Digitale Wertpapiere: Die Praxis einer neuen Anlageform

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Investoren und Emittenten wird in Kürze eine neue Form der digitalen Geldanlage beziehungsweise der Kapitalbeschaffung zur Verfügung stehen: das Kryptowertpapier.  

Im zweiten Teil dieser Beitragsserie befasst sich Frank Thole, Svenja Brinkmann und Amadeus Maximilian Gryger von der WEPEX Unternehmensberatung mit der Abwicklung von Kryptowertpapieren. Zudem werden Herausforderungen und Use Cases im Zuge der Digitalisierung der Wertpapiere beleuchtet.

I. Die Abwicklung

Während beim Kauf eines verbrieften Wertpapiers Trade und Post-Trade sauber voneinander zu unterscheiden sind, deutet einiges darauf hin, dass der Handel und die Abwicklung bei digitalen Wertpapieren näher aneinanderrücken werden. Das liegt in der Natur der DLT begründet.

Der Trade wird durch ein Zustimmungsverfahren innerhalb des Netzwerks abgeschlossen, in welchem anhand der Transaktionshistorie von den Netzwerkteilnehmern und sonstigen Consensus-Mechanismen (zum Beispiel dem Notary Service von Corda) bestätigt werden muss, dass der Verkäufer die benötigten digitalen Wertpapiere und der Käufer ausreichend liquide Mittel für den Trade besitzt.

Nach Abschluss dieses Konsensverfahrens würde (gegebenenfalls durch Smart Contracts) eine automatische Lieferung der „Stücke“ durch entsprechende Buchungen im
Kryptowertpapierregister erfolgen. Die geänderte Transaktionshistorie würde auf allen Nodes automatisch synchronisiert werden.

Bei einer Spot-Transaktion wären Clearinghaus und auch Zentralverwahrer dann nicht mehr beziehungsweise nicht mehr im gleichen Ausmaß vonnöten, da durch die enge zeitliche Abfolge zwischen Trading, Settlement und Clearing sowie durch die auf allen Nodes gespeicherte Transaktionshistorie das Kontrahentenrisiko entsprechend mitigiert wird.

Anders könnte die Sachlage bei gewissen Termingeschäften sein, bei denen zwischen Trade und Abwicklung die Zeitspanne nicht reduziert würde und somit nach wie vor
Kredit- und Kontrahentenrisiken bestehen.

Auch bei grenzüberschreitenden Geschäften kann die DLT zu einer Vereinfachung bei gleichzeitig erhöhter Sicherheit und verringertem Abstimmaufwand führen.

Erwähnenswert ist auch die kürzlich erfolgreich getestete Abwicklung von DLT-basierten digitalen Wertpapieren in Zentralbankgeld zwischen der Deutschen Börse, der Deutschen Bundesbank, der BaFin und weiteren Marktteilnehmern.

Bei dem Test wurde eine Bundesanleihe mit zehnjähriger Laufzeit emittiert, deren Primär- und Sekundärmarkttransaktionen auf der DLT abgewickelt wurden.

Durch eine sogenannte Trigger-Lösung konnten die DLT-basierten Wertpapiere über einen Transaktionskoordinator in TARGET2, dem Zahlungsverkehrssystem des Eurosystems, abgewickelt werden.

Mit der erfolgreichen Abwicklung wurde gezeigt, dass auch Distributed-Ledger-Technologien mit dem konventionellen Zahlungsverkehr zusammenarbeiten können und eine Abwicklung in Zentralbankgeld schon vor der Einführung von digitalem Zentralbankgeld (CBDC) möglich ist.

Diese Form der Abwicklung könnte sich schon relativ kurzfristig durchsetzen, jedenfalls vor der offiziellen Einführung von CBDC. Somit könnten Kostenersparnisse beim Settlement auch schon ohne CBDC realisiert werden.

II. Die Herausforderungen

Bei allen Vorteilen hinsichtlich des Clearings und des Settlements sind auch datenschutzrechtliche Herausforderungen zu bewerkstelligen. Es ist kryptografisch etwa bislang nicht geklärt, wie die auf allen Nodes gespeicherte Transaktionshistorie DSGVO-konform sein kann.

Des Weiteren ist zu erwarten, dass viele Player im Kampf um die Marktführerschaft ihre eigene DLT-Plattform für digitale Wertpapiere entwickeln werden. Dies birgt das Risiko, dass diese untereinander nicht kompatibel sind und der Markt fragmentiert.

Damit träfe das Gegenteil von dem Grundgedanken der DLT ein: die Reduzierung der involvierten Parteien an sich und des Abstimmaufwands unter diesen. Verschiedene Initiativen versuchen derzeit bereits Marktstandards zu setzen (zum Beispiel HyperLedger, R3 Corda).

Darüber hinaus herrscht gerade im regulatorischen Bereich noch viel Ungewissheit. Zwar wird die Verabschiedung des Gesetzes zur Einführung von elektronischen Wertpapieren zeitnah erwartet. Die technischen Details und Anforderungen an Kryptowertpapierregister dürften aber erst in den noch zu erstellenden  Rechtsverordnungen konkretisiert werden.

Zudem erschweren fehlende Standards (zum Beispiel ISO-Standardisierungen), Best Practices und Unsicherheiten beim Einbezug von aktuellen Regularien (wie zum Beispiel Art. 26 MiFIR, MaRisk, BAIT) den Aufbau von Registern.

III. Abgrenzung zu MiCA und MiFID II

Kryptowertpapiere sind, wie ihr Name bereits verrät, Wertpapiere im aufsichtsrechtlichen Sinne. Somit fallen sie einerseits unter den Anwendungsbereich der MiFID II, andererseits stellen sie aber auch Finanzinstrumente nach KWG dar.

Kryptowerte nach MiCA sind Asset-Referenced Token, E-Money Token, Utility Token und Kryptoassets im weiteren Sinne. All jene sind ausdrücklich keine Wertpapiere im aufsichtsrechtlichen Sinne und unterfallen somit auch nicht der MiFID II.

Kryptoassets im weiteren Sinne und Utility Token sind indes Finanzinstrumente nach KWG. Zu unterscheiden sind zudem Kryptowertpapiere und Security Token. Letztere stellen (digitale) Wertpapiere im aufsichtsrechtlichen Sinne dar und können grundsätzlich durch Eintragung in ein Kryptowertpapierregister in ein Kryptowertpapier umgewandelt werden.

IV. Beispielhafter Anwendungsfall

Ein beispielhafter Use Case für das Kryptowertpapier könnte die Emission einer festverzinslichen Anleihe als Commercial Paper sein (unerheblich, ob prozent- oder stücknotiert, gegebenenfalls auch mit eingebetteten Optionen als Wandelanleihe oder als stücknotiertes Zertifikat).

Die (noch) eingeschränkte Fungibilität aufgrund weniger Marktteilnehmer und mangelnder Börsenzulassung von Kryptowertpapieren könnte für den Emittenten insofern von Vorteil sein, als er eine geringe Handelsaktivität wünscht oder sogar ein Halten des Investors bis zum Auslaufen der Anleihe.

V. Fazit

Kryptowertpapiere als Form des digitalen Wertpapiers sind eine spannende neue Form der Geldanlage, da sie sich sowohl hinsichtlich Emission und Verwahrung als auch im Trade und Post-Trade von verbrieften Wertpapieren unterscheiden können.

Kryptowertpapiere auf DLT-Grundlage bieten diverse Vorteile hinsichtlich Trading, Clearing und Settlement (weniger Intermediäre, verringertes Kontrahentenrisiko, geringe Abwicklungskosten et cetera).

Dabei gilt es zu beachten, dass alle Vorteile bislang größtenteils theoretischer Natur sind und sich in der Praxis erst noch bewähren müssen. Denn nur wenn die Emission und der Handel von Kryptowertpapieren rechtssicher ist, wird sich die neue Anlageform durchsetzen.

Da Kryptowertpapiere nach dem eWpG nicht auf einem geregelten Markt, sondern nur OTC gehandelt werden können, fehlt Transparenz und Rechtssicherheit im Markt.
Es bleibt daher abzuwarten, inwiefern Kryptowertpapiere in der Praxis angenommen werden.

Zudem sind noch einige Herausforderungen zu überwinden (ausstehende konkretisierende Rechtsverordnungen, Datenschutz, Marktfragmentierung) und es bleibt fraglich, ob Start-ups und kleinere Unternehmen die regulatorischen Hürden des Markteintritts überhaupt bewältigen können.

Spannend zu beobachten wird sein, welche konkreten Use Cases sich am Markt etablieren werden und welche Rolle Clearinghäuser und Zentralverwahrer im Hinblick auf DLT und Kryptowertpapiere einnehmen werden.

Auch hinsichtlich DLT-Architektur sind noch viele Fragen offen und es bleibt abzuwarten, welche sich letztlich am Markt etablieren wird.

 

Im ersten Teil dieser Beitragsserie gibt das Autorenteam einen Überblick über den Hintergrund, den Emissionsprozess und die Handelbarkeit von Kryptowertpapieren.

 

 

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