenfrage

Wie lange kann in unserer überalternden Gesellschaft der Generationenvertrag auf Grundlage einer umlagefinanzierten Rentenversicherung noch erfüllt werden? Die Erkenntnis, dass die Bürger mehr Eigenverantwortung übernehmen müssen, ist wahrlich nicht neu.

Hierfür benötigen wir innovative und schlanke  Versicherungslösungen, aber auch engagierte Vermittler*innen mit einer hohen fachlichen Expertise. In diesem Zusammenhang wäre es nicht nur erfreulich, sondern vielmehr ein zwingendes Gebot der Stunde, dass vor allem auch die Politik unserer Branche die ihr gebührende Wertschätzung entgegenbringt.

Tag für Tag leisten fast 200.000 Vermittler*innen, unterstützt von Mitarbeitern des Innendienstes, bei Gesellschaften und Vermittlerunternehmen einen wichtigen Beitrag bei der Aufklärung, der Vorsorgeberatung und der Ausarbeitung von Vorsorgekonzepten für eine qualifizierte Absicherung ihrer Kunden.

Der Wissenschaftliche Beirat beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hatte in seinem am 07.06.2021 vorgelegten Gutachten die prekäre Situation der gesetzlichen Rentenversicherung auf den Punkt gebracht:

Der Beirat prognostiziert schockartig steigende Finanzierungsprobleme in der gesetzlichen Rentenversicherung ab 2025. Er hält die Kopplung des gesetzlichen  Renteneintrittsalters an die Entwicklung der Lebenserwartung für unumgänglich und macht Vorschläge, wie die populären Haltelinien für Beitragssatz und Rentenniveau zumindest teilweise erhalten werden können.

Eine nachhaltige Absicherung im Alter, aber auch die Versorgung im Fall eines Verlustes der Arbeitskraft, bei Krankheit, bei Pflegebedürftigkeit und der Hinterbliebenen im Todesfall ist, und das steht außer Zweifel, nur mit Unterstützung der privaten Versicherungswirtschaft möglich.

Die Fakten liegen auf dem Tisch. Nun gilt es endlich zu handeln!

 

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