GKV-Spitzenverband für Reformen: „Positionen für die 20. Legislaturperiode 2021 – 2025“

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Die gesetzliche Krankenversicherung versichert und versorgt 73 Millionen Menschen in diesem Land. Das sind 90 Prozent der Bevölkerung. Mit Blick auf die Sicherung und Weiterentwicklung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung dieser Menschen hat der Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes seine „Positionen für die 20. Legislaturperiode 2021 – 2025“ beschlossen.

Die Solidarität der gesetzlichen Krankenversicherung unterscheide nicht nach Alter, Geschlecht, Geldbeutel, Hautfarbe oder Religion. Alle gemeinsam seien die gesetzliche Krankenversicherung. Doch das deutsche Gesundheitswesen stehe vor gewaltigen Herausforderungen.

Die Corona-Pandemie habe noch einmal verdeutlicht, wie dringend der strukturelle Reformbedarf bei den Krankenhäusern und wie erschreckend wenig entwickelt die Digitalisierung in vielen Bereichen der Patientenversorgung sei, so Verwaltungsratsvorsitzender Uwe Klemens:

„In manch einer Arztpraxis wird nach wie vor gefaxt statt gemailt. Nachdem die Politik in den letzten Jahren sehr großzügig mit dem Geld der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler, welches als Rücklagen bei den Krankenkassen und im Gesundheitsfonds lag, umgegangen ist, steht der Gesundheitsfonds nun vor einem gewaltigen Finanzierungsproblem. Wir brauchen eine Rückkehr zu einer vorausschauenden Gesetzgebung, die auch die mittel- und langfristigen finanziellen Folgen in den Blick nimmt. Die künftige Bundesregierung steht vor einer großen Reformaufgabe. Schon heute möchten wir sie darin bestärken, die Reformen mutig anzugehen.“

Die soziale Mitbestimmung in der Gesundheitsversorgung sei ein Grundpfeiler der deutschen Demokratie. Vertreterinnen und Vertreter von Arbeitgebenden und Versicherten würden gemeinsam über die grundlegenden Rahmenbedingungen der gesetzlichen Krankenversicherung entscheiden.

Das konstruktive Miteinander von Kliniken, Ärzteschaft, Heilmittelerbringenden und vielen weiteren Akteuren in der sozialen und der gemeinsamen Selbstverwaltung habe es möglich gemacht, dass das Gesundheitswesen bisher so gut durch die Pandemie gekommen sei, so Dr. Volker Hansen, alternierender Verwaltungsratsvorsitzender:

„Jetzt ist es Zeit, die Lehren daraus zu ziehen und die Finanzverantwortung wieder dahin zu geben, wo sie hingehört: Es kann nicht sein, dass die gesetzliche Krankenversicherung mit Beitragsgeldern Aufgaben der Pandemiebekämpfung, wie beispielsweise die Schaffung zusätzlicher Intensivbetten in den Kliniken, finanzieren muss. Es braucht wieder eine klare Finanzverantwortung bei denjenigen, die für eine Aufgabe originär die Verantwortung tragen.“

Positionen für die 20. Legislaturperiode 2021 – 2025

Lehren ziehen und Selbstverwaltung stärken

Mit der Corona-Pandemie haben sich gewaltige Herausforderungen für unsere Gesellschaft und insbesondere für das Gesundheitswesen und die Pflege ergeben. Dabei stand und steht die Sicherstellung der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung auch unter größtem Zeitdruck stets im Mittelpunkt unseres Handelns. Insgesamt konnte mit flexiblen Anpassungen eine stabile Versorgung gewährleistet werden.

Hier haben sich die Stärken eines selbstverwalteten Gesundheitswesens gezeigt, das in den unterschiedlichen Phasen des Pandemieverlaufs seine Leistungsfähigkeit mit reaktionsschnellen und praxisnahen Lösungen unter Beweis gestellt hat.

Die Kranken- und Pflegekassen haben essenziell zur Bewältigung der Corona-Pandemie beigetragen. In der neuen Legislaturperiode müssen die soziale und die gemeinsame Selbstverwaltung daher wieder gestärkt werden. Die in der Vergangenheit zum Teil massiven staatlichen Eingriffe in die Entscheidungskompetenzen müssen zurückgenommen werden.

Bundesgarantie zur Bewältigung der Pandemiefolgen

Zur Vermeidung steigender Zusatzbeitragssätze ab dem Jahr 2022 – und damit zugleich zur Stabilisierung des Beitragssatzniveaus der Sozialversicherung insgesamt – muss der Bund den krisenbedingt erhöhten Finanzbedarf des Gesundheitsfonds für das Jahr 2022 durch ergänzende Bundesmittel von voraussichtlich 18 Mrd. Euro ausgleichen. Die zum Ende der Legislaturperiode beschlossenen Maßnahmen bilden eine gute Grundlage zur Sicherstellung eines stabilen Zusatzbeitragssatzniveaus auch im Jahr 2022. Dies kommt auch der weiteren konjunkturellen Entwicklung in Deutschland zugute.

Ordnungspolitisch klare Zuweisung von Aufgaben- und Finanzierungsverantwortung

Im Interesse der Beitragszahlenden ist es dringend erforderlich, die finanzielle Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) und der sozialen Pflegeversicherung (SPV) im Blick zu behalten. Mit der jüngeren Gesetzgebung wurden pandemiebedingte Mehrausgaben teilweise auf GKV und SPV abgewälzt.

Zwar hat der Bund einen wichtigen Beitrag geleistet, weil er zum Beispiel den Krankenhäusern den Leerstand in der ersten Phase der Corona-Pandemie finanziert hat. Grundsätzlich sind gesamtgesellschaftliche Aufgaben im Rahmen des Bevölkerungsschutzes aber vollständig aus Steuermitteln zu finanzieren.

Reform der Versorgungslandschaft notwendig

Schon vor der Pandemie bestand die Notwendigkeit zur Reform der Versorgungslandschaft. In der Pandemie sind die Schwächen und Defizite deutlich zutage getreten. Dabei wurden Reformnotwendigkeiten und Entwicklungstrends wie im Zeitraffer offenkundig. Dies gilt auch für die Krankenhausversorgung.

Zwar haben die Krankenhäuser schnell reagiert und sich an die Erfordernisse der Pandemie angepasst. Der Aufbau von Intensivkapazitäten wurde aus den Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) finanziert. Analysen des Versorgungsgeschehens zeigen, dass die Versorgung der COVID-19-Patientinnen und -Patienten sich vor allem auf größere Kliniken konzentrierte.

Die Verteilung der Finanzmittel ist vor diesem Hintergrund kritisch zu hinterfragen. Eine Bestätigung für die bestehenden Krankenhausstrukturen lässt sich aus dieser Erfahrung nicht ableiten. Im Gegenteil: Im Krankenhausbereich bestehen nach wie vor Überkapazitäten in Ballungsgebieten und ein hohes Ambulantisierungspotenzial.

Weil für gute Behandlungsergebnisse nicht die Nähe, sondern die Ausstattung von Krankenhausstandorten ausschlaggebend ist, besteht die Notwendigkeit einer Reform hin zu mehr Zentralisierung, Spezialisierung und Kooperation.

Sektorendenken beenden

Auch die Sektorengrenzen vor allem zwischen ambulanter und stationärer Versorgung erweisen sich weiterhin als ein Hindernis für Patientinnen und Patienten. Die Pandemie untermauert die Notwendigkeit einer populationsorientierten Planung der Versorgungsstrukturen. Gestufte und vernetzte Behandlungsstrukturen sind dabei zu stärken. Nicht zuletzt muss die Qualität der gesundheitlichen Versorgung einen größeren Stellenwert bei der Planung und der Vergütung erhalten.

Einnahmensicherung durch Strukturreformen flankieren

Der Gesetzgeber ist nicht nur aufgefordert, die Einnahmenseite der gesetzlichen Krankenversicherung zu stärken. Gleichzeitig ist die ungebremste Ausgabendynamik zu stoppen. Über Jahrzehnte versäumte strukturelle Reformen auf der Angebotsseite sind anzugehen, um bestehende Ineffizienzen in der Leistungserbringung zu beseitigen. Zukünftig dürfen ausgabensteigernde Reformmaßnahmen nur zur Verbesserung der gesundheitlichen Versorgung (Struktur, Qualität, Leistungen) erfolgen.