Umsatzsteuerbetrug kostet Deutschland Milliarden

Umsatzsteuerbetrug kostet Deutschland Milliarden
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Die Covid-19-Pandemie verursacht laut einer Anfrage des Linken-Fraktionsvorsitzenden Dietmar Bartsch an das Finanzministerium (BMF) bis Ende 2021 voraussichtlich Kosten in Höhe 1.446 Billionen Euro.

Trotz der wirtschaftlichen angespannten Situation hat ein Bericht des Bundesrechnungshofs (BRH) kürzlich aufgedeckt, dass der Staat Umsatzsteuereinnahmen in Milliardenhöhe versickern lässt. Der BRH wirft dem von Kanzlerkandidat Olaf Scholz (SPD) geführten BMF deshalb vor, keinerlei Erfolg bei der Bekämpfung des Umsatzsteuerbetrugs nachweisen zu können.

Auch die Kommission der Europäischen Union (EU) hat einen Bericht veröffentlicht, laut dem den Mitgliedsstaaten durch Betrug ein Drittel der Umsatzsteuereinnahmen entgeht. In der Regel erfolgt dies dadurch, dass Unternehmen keine Umsatzsteuer bezahlen, sich aber Vorsteuer vom Finanzamt erstatten lassen.

Recherchekooperation Grand Theft Europe 2019

Auch Ergebnisse der europaweiten Recherchekooperation Grand Theft Europe 2019 belegen, dass Deutschland pro Jahr Umsatzsteuereinnahmen in zweistelliger Milliardenhöhe verliert. Ein Großteil dieses Geldes fließt an die organisierte Kriminalität. Ein weiteres Problem sind aber auch Unternehmen, die unabsichtlich nicht ihre volle Umsatzsteuer an die Finanzämter entrichten. Laut Steuerexperten ist die Hauptursache dafür eine mangelhafte Buchführung zum Beispiel mit schlecht gepflegten Excellisten. Abhilfe schaffen können hier spezielle Tools wie FastBill, die die Buchhaltung auch für Laien vereinfachen und dadurch Fehler bei der Umsatzsteuervoranmeldung verhindern.

Besonders kritisch ist laut der Recherchekooperation Grand Theft Europe das fehlende Problembewusstsein des BMF, das das Ausmaß des Umsatzsteuerbetrugs kaum einschätzen kann. Laut Kay Scheller, Präsident BRH „läuft Deutschland die Gefahr, komplett den Anschluss zu verpassen.“ Wie Scheller erklärt, darf das BMF deshalb keine Zeit mehr bei der Einführung zeitgemäßer und effektiver Maßnahmen verlieren.

Rückschritte in der Betrugsbekämpfung?

Umsatzsteuerbetrug existiert in der EU bereits seit der Einführung des aktuellen Mehrwertsteuersystems im Jahr 1993. Laut einer Analyse des BRH, die die Maßnahmen des BFM in den letzten Jahren untersucht hat, gab es statt Fortschritte in der Betrugsbekämpfung in Deutschland sogar Rückschritte.

Anzeichen dafür liefern laut dem BRH bereits die beim BFM nicht vorhandenen Daten über die Höhe der Umsatzsteuerausfälle und aufgedeckte Betrugsfälle. Obwohl das Problem seit 27 Jahren bekannt ist, wurde es laut dem Bericht des BRH „bis heute nicht empirisch untersucht.“ Auch der zweijährigen Informationspflicht des Bundestags über den Status der Betrugsbekämpfung ist das BMF in den letzten Jahren nicht nachgekommen.

Konkret erwähnt der Bericht „Vollzugsmängeln, strukturellen Defizite, sowie Rückschritte bei der Betrugsbekämpfung“ seitens des BFM. Auch Vorschläge des BRH soll das BFM entweder abgelehnt oder nicht effizient umgesetzt haben. Insgesamt sind laut dem obersten Finanzkontrolleur die Maßnahmen zur Bekämpfung des Steuerbetrugs „veraltet.“ Trotz der ausbleibenden Erfolge hat das BFM sie aber nicht verbessert.

Betrugsbekämpfung ist zeitsensitiv

In der Regel geht Umsatzsteuerbetrug von neu gegründeten Unternehmen aus, die vorgeben hohe Umsätze zu generieren und sich für diese die Vorsteuer erstatten lassen. Nach einigen Monaten verschwinden die auffälligen Unternehmen dann wieder. Bei der Erkennung sogenannter Umsatzsteuerkarusselle haben Steuerfahnder deshalb nur wenige Monate Zeit.

Eigentlich wurde deshalb eine Sonderregelung eingeführt, die vorsieht, dass bei Neugründungen innerhalb der ersten zwei Jahre monatlich eine Umsatzsteuer-Voranmeldungen abgegeben werden muss. Diese Maßnahme zur Betrugsbekämpfung wurde aufgrund des hohen Bürokratieaufwands in Deutschland für die Jahre 2021 bis 2026 aber ausgesetzt. Experten rechnen deshalb in den kommenden Jahren mit einer weiteren Zunahme von Umsatzsteuerkarussellen.

Außerdem bemängelt der BRH in seinem Bericht die geringe Anzahl an Sonderprüfungen. 2007 berechnete der BRH, dass eine Sonderprüfung im Mittel nur alle 50 Jahre erfolgt. Das BMF hatte deshalb angekündigt, die Prüfungsquote deutlich zu erhöhen. Im neuen Bericht kommt der BRH trotz der Ankündigung des BFM zu dem Ergebnis, dass eine Sonderprüfung im Mittel nur alle 71 Jahre erfolgt.

Keine Teilnahme am Frühwarnsystem der EU

Neben den Mängeln in der lokalen Betrugsbekämpfung hat der BRH auch Probleme bei der Zusammenarbeit mit ausländischen Behörden aufgedeckt. Der europaweit stattfindende Karussellbetrug ist demnach vor allen so erfolgreich, weil die Steuerfahndung innerhalb der EU keine technischen Möglichkeiten für einen schnellen Datenaustausch haben.

Es existiert zwar ein Frühwarnsystem auf europäischer Ebene, die Bundesregierung wollte daran anfangs aber nicht teilnehmen. Als Grund dafür nannte Deutschland als einziges EU-Mitglied Datenschutzbedenken. Seit Mitte 2019 haben die deutschen Steuerbehörden zwar offiziell Zugriff auf das sogenannte TNA-Instrument, das die Kooperation in der Betrugsbekämpfung mit anderen Behörden ermöglicht, laut dem BRH wird es aber in der Praxis noch immer nicht verwendet. Die Autoren des Berichts schätzen, dass eine Einführung erst in drei bis vier Jahren erfolgt.

Umsatzsteuerbetrug im Internet

Der BRH warnt außerdem davor, dass der Umsatzsteuerbetrug sich zunehmend ins Internet verlagert. Konzepte des BFM wie die „Steueroase Internet“ bekämpft werden soll, existieren bisher ebenfalls nicht. Gefordert werden vom BRH technische Möglichkeiten, die eine digitale Echtzeitüberwachung bieten.