Recyclingbetriebe versichern – ein brandgefährliches Thema?

Wirtschaftsentwicklung und Konsum stehen in engem Zusammenhang mit der zunehmenden Müllmenge. Bereits ein/-e Verbraucher/-in produziert in Deutschland durchschnittlich etwa 463 Kilogramm Haushaltsabfall. Lediglich circa 148 Kilogramm davon sind Wertstoffe und somit Verpackungsmüll.

Haushaltsabfälle, Verpackungen, Bauschutt, Schrott, Sonderabfall, Kunststoffabfälle – die Liste der Abfälle, die bei Schrotthändlern und Recycling- und Entsorgungsbetrieben landet, kann um ein Vielfaches verlängert werden. Dementsprechend sind die Risiken der Unternehmen im Bereich der Abfallwirtschaft sehr spezifisch und müssen individuell identifiziert, analysiert und bewertet werden.

Die Hübener Versicherungs AG aus Hamburg hat sich auf diese Anforderungen spezialisiert. Dietmar Linde, Vorstand Vertrieb/Betrieb, erläutert im Interview, worauf bei dieser Zielgruppe zu achten ist.

Herr Linde, wie dürfen wir uns einen klassischen Recyclingbetrieb vorstellen?

Wie im wahren Leben, so gibt es auch bei Recyclingbetrieben bunte Vielfalt. Den typischen Betrieb gibt es ganz sicher nicht. Bei den von uns versicherten Betrieben haben wir welche mit 200.000 Euro genauso wie mit 50 Millionen Euro Versicherungssumme.

Die Betriebsarten reichen von einfachen Umschlagbetrieben mit manueller Sortierung bis hin zu sehr spezialisierten Firmen, die zum Beispiel Kaffeekapseln vollautomatisch recyceln. Dabei benötigt jeder Stoffstrom anderes Know-how aufseiten der Recycler. So haben Kunden von uns beispielsweise mannshohe Trommelsiebe im Einsatz, andere nutzen Roboter zur Trennung der Materialien.

Wie schnell ändern sich die Rahmenbedingungen für die Betriebe, zum Beispiel durch die Zunahme von recycelbaren Materialien?

Das, was wir beobachten, ist, dass sich die Rahmenbedingungen für die Betriebe laufend ändern. Dies liegt allerdings weniger an der Zunahme von recycelbaren Materialien. Wesentlich sind die politischen Anforderungen. Hier sind Recyclingquoten, Umweltschutz, Lärmemission, Handelsverbote und Anwohnerinteressen die wesentlichen Punkte.

Das  sind tatsächlich auch Punkte, die indirekt auf das Feuerversicherungsrisiko strahlen. Neben diesen Aspekten gibt es  natürlich auch Unternehmen, die sich mit neuen Recyclingansätzen beschäftigen. So haben wir vermehrt Anfragen von  Betrieben, die mittels Pyrolyse aus Altreifen oder auch Kunststoffen Öl herstellen.

Wie beschreiben Sie den Bedarf für eine umfassende Absicherung dieser Zielgruppe?

Recyclingunternehmen haben versicherungstechnisch vielfältigen Bedarf. Haftpflichtschutz für Umweltschäden und die Absicherung des Fuhrparks sind sicherlich zwei wichtige. Im Bereich der Feuerversicherung kommt zu der  wirtschaftlichen Bedeutung auch noch das knappe Angebot im Versicherungsmarkt hinzu.

Genau an dieser Stelle kommt  wann die Hübener Versicherung ins Spiel. Als Spezialversicherer sind wir in Bereichen unterwegs, bei denen der  Versicherungsmarkt kein oder nur ein sehr eingeschränktes Angebot macht.

Wie dürfen wir uns eine umfassende Erstanalyse in Verbindung mit dem Gefährdungspotenzial vorstellen?

Die Versicherung von Recyclingunternehmen ist sicherlich heute noch nicht internetgeeignet. Insbesondere wenn man, wie Hübener, lösungsorientiert auf die Kunden zugeht. Im ersten Schritt benötigen wir verschiedene Risikoinformationen zu den Bereichen Versicherungswerte, Betriebsprozesse, gelagerte beziehungsweise verarbeitete Fraktionen und  Brandschutzvorkehrungen.

Basierend auf diesen Informationen, zusammen mit aktuellen Fotos und einer intensiven  Internetrecherche, erstellen unsere spezialisierten Underwriter ein Angebot. Zusammen mit dem regelmäßig involvierten  Versicherungsmakler wird dann bedarfsweise eine Anpassung vorgenommen.

Letztlich ist festzuhalten, dass die von uns versicherte Gefahr Feuer risikobestimmend ist. Andere Sachgefahren, wie Einbruchdiebstahl, Leitungswasser,  Sturm/Hagel und Elementar, spielen bei der Betriebsart weder für den Kunden noch für den Versicherer eine wesentliche  Rolle. Spätestens nach der Eindeckung erfolgt dann eine persönliche Begehung der Betriebsstätte.

Nicolas Hübener, Gründer und Vorstandsmitglied, Hübener Versicherungs AG

Die Brandgefahr ist neben vielen weiteren demnach ein großes Risiko. Welche Präventionsmaßnahmen sind in Ihren Augen unverzichtbar?

Wir gehen an das Thema Präventionsmaßnahmen mit einem anderen Ansatz ran. Unser Gründer, Nico Hübener, hat die Aussage geprägt: „Das Risiko ist nicht das Problem.“ Dem folgend ist Versicherung eine Ausbalancierung von Prävention, Prämie, Bedingungswerk und Selbstbehalt.

Insofern setzen wir nicht darauf, dass der Kunde ab einer Versicherungssumme X bestimmte technische Brandschutzeinrichtungen vorhalten  muss. Für uns entscheidend ist, dass wir während der Angebotserstellung und  später in der laufenden Kundenbeziehung das Gefühl haben, dass der Kunde sich seines  Risikos bewusst ist. Dies äußert sich in aller Regel durch einen vorbildlichen  organisatorischen Brandschutz. Hierzu zählen wir Reinigungsintervalle, Lagerabstände,  Instandhaltung und Mitarbeiterschulung.

Welche weiteren Versicherungsbereiche sind für Entsorgungs- und Recyclingunternehmen von elementarer Bedeutung?

Wie bereits weiter oben schon kurz angerissen, ist neben der Feuerversicherung sicherlich die Absicherung des Fuhrparks und der Umweltrisiken wesentlich. Aber auch über eine Unfallversicherung sollten die Betriebe nachdenken, da es im  Zusammenhang mit Gabelstaplern, Radladern und den schweren Zerkleinerungsmaschinen immer wieder zu schweren Unfällen auf den Betriebshöfen kommt. Um die Attraktivität als Arbeitgeber zu steigern – es gibt einen massiven  Fachkräftemangel in der Recyclingsbranche –, kommt der Altersvorsorge eine Bedeutung zu.

Apropos Leistungsversprechen: Wie transparent und verständlich können Sie das Bedingungswerk halten?

Für den Kunden sollte wesentlich sein, dass der Versicherer für den Schaden einsteht, wenn sich der Kunde an seine Pflichten gehalten hat. Mit Blick auf die Schwere des Risikos ist aus unserer Sicht ein Versicherungsprodukt auf Basis benannter Gefahren in Verbindung mit entsprechenden Klauseln angemessen.

Grob fahrlässig verursachte Schäden  mitzuversichern, wäre bei einer Betriebsart wie Recycling, für den Versicherer nicht wirtschaftlich möglich.  Beispielsweise muss ein beschädigter, bereits deformierter Lithium-Akku zwingend separiert werden, da dieser in Verbindung mit den üblicherweise vorhandenen Brandlasten zu großen Feuerschäden führen kann.

Welches Know-how muss ein Versicherungsvermittler besitzen, um diese Betriebe professionell beraten zu können?

Neben dem allgemeinen Versicherungswissen sollte sich auch hier der Vermittler mit der Betriebsart beschäftigen. Dabei gilt es, technische Zusammenhänge und die daraus resultierenden Gefahren zu erfassen. Insbesondere bei der Feuerversicherung kommt dem Versicherungsmakler nicht die Rolle zu, die Verträge jedes Jahr neu auszuschreiben.  Dafür gibt es ohnehin kein Angebot.

Wichtig ist allerdings, den Kunden in Bezug auf eine Weiterentwicklung des betrieblichen Brandschutzstandards zu begleiten. Ebenso wichtig ist es, die Versicherungsanforderungen immer wieder mit dem Kunden durchzugehen, damit ihm diese bewusst sind.

Wie können Risiken gesenkt werden, auch mit Blick auf die Prämienhöhe?

Eine ganz nützliche Maßnahme wäre der bauliche Brandschutz. Hierbei meinen wir nicht Brandwände, sondern  tatsächlich die Aufteilung der Versicherungswerte auf viele Gebäude, die mit großem Abstand zueinander errichtet sind. Die Realität zeigt allerdings, dass auf vorhandener Fläche eine immer höhere Wertekonzentration stattfindet.

Um in dieser Konstellation das Risiko zu senken, bietet sich die Investitionen in technischen Brandschutz an. Eine Brandmeldeanlage ist dabei nicht ausreichend. Das schnellere Eintreffen der Feuerwehr reicht nicht, da sich ein Entstehungsbrand bei den gelagerten Stoffen innerhalb weniger Minuten zu einem Vollbrand ausweitet.

Nützlicher sind da zum Beispiel Funken-Löschanlagen von GreCon, die direkt die Zündquelle detektieren, die Anlage stoppen und ablöschen. Umfänglichsten Schutz bieten dann beispielsweise Löschkanonen der Firma Rosenbauer in Verbindung mit thermischer Detektion.

Welche Systeme für den jeweiligen Betrieb sinnvoll sind und in welchem Maße diese auch die Prämienhöhe bestimmen, ist individuell zu betrachten. Jedem Kunden ist ein Mitarbeiter fest zugeordnet. Damit stellen wir sicher, dass dieser den Betrieb gut kennt und entsprechend individuell unterstützen kann.

Wie unterstützen Sie Partner in der Kundenberatung?

Unsere zentral in Hamburg befindliche Betriebsabteilung steht dem Versicherungsmakler für seine Fragen zur Verfügung. Jedem Kunden ist ein Mitarbeiter fest zugeordnet. Damit stellen wir sicher, dass dieser den Betrieb gut kennt und entsprechend individuell unterstützen kann.

Bezogen auf den Kunden erfolgt bei jedem Recyclingunternehmen eine Betriebsbesichtigung durch einen Mitarbeiter aus unserem Bereich Risk Engineering. Bei diesem Termin geht es um den Abgleich von tatsächlichem Risiko mit dem Versicherungsvertrag und eine mögliche Adjustierung.

Zudem wirken unsere Kollegen als Brandschutz-Coach. Sie besprechen mit dem Kunden konkrete Maßnahmen zur Verbesserung des Brandschutzes und geben auch darüber hinausgehende Empfehlungen zur Optimierung.

Herr Linde, vielen Dank für das aufschlussreiche Gespräch.

 

Bilder: (1–2) © Hübener Versicherungs AG