Lebensversicherungsbranche kämpft weiter um Stabilität

Lebensversicherungsbranche kämpft weiter um Stabilität
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Die um rund 12 Prozent gestiegenen Garantieanforderungen der 82 deutschen Lebensversicherer erfüllt die Branche stabil. Allerdings zeigt ein Blick auf einzelne Unternehmen, dass es hier bereits im Vorfeld der COVID-19-Krise wenig Puffer gab.

Das geht aus der Policen-Direkt-Analyse der aktuell veröffentlichten Zahlen zur Mindestzuführungsverordnung (MindZV) hervor.

Sämtliche Lebensversicherer müssen seit 2015 diese Pflichtangaben nach Mindestzuführungsverordnung (MindZV §15) bis spätestens Ende September des Folgejahres veröffentlichen.

Henning Kühl, Chefaktuar von Policen Direkt und Versicherungsmathematiker (DAV), erklärt:

„Beim Blick auf die einzelnen Unternehmen zeigt sich, dass fast die Hälfte der Unternehmen auf Sicht fährt. Sie erfüllen die Anforderungen nur äußerst knapp. Die Branche hat bereits im Vorfeld der COVID-19-Krise um Stabilität gekämpft.“

Rechnungszins hat sich erhöht

Die relevante Finanzstärke als Quote aus den Kapitalerträgen im Verhältnis zu den Aufwendungen für den Rechnungszins ist im Marktschnitt mit 114,41 Prozent im Vergleich zum Vorjahr (114,03 Prozent) stabil.

Weil sich der Rechnungszins erhöht hat, mussten die betroffenen Unternehmen dafür die Erträge aus den Kapitalanlagen erhöhen. Im Jahr davor hatte es eine Reform der Zinszusatzreserve gegeben und die Garantieanforderungen waren um 24 Prozent gesunken.

Erfüllung der Garantieverpflichtungen

Die 2019 erwirtschafteten Erträge aus der Kapitalanlage reichen bei 24 von 82 Lebensversicherern nicht aus, um die Garantieverpflichtungen zu erfüllen und die gesetzlich vorgeschriebene Reserve zu bedienen. Im Jahr 2018 waren es noch 30 Unternehmen.

Aus der Einzelbetrachtung ergibt sich, dass es sich hier nicht immer dieselben Unternehmen handelt, bei denen die Finanzstärke unter 100 Prozent liegt. Diese müssen dann dafür Erträge aus Risiko und Verwaltung in die Rechnung einbeziehen müssen.

Henning Kühl dazu:

„Auf den ersten Blick ist das eine Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr und damit eine gute Nachricht. Die Spielräume sind allerdings unverändert eng geblieben.“

Bei insgesamt 40 Gesellschaften (2018: 41) liegt diese Kennzahl bei maximal 105 Prozent.

Die Gesamt-Ertragsstärke als eine weitere zentrale Kennzahl aus der Analyse der Pflichtveröffentlichung gemäß §15 MindZV zeigt im Vergleich mit der Finanzstärke an, in welchem Maß eine Quersubventionierung stattfindet. Garantieanforderungen werden so aufgrund der niedrigen Kapitalmarkt-Zinsen durch Risikogewinne gesichert.

Auch Biometrie-Versicherer erwirtschaften tendenziell ebenfalls geringere Kapitalerträge und dafür höhere Risikogewinne. Die Gesamt-Ertragsstärke berücksichtigt sämtliche Erträge in der Rechnung und liegt branchenweit bei 140,07 Prozent (2018: 141,75 Prozent).

Wie auch im Vorjahr schafft es ein Versicherer auch mit Verwaltungs- und Risikogewinnen nicht, die Anforderungen zu erfüllen. Die Gesamt-Ertragsstärke liegt in diesem Fall unter 100 Prozent als Indiz dafür, dass das betroffene Unternehmen noch deutlicher als andere von der Substanz zehrt.

Finanzstärke deutscher Lebensversicherer

Stabilisierende Maßnahmen auf der Tagesordnung

Hauptsächlich beobachtet Henning Kühl eine Konsolidierung auf Produktebene, daneben auch einzelne Unternehmenszusammenschlüsse. Traditionelle Garantien spielen dabei kaum eine Rolle mehr. Die klassische Brutto-Beitragsgarantie fällt auf breiter Front.

Wenn Lebensversicherer das Risiko damit auf ihre Kunden übertragen, wirkt das positiv auf die Krisenfestigkeit der Unternehmen aus. Angesichts dauerhaft niedriger Zinsen womöglich auch aus Kundensicht mit Blick auf eine künftig weiter auskömmliche und finanzierbare Altersvorsorge.

Henning Kühl sagt:

„Lebensversicherer müssen für neue Produkte aufgrund der Solvenzvorschriften darlegen, dass Sie langfristig in der Lage sind, die garantierten Leistungen zu erfüllen. Zeitgemäße Garantiemodelle sind gerade angesichts der niedrigen Zinsen mitunter unumgänglich, in jedem Fall aber erklärungsbedürftig. Für die Kunden bleiben sichere Werte und transparente Informationen zur Vertragsentwicklung entscheidend bei der privaten Altersvorsorge.“

Die Tabellen stehen auf www.ertragsquellen.de zur Verfügung.

 

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