Online-Versicherungsabschluss auf dem Weg zum New Normal?

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Der Vertragsabschluss beim Versicherungsvertreter hat seit 2015 kontinuierlich an Bedeutung verloren lautet das Ergebnis der EY Innovalue Digitization Study 2020. So schlossen nur noch 24 Prozent der befragten Endkunden im Jahr 2020 ihre Versicherungsverträge über Vermittler*innen ab. Das ist im Vergleich zum Jahr 2015 ein Rückgang von 13 Prozentpunkten.

Versicherungsvertreter sind damit nicht mehr der wichtigste Abschlusskanal. Johannes Schmidt, Director bei EY Innovalue, sagt:

„Besonders Ausschließlichkeitsorganisationen und Einfirmenvermittler sind zum Umdenken gezwungen. Die persönliche Beratung vor Ort rückt immer weiter in den Hintergrund. Digitale Beratungs- und Abschlussmöglichkeiten werden immer wichtiger – und das nicht erst seit COVID-19.

Wer auch künftig von der modernen Customer Journey profitieren möchte, muss sich weiterentwickeln. Die aktuelle COVID-19-Pandemie unterstreicht die Notwendigkeit, zügig und zielorientiert in Möglichkeiten der digitalen Kundeninteraktion zu investieren – ohne dies geht es nicht mehr.“

Pure Online Journey auf dem Vormarsch

Im Jahr 2020 ist erstmals die reine Online Customer Journey die häufigste Customer Journey. Die meisten Kunden haben sowohl in der Informations-, Entscheidungs- und Abschlussphase digitale Kanäle und Medien genutzt. Im Vergleich dazu war die Abschlussphase im Vorjahr noch fest in der Hand der Versicherungsvertreter.

Johannes Schmidt, Director, EY Innovalue

Insbesondere Webseiten der Versicherer genießen immer mehr Aufmerksamkeit. 27 Prozent der Befragten kauften 2020 Versicherungen über die jeweiligen Online-Auftritte der Versicherer. Die klassische Offline Journey verliert hingegen an Beliebtheit. Während 2017 noch 42 Prozent der Endkunden ausschließlich Offline Vertragsabschlüsse tätigten, waren es 2020 nur noch 36 Prozent.

Johannes Schmidt sagt: „Die Tatsache, dass nun im letzten Jahr erstmals Online Kanäle durchschnittlich häufiger genutzt wurden, ist oberflächlich auf die Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen während der COVID-19-Pandemie zurückzuführen, die größtenteils persönliche Formen der Vor-Ort-Interaktion unterbunden haben.

Der Trend in Richtung digitaler Journeys ist jedoch viel fundamentaler und findet auch unabhängig von COVID-19 statt.

Die Pandemie wirkt vielmehr als ein Beschleuniger der ohnehin stattfindenden Transformation der Branche.“

Komplexität der Verträge beeinflusst Customer Journey

Die Komplexität der Versicherungsprodukte beeinflusst die Online- beziehungsweise Offline-Aktivität der Kunden insbesondere in der Abschlussphase. So werden Lebens- und Krankenvollversicherungen wegen ihrer Langfristigkeit und Komplexität noch deutlich häufiger über einen Vermittler abgeschlossen.

Sach- und insbesondere Kfz-Versicherungen, die weniger erklärungsbedürftig sind, werden von Endkunden zunehmend direkt über die Anbieter-Plattform abgeschlossen.

Vergleichsportale und Versicherer-Webseiten sind beliebteste Kanäle

Die Studie hat zudem die Online- beziehungsweise Offline-Aktivitäten und die Häufigkeit der genutzten Kanäle und Medien untersucht. Ergebnis ist: Der durchschnittliche Versicherungskunde ist ausschließlich in der ersten Phase der Customer Journey, der Awareness-Phase, offline unterwegs.

Für 20 bis 30 Prozent der Befragten bieten eigene Erlebnisse oder Erfahrungen aus dem persönlichen Umfeld maßgebliche Gründe für den Abschluss eines Versicherungsprodukts. Darauf folgt der Versicherungsvertreter als zweitwichtigster Auslöser (ca. 15 Prozent).

Social-Media-Kanäle und Online-Werbung beeinflussen die Awareness-, Informations- und Entscheidungsphase hingehen nur marginal.

Junge Kunden verlassen sich deutlich mehr auf Suchmaschinen

In den darauffolgenden Informations-, Entscheidungs-, Abschluss- und Nachkaufphasen nutzen Endkunden vermehrt digitale Medien und Kanäle. In der Informationsphase greifen über 30 Prozent der Befragten auf Vergleichsportale und 25 Prozent auf Webseiten der Versicherer und Suchmaschinen zurück. In der Kanalnutzung sind dabei durchaus Unterschiede zwischen den Generationen feststellbar.

So werden Vergleichsportale beispielsweise von 34 Prozent der jungen Kunden und 31 Prozent der älteren Kunden genutzt. Junge Kunden verlassen sich in der Informationsphase zudem deutlich mehr auf Suchmaschinen (38 Prozent) und das persönliche Umfeld (22 Prozent) als ältere Kunden (20 Prozent beziehungsweise 8 Prozent).

 

Nachkauf geschieht meist über Versicherer-Webseiten

Der mit Abstand beliebteste Kanal in der Entscheidungsphase ist mit 30 Prozent Nutzung das Vergleichsportal. Hierauf folgen Webseiten der Versicherer. Beide Kanäle werden auch zum Abschluss einer Versicherung genutzt, jedoch in umgekehrter Beliebtheit. Hier nutzen 27 Prozent der Befragten die Webseiten und 15 Prozent schließen Verträge über Vergleichsportale ab.

Auch die letzte Phase der Customer Journey, der Nachkauf, erfolgt meistens über die Versicherer-Webseiten selbst (über 30 Prozent), gefolgt von Vertretern (ca. 10 Prozent).

Abschlüsse: Online-Vergleichsportale vs. Vermittler

Die Studie hat zudem die Korrelation zwischen der Nutzung von Online-Vergleichsportalen und Abschlüssen bei Vermittlern untersucht. Ergebnis ist: Nutzen Kunden ausschließlich Online-Vergleichsportale bei der Informationssuche, so ist die Wahrscheinlichkeit, dass sie bei einem Vermittler abschließen mit 17 Prozent sehr gering.

Werden hingegen neben Online-Vergleichsportalen auch weitere Kanäle genutzt, steigt der Vermittleranteil beim Abschluss immerhin auf 38 Prozent. Die besten Chancen hat der Vermittler, wenn kein Vergleichsportal verwendet wird. In diesem Falle steigt die Abschlusswahrscheinlichkeit bei ihnen auf knapp 50 Prozent.

 

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