Digitale Wertpapiere – eine neue Anlageform

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Investoren und Emittenten wird in Kürze eine neue Form der digitalen Geldanlage beziehungsweise der Kapitalbeschaffung zur Verfügung stehen: das Kryptowertpapier. Das ist ein digitales Wertpapier, welches im Rahmen der Emission nicht verbrieft, sondern in ein Register für Kryptowertpapiere eingetragen wird.

Im ersten Teil dieser Beitragserie geben Frank Thole, Svenja Brinkmann und Amadeus Maximilian Gryger von der WEPEX Unternehmensberatung einen Überblick über den Hintergrund, den Emissionsprozess und die Handelbarkeit von Kryptowertpapieren. 

I. Zum Hintergrund digitaler Wertpapiere

Deutschland steht kurz vor der Einführung von elektronischen beziehungsweise digitalen Wertpapieren. Ein entsprechender Gesetzentwurf der Bundesregierung wurde im Rahmen ihrer Blockchain-Strategie bereits ins Parlament eingebracht und dürfte in Kürze von diesem verabschiedet werden (eWpG).

Künftig sollen Emittenten von Anleihen und Fondsanteilen auswählen dürfen, ob sie diese konventionell verbriefen oder als elektronisches Wertpapier beziehungsweise
elektronischen Anteilsschein begeben wollen. Aktien sind vom Gesetzgeber zum jetzigen Zeitpunkt hingegen (noch) nicht vorgesehen.

Auch wenn diese Regelung für den deutschen Markt eine Neuerung darstellt, bleibt sie doch im Angesicht der nur auf ausgewählte Emissionen anwendbaren Digitalisierung hinter anderen Ländern zurück.

Frankreich hat seine Wertpapiere schon in den 80er-Jahren komplett digitalisiert, Großbritannien speichert sie seit den 90er-Jahren vollelektronisch in einer zentralen Datenbank und auch die Schweiz lässt seit 2009 elektronische Bucheffekten zu.

II. Der Emissionsprozess

Sofern sich der Emittent einer Anleihe für die Emission als digitales Wertpapier entscheidet, darf er zwischen einer Begebung als sogenanntes Zentralregisterwertpapier oder aber als Kryptowertpapier wählen.

Zentralregisterwertpapiere sind elektronische Wertpapiere, die auf Wirkung des Emittenten in Sammel- oder Einzeleintragung in ein zentrales Register aufgenommen werden.

Das zentrale Register kann dabei entweder von einer Wertpapiersammelbank (Zentralverwahrer) oder einem Verwahrer (Banken mit Erlaubnis zum Betreiben des Depotgeschäfts) geführt werden.

Das Zentralregisterwertpapier wird, analog zum konventionellen Wertpapier, im Effektengiroverkehr verbucht, sofern die registerführende Stelle eine  Wertpapiersammelbank ist, die gleichzeitig als Inhaber des Zentralregisterwertpapiers in Sammeleintragung im zentralen Register eingetragen ist.

In der Praxis dürfte sich daher bezogen auf das Zentralregisterwertpapier nur eine Tatsache entscheidend zum Status quo ändern: Das verbriefte Wertpapier im Tresor des Zentralverwahrers wird gegen eine digital geführte Datenbank in Form des zentralen Registers substituiert.

Die weitaus größeren Unterschiede zum Status quo ergeben sich für Kryptowertpapiere als zweiten Typus des elektronischen Wertpapiers. Hier wird die zu emittierende
Anleihe auf Veranlassung des Emittenten in ein Kryptowertpapierregister aufgenommen.

Das Kryptowertpapierregister muss auf einem fälschungssicheren Aufzeichnungssystem geführt werden, in dem Daten in der Zeitfolge protokolliert und gegen unbefugte Löschung sowie nachträgliche Veränderung geschützt gespeichert werden.

Obwohl die Definition des Kryptowertpapierregisters technologisch offengehalten wurde, dürfte dies zum jetzigen Stand der Technik auf die Nutzung einer Distributed-Ledger-Technologie (DLT) hinauslaufen.

Auch kommen als registerführende Stelle, anders als beim Zentralregisterwertpapier, nicht nur Wertpapiersammelbanken und Verwahrer infrage. Stattdessen obliegt es dem Emittenten selbst, eine registerführende Stelle zu benennen oder die Registerführung selbst zu übernehmen.

Grundsätzlich kann also jede natürliche oder juristische Person die Kryptowertpapierregisterführung übernehmen.

Zu beachten ist jedoch, dass diese künftig als Finanzdienstleistung im Sinne des Kreditwesengesetzes (KWG) gelten wird, woraus sich eine Reihe weiterer Pflichten (zum Beispiel Anfangskapital in Höhe von 730.000 Euro) für potenzielle Registerführer ergeben.

Auch wenn der Gesetzesentwurf das Vorantreiben der Digitalisierung in Deutschland als Hauptgrund für das neue Gesetz angibt, wird Start-ups die Teilnahme durch hohe
finanzielle und regulatorische Anforderungen wie etwa das erwähnte Anfangskapital erschwert.

Das Kryptowertpapier kann, wie auch das Zentralregisterwertpapier, in Sammel- oder Einzeleintragung eingetragen werden.

Für die Sammeleintragung kommen als Inhaber des Wertpapiers dabei lediglich Wertpapiersammelbanken und Verwahrer infrage, für die Einzeleintragung wird eine eindeutig identifizierende Eintragung vorgenommen.

III. Die Handelbarkeit

Kryptowertpapiere in Sammeleintragung nehmen, anders als von einem Zentralverwahrer verwahrte Zentralregisterwertpapiere, gemäß Gesetzentwurf nicht am Effektengiroverkehr teil.

Da für den Handel an einem geregelten Markt, einem multilateralen Handelssystem (MTF) oder einem organisierten Handelssystem (OTF) gemäß Central Securities Depository Regulation (CSDR) aber eine Einbuchung im Effektengiro erforderlich ist, können Kryptowertpapiere nicht an diesen Handelsplätzen getradet werden.

Daraus folgt, dass sie lediglich Over the Counter (OTC) oder, abhängig von den Bestimmungen der jeweiligen Börse, in deren Freiverkehr gehandelt werden könnten.

Durch die eingeschränkte Handelbarkeit erhöht sich auch die Gefahr, dass Kryptowertpapiere am Grauen Kapitalmarkt emittiert werden, auf dem Transparenz
und Anlegerschutz nicht wie auf regulierten Handelsplätzen gewährleistet sind.

Wo und wie der Handel im Sekundärmarkt stattfindet, dürfte auch mit dem Führer des Kryptowertpapierregisters zusammenhängen. So liegt es aufgrund der (zu erwartenden) Ausgestaltung des Kryptowertpapierregisters auf Basis einer (Permissioned) DLT nahe, auch den Handel über die DLT zu organisieren und interessierte Marktteilnehmer (zum Beispiel Broker) als Knotenpunkt (Node) aufzunehmen.

Als Distributed Ledger wird eine dezentrale Datenbank bezeichnet, die Nodes des Netzwerks eine gemeinsame Schreib- und Leseberechtigung erlaubt und bei der ohne eine zentrale Instanz neue Einträge in der Datenbank vorgenommen werden können.

Bei Kryptowertpapieren würde das bedeuten, dass auf jedem Node die jeweilige Eigentums- und Transaktionshistorie gespeichert ist.

Der Kryptowertpapierregisterführer würde in diesem dezentralen Netzwerk lediglich als Gatekeeper fungieren, der auf Grundlage von ihm aufgestellter Regeln festlegt, welcher Marktteilnehmer sich für die Aufnahme in das Permissioned Distributed Ledger als Node qualifiziert und somit am Handel der Kryptowertpapiere teilnehmen darf.

Dabei ermöglicht die DLT mangels Notwendigkeit einer zentralen Instanz wie einer Börse einen direkten Handel zwischen den verschiedenen Knotenpunkten zur  Eintragung von Transaktionen in der Datenbank.

Dabei würden die Kryptowertpapiere, vereinfacht ausgedrückt, über die Private Keys für die Übertragung freigeschaltet und im Anschluss mittels Public Keys übertragen werden.

Ein Handel von digitalen Wertpapieren über eine Blockchain als zugrunde liegende Technologie, die im Regelfall eine Unpermissoned DLT (mit grundsätzlich in der Anzahl unbegrenzten Nodes) darstellt, dürfte in der Praxis aufgrund des rechnerisch deutlich aufwendigeren Konsensverfahrens gegenüber einer Permissioned DLT nicht erfolgen.

 

In Teil 2 dieser Beitragsserie wird sich das Autorenteam mit der Abwicklung von Kryptowertpapieren befassen. Zudem werden Herausforderungen und Use Cases im Zuge der Digitalisierung der Wertpapiere beleuchtet.