Die bAV ist und bleibt eine tragende Säule

Die bAV ist und bleibt eine tragende Säule
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Interview mit Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge – Management GmbH, rund um die Veränderungen in der Beratungspraxis für die betriebliche Altersversorgung.

Brigitte Hicker: Sie haben zusammen mit Alexander Schrehardt ein neues Buchprojekt auf die Agenda genommen. Im August wurde die erste Ausgabe des Kompasses für die Beratungspraxis bAV & Vorsorge vom Verlag VVW veröffentlicht. Was verbirgt sich hinter diesem Titel?

Dr. Henriette Meissner: Die Halbwertszeiten bei der bAV und Versicherungstarifen, auch im Gesetzgebungsverfahren und in der Rechtsprechung, werden immer kürzer. Für den Vermittler unserer Tage ist es praktisch unmöglich geworden, Produktentwicklung, sich verändernde gesetzliche Rahmenbedingungen und aktuelle Urteile im Blick zu behalten und zu bearbeiten. Mit dem Kompass für die Beratungspraxis wollen wir dem Vermittler eine Orientierung in den Bereichen betriebliche Altersversorgung/private Vorsorge bieten.

Wer ist wir?

Der Kompass für die Beratungspraxis wird von Alexander Schrehardt, der die Themenbereiche Biometrie und private Vorsorge verantwortet, und mir herausgegeben, wobei ich für die betriebliche Altersversorgung zuständig bin. Diese Themenbereiche lassen sich allerdings nicht immer scharf trennen; eine Schnittmenge wie zum Beispiel die Berufsunfähigkeits-Direktversicherung kann und soll auch behandelt werden.

Das sind sehr umfassende Themenbereiche. Schreiben auch andere Autoren für den Kompass?

Natürlich schreiben auch weitere Autoren für den Kompass und wir freuen uns sehr, dass wir bereits für die im August veröffentlichte Erstausgabe Rechtsanwältin Margret Kisters-Kölkes, Dr. Susanne Marian von der Allianz Lebensversicherung und Dr. Claudia Veh von KPMG als Autorinnen gewinnen konnten.

Können Sie uns bitte als Beispiele je ein wichtiges Thema aus der betrieblichen Altersversorgung und der privaten Vorsorge nennen, die in der Erstausgabe bearbeitet wurden?

Alexander Schrehardt hat in seinem Beitrag über die Gelbe-Schein-Regelung die Absicherung des Arbeitsunfähigkeitsrisikos in Verbindung mit einer Berufsunfähigkeitsversicherung unter besonderer Berücksichtigung der Schnittstelle zur Krankentagegeldversicherung mit möglichen Haftungsfallen bearbeitet. In der betrieblichen Altersversorgung ist die Neuregelung der versicherungsvertraglichen Lösung für die versicherungsförmigen Durchführungswege ein Thema, das von mir vorgestellt wurde. Viele Vermittler gehen davon aus, dass mit der Neufassung der versicherungsvertraglichen Lösungen alle potenziellen Probleme beim Ausscheiden eines Mitarbeiters mit einem Versorgungsanspruch, zum Beispiel aus einer Direktversicherung, beseitigt wurden. Hier eröffnen sich Beratungschancen.

Hat sich die Vorsorgeberatung zur betrieblichen Altersversorgung oder zur privaten Absicherung von beispielsweise biometrischen Risiken nach Ihrer Einschätzung verändert?

Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH

Ja und nein. Die deutsche Gesellschaft hat sich in den letzten Jahren sehr verändert. Ernährungs- und Lebensgewohnheiten haben sich gewandelt, psychische Erkrankungen haben deutlich zugenommen und werden aktuell durch die Folgen der COVID-19-Pandemie katalysiert. Diese externen Faktoren wirken sich auch in der Vorsorgeberatung aus.

Wer hätte noch vor 20 Jahren gedacht, dass bereits Kinder und Jugendliche einer psychotherapeutischen Behandlung bedürfen, die zu einem späteren Zeitpunkt der Einrichtung von beispielsweise einer Berufsunfähigkeitsversicherung entgegensteht! Es besteht heute ein anderer und vor allem ein vorgezogener Beratungsbedarf. Allerdings huldigen auch heute noch viele Vermittler dem Grundsatz „Wir haben das immer so gemacht, warum sollen wir etwas ändern!“.

Bearbeiten Sie derartige Vertriebsfragen auch im Kompass?

Ja, natürlich, das sind sogar ganz besonders wichtige Themen, an die ja auch der nachhaltige Erfolg der Vermittler anknüpft. Alexander Schrehardt hatte daher in der Erstausgabe des Kompasses der Fragestellung „Die deutsche Gesellschaft verändert sich – Muss die Versicherungsbranche Vertrieb neu denken?“ auf die Agenda genommen.

Die Null-Zins-Politik der Europäischen Zentralbank lastet schwer auf den Lebensversicherungen. Ein Rechnungshöchstzins von 0,9 Prozent, der, so plädiert Norbert Rollinger, Vorstandsvorsitzender der R+V Lebensversicherung, von den Gesellschaften 2021 freiwillig weiter abgesenkt werden soll. Rentiert sich die betriebliche Altersversorgung vor dem Hintergrund der EZB-Zinspolitik überhaupt?

Es ist natürlich korrekt, dass die Zinspolitik der EZB-Banken die Versicherungsgesellschaften vor große Herausforderungen stellt. Allerdings, und das muss mit Nachdruck hervorgehoben werden, lasten eine steigende Lebenserwartung und ein seit dem Jahr 1972 durchgängig zu beobachtender Geburtenunterschuss schwer auf den umlagefinanzierten sozialen Sicherungssystemen.

Die Versicherungswirtschaft hat sich bei den Lösungen für die betriebliche Altersvorsorge mittlerweile neu aufgestellt und mit der sogenannten „neuen Klassik“ ertragsorientierte Produkte mit eingebauter Sicherheit an den Start gebracht. Die Sterbetafeln DAV 2004R haben sich bisher bewährt, sodass wir nicht – wie zum Beispiel einzelne Einrichtungen der bAV – die Biometrie nachfinanzieren müssen.

Dazu kommt die staatliche Förderung der bAV – die Steuer- und Sozialversicherungsfreiheit in der Ansparphase wird nun durch den Arbeitgeberzuschuss bei Entgeltumwandlung, die Förderung nach § 100 EStG für die arbeitgeberfinanzierte Versorgung und nicht zuletzt durch den neuen Freibetrag für die Verbeitragung von Betriebsrenten noch weiter verbessert.

Das bedeutet, dass fast für jeden die betriebliche Altersversorgung eine gute Ergänzung zur gesetzlichen Rentenversicherung darstellt.

Frau Dr. Meissner, Sie hatten die betriebliche Altersversorgung einmal als Schnittmengenmodell von Arbeits-, Sozial-, Steuer- und Zivilrecht bezeichnet. Kann sich der Vermittler in diesem komplexen Konstrukt nicht verlieren?

Für die Einrichtung und Betreuung einer betrieblichen Altersversorgung ist eine fachliche Expertise des Vermittlers ohne jeden Zweifel gefordert. Sie ist sein Alleinstellungsmerkmal. Allerdings liefert auch an dieser Stelle der Kompass für die Beratungspraxis wertvolle Unterstützung.

So haben Frau Kisters-Kölkes, Frau Dr. Marian und Frau Dr. Veh mit den Informationspflichten des Arbeitgebers, der Insolvenzsicherung der bAV von Geschäftsführern und der Hinterbliebenenregelung nicht nur wichtige, sondern vor allem Themen mit einem direkten Praxisbezug aufgearbeitet.

Welche Alternativen zu einer fachlichen Qualifizierung im Bereich der betrieblichen Altersversorgung würden Sie einem Vermittler empfehlen?

Die Weiterbildungsangebote sind zahlreich. Viele Gesellschaften bieten regelmäßig Webinare und sicherlich in Zukunft auch wieder Präsenzseminare zu Themen der betrieblichen Altersversorgung an. Vermittlern, die einen Einstieg in das Thema suchen, empfehle ich das Angebot der Deutschen Makler Akademie. Sehr interessant ist das vom Campus Institut AG in Kooperation mit der Fachhochschule Koblenz angebotene Aufbaustudium zum Betriebswirt bAV (FH).

Zum Abschluss noch eine wichtige Frage: Wie sehen Sie die Zukunft der betrieblichen Altersversorgung?

Die betriebliche Altersversorgung war, ist und wird immer eine tragende Säule vor allem der Altersversorgung von Arbeitnehmern sein. Tatsache ist nun einmal, dass die gesetzliche Altersrente aufgrund der demografischen Verwerfungen in Deutschland nur noch eine Grundversorgung sicherstellen wird. Private und betriebliche Vorsorge ist vor diesem Hintergrund das Gebot der Stunde. Für die qualifizierte Vorsorgeberatung werden engagierte Vermittler dringend benötigt.

Vielen Dank für das informative Gespräch.

Die bAV-Expertin Dr. Henriette Meissner informiert ausführlich über die Funktionsweise des attraktiven, aber komplexen Durchführungsweges Unterstützungskasse:

  • Wie müssen Prozesse gestaltet werden?
  • Wo liegen die Hürden und worauf muss man besonders achten?

Das eintägige Einstiegs- und Fortbildungsseminar mit kompakter Wissensvermittlung und direktem Austausch richtet sich an bAV-Berater, Consultants, Mitarbeiter und Führungskräfte in Unterstützungskassen und in Personalabteilungen.

Themenschwerpunkte sind unter anderem:

  • Betriebsausgabenabzug nach § 4d EstG
  • Grundsätze und „Fallen“ der Körperschaftsteuerfreiheit
  • Pflichten der Organe
  • Satzung als „Herzstück der Unterstützungskassenzusage“
  • Arbeitsrechtliche Besonderheiten

Referentin:

Dr. Henriette Meissner, Geschäftsführerin der Stuttgarter Vorsorge-Management GmbH und Generalbevollmächtigte der Stuttgarter Lebensversicherung a. G., Leitung der Fachvereinigung Unterstützungskassen sowie Mitglied des Vorstandes der aba

Die Unterstützungskasse

Datum: Mittwoch, 25. November 2020

Beginn: 09:00 Uhr

Ende: 17:00 Uhr

Veranstaltungsort: Frankfurt am Main, nahe Hauptbahnhof (5 Gehminuten)

Seminargebühr: regulär 740,00 € inkl. MwSt. (Studenten/Absolventen der Studiengänge Betriebswirt/-in bAV (FH) und Finanzfachwirt/-in (FH) am CAMPUS INSTITUT zahlen die ermäßigte Seminargebühr von 660,00 € inkl. MwSt.)

IDD-Weiterbildungszeit: 6,5 Stunden

[email protected], www.campus-institut.de

 

Mehr zum Thema in der Ausgabe 10/20 des experten Report

 

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