Die Berufsunfähigkeits-Direktversicherung, Teil 2

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Im zweiten Teil des Beitrags geht Alexander Schrehardt von AssekuranZoom auf den dritten und vierten Aspekt für die Beratung ein: die Haftungsfallen sowie steuer- und sozialrechtliche Fragen.

Aspekt 3: Vorsicht Fallen

Die Haftungsfalle: Vertragliche Erschwernisse

Vor allem in kleinen Unternehmen mit zwei oder drei Arbeitnehmern können BU-Direktversicherungen unter Umständen nur einzelvertraglich eingerichtet werden. Sofern dann aufgrund von Vorerkrankungen eines Arbeitnehmers vertragliche Erschwernisse, zum Beispiel ein Leistungsausschluss für Erkrankungen der Atemwege und Folgen, vereinbart werden, muss der Arbeitgeber diese Leistungsausschlüsse auch in seiner Versorgungsordnung berücksichtigen.

Nehmen wir einmal an, dass der Arbeitnehmer Max Mustermann bei der Beantwortung der Gesundheitsfragen chronische Rückenbeschwerden angibt und der Versicherer für diesen Vertrag einen Leistungsausschluss für Erkrankungen der Wirbelsäule und Folgen erklärt.

Zwei Jahre nach Einrichtung der BU-Direktversicherung erleidet der Arbeitnehmer einen multiplen Bandscheibenvorfall und fordert seine betriebliche Invaliditätsrente ein.

Der Anspruch des Arbeitnehmers richtet sich gegen seinen Arbeitgeber. Eine Leistungszahlung des Versicherers ist aufgrund der vertraglichen Ausschlusserklärung nicht zu erwarten. Sofern der Arbeitgeber eine lückenhafte Versorgungsordnung hat, kann ihm dies teuer zu stehen kommen.

Hier stellt sich allerdings die Frage nach der Gleichbehandlung von Arbeitnehmern. Wird ein Arbeitnehmer, für dessen BU-Direktversicherung ein vertraglicher Leistungsausschluss vereinbart wurde, gegenüber anderen Arbeitnehmern mit BU-Direktversicherungen ohne vertragliche Erschwernisse benachteiligt? Liegt hier ein Verstoß gegen den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz vor? Dies ist nicht der Fall, sofern die vertraglichen Erschwernisse aus medizinischen Gründen erforderlich sind.

Der Störfall: Das entgeltfreie Arbeitsverhältnis

Ein klassischer Störfall ist, vor allem im Fall einer aus Entgeltumwandlung finanzierten betrieblichen Altersversorgung, das entgeltfreie Arbeitsverhältnis. Betrachtet man diesen potenziellen Störfall einmal am Beispiel einer BU-Direktversicherung, so wird die Tragweite einer möglichen Fehlentscheidung des Arbeitgebers sehr schnell deutlich:

Alexander Schrehardt, Gesellschafter-Geschäftsführer, AssekuranZoom GbR

Für den Arbeitnehmer Max Mustermann wurde im Januar 2018 eine BU-Direktversicherung mit einer versicherten Rente von 1.500 Euro/Monat gegen Entgeltumwandlung eingerichtet. Am 02.04.2020 testierte der Hausarzt von Herrn Mustermann aufgrund einer Infektion mit dem SARS-CoV-2-Virus eine Arbeitsunfähigkeit.

Aufgrund eines schweren Krankheitsverlaufs und einer notwendigen stationären Behandlung in einem Krankenhaus sollte die Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers für mehrere Monate fortbestehen. Der Arbeitgeber erbrachte im Rahmen der gesetzlichen Regelung für die Dauer von sechs Wochen eine Entgeltfortzahlung. Nach Ablauf der Entgeltfortzahlung bestand für Herrn Mustermann ab dem 14.05.2020 ein Anspruch auf Krankengeld.

Nachdem mit dem Einsetzen der Krankengeldzahlung eine Entgeltumwandlung nicht mehr möglich war, stellte der Arbeitgeber die BU-Direktversicherung seines Arbeitnehmers auf Anraten des Vermittlers beitragsfrei. Infolge des schweren Krankheitsverlaufs und dauerhafter neurologischer Defizite beantragte Arbeitnehmer Max Mustermann im Oktober 2020 über seinen Arbeitgeber Leistungen wegen Berufsunfähigkeit.

Der Lebensversicherer anerkannte seine Leistungspflicht und berechnete aufgrund der Beitragsfreistellung den Leistungsanspruch mit einer monatlichen Rentenleistung in Höhe von 37,68 Euro, zahlbar rückwirkend ab dem 01.05.2020.

Der Gesetzgeber hat die mögliche Vorgehensweise im Fall eines entgeltfreien Arbeitsverhältnisses für eine aus Entgeltumwandlung finanzierte Direktversicherung, Pensionskassen oder Pensionsfondsversorgung im Betriebsrentengesetz geregelt. So kann der Arbeitnehmer den Versicherungsvertrag für die Dauer des entgeltfreien Arbeitsverhältnisses mit eigenen Beiträgen fortführen.

Der Gesetzgeber räumt hierfür sogar eine „Riester-Förderung“ nach §§ 10a und 82 EStG ein, das heißt, der Arbeitnehmer kann – bezogen auf die von ihm bezahlten Beiträge – eine Zulagenförderung erhalten sowie einen Sonderausgabenabzug nach § 10a EStG geltend machen. Dieser Joker der steuerlichen Förderung kann allerdings im Fall der BU-Direktversicherung nicht gezogen werden, da bei förderfähigen Riester-Verträgen nur maximal 20 Prozent des Gesamtbeitrages für eine Absicherung des Berufsunfähigkeitsrisikos eingesetzt werden dürfen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 AltZertG).

Sofern der Arbeitgeber in unserem Beispiel seinen Arbeitnehmer nicht auf die Möglichkeit einer Vertragsfortführung mit eigenen Beiträgen hingewiesen oder dies in seiner Versorgungsordnung geregelt hat, haftet er im Fall einer eigenmächtig veranlassten Beitragsfreistellung des Versicherungsvertrages gegenüber seinem Arbeitnehmer in Höhe der zugesagten Rentenleistung.

Diese mögliche Haftungsfalle kann für das Unternehmen entschärft werden, wenn für den Fall einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers mit dem Versicherer eine Beitragsfreistellung bei vollem Versicherungsschutz vertraglich vereinbart werden kann.

Die Frage, ob eine derartige Beitragsbefreiung für die Dauer einer Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers eine nicht zulässige Leistung darstellt, konnte zwischenzeitlich verbindlich geklärt werden.

Auf eine Anfrage des Autors teilte das Bundesministerium der Finanzen nach Abstimmung mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales mit Schreiben vom 13.07.2020 mit, „dass eine Beitragsfreistellung, etwa für die Zeit, in der ein Beschäftigter Krankengeld erhält, betriebsrentenrechtlich unbedenklich ist.“

Aspekt 4: Steuerrechtlich unbedenklich. Arbeitsrechtlich der Supergau.

Bei der Einrichtung einer privaten Berufsunfähigkeitsversicherung wird als Gewinnverwendung zumeist eine sofortige Verrechnung der Überschüsse mit dem Tarifbeitrag vereinbart, sodass der Versicherungsnehmer bei der laufenden Beitragszahlung entlastet wird.

Das Bundesministerium der Finanzen räumt diese Möglichkeit der Gewinnverwendung in seinem Schreiben vom 01.08.2006 auch ausdrücklich für eine BU-Direktversicherung ein. Allerdings hätte die Vereinbarung einer Sofortverrechnung von Überschüssen für den Arbeitgeber bei Ausscheiden des Arbeitnehmers aus dem Unternehmen fatale Folgen.

Hier ist die Frage zu stellen, wie sich die unverfallbare Versorgungsanwartschaft des Arbeitnehmers bei Ausscheiden aus dem Unternehmen berechnet. Sofern die nachfolgenden Voraussetzungen erfüllt sind, beschränkt sich der Anspruch des Arbeitnehmers auf die aus dem Versicherungsvertrag zu erbringende Versicherungsleistung:

  • Der ausgeschiedene Arbeitnehmer muss das vertraglich geregelte Recht auf Fortführung des Versicherungsvertrages mit eigenen Beiträgen haben.
  • Spätestens drei Monate nach Ausscheiden des Arbeitnehmers muss das Bezugsrecht unwiderruflich sein.
  • Das Beitragskonto zu der Direktversicherung muss ausgeglichen und der Vertrag darf weder abgetreten noch beliehen sein.
  • Die Überschussanteile dürfen ab Versicherungsbeginn beziehungsweise ab Beginn der Betriebszugehörigkeit nur zur Verbesserung der Versicherungsleistung verwendet werden.

Ein Verstoß gegen eine dieser Voraussetzungen, zum Beispiel eine „falsche“ Verwendung der laufenden Überschüsse, führt dazu, dass die unverfallbare Versorgungsanwartschaft des Arbeitnehmers nach dem m-/n-tel-Verfahren quotiert, das bedeutet in Abhängigkeit von der tatsächlichen und der maximal möglichen Betriebszugehörigkeit des Arbeitnehmers bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze ermittelt wird. Dies kann für den Arbeitgeber am Ende ziemlich teuer werden, wie das nachfolgende Beispiel verdeutlichen soll:

Arbeitnehmer Max Mustermann ist an seinem 30. Geburtstag zum 01.10.2000 in das Unternehmen seines Arbeitgebers eingetreten. Zum 01.10.2010 hatte der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer eine BU-Direktversicherung mit einer monatlichen Rente von 1.500 Euro zahlbar im Versicherungsfall bis zum vollendeten 67. Lebensjahr des Arbeitnehmers zugesagt. Das Arbeitsverhältnis wird im gegenseitigen Einvernehmen zum 1.10.2020 aufgehoben.

Sofern der Arbeitgeber alle Voraussetzungen für die versicherungsvertragliche Lösung erfüllt, beschränkt sich der Versorgungsanspruch von Herrn Mustermann auf eine monatliche Absicherung von ~ 260 Euro/Monat. Sollte der Arbeitgeber allerdings eine der sozialen Auflagen verletzen, würde sich für Herrn Mustermann ein Versorgungsanspruch nach dem m-/-n-tel-Verfahren mit 1.500 Euro x (20 : 37) = 810,81 Euro/ Monat berechnen.

Im Versicherungsfall müsste der Arbeitgeber die Rentenleistung des Versicherers um monatlich ~ 551 Euro aufstocken. Die Umsetzung der vom Gesetzgeber normierten sozialen Auflagen sollte also zwingend und gewissenhaft beachtet werden.

Fazit

Die BU-Direktversicherung ist mit Blick auf die steuerliche Förderung, rabattierte Tarife, den Beitragszuschuss des Arbeitgebers für aus Entgeltumwandlung finanzierte Verträge und eine regelmäßig stark verkürzte Risikoprüfung eine sehr interessante Versicherungslösung für Arbeitnehmer.

Arbeitgeber, die diesen Versicherungsschutz im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung ausloben, haben mit der BU-Direktversicherung ein werthaltiges Instrument für die Mitarbeiterbindung im Unternehmen.

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Die Berufsunfähigkeits-Direktversicherung, Teil 1

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