Pensionskassen und Versorgungswerke kürzen Rentenansprüche

Pensionskassen und Versorgungswerke kürzen Rentenansprüche
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Die Erwartung an die Leistungshöhe bei Pensionsanstalten (PA) und Pensionskassen (PK) trübt(e) sich schon seit vielen Jahren stetig und absehbar zunehmend ein. Der § 314 Versicherungsaufsichtsgesetz (VAG) gestattet es, dass die Finanzaufsicht (BaFin) ein Zahlungsverbot ausspricht oder eine Leistungskürzung der PK anordnet.

Soweit kam es bisher jedoch noch nicht (BT-Drucksache 19/1216, Seite 32) – lediglich das Neugeschäft wurde zunächst untersagt. Alternativ könnte die BaFin bei drohender Zahlungsunfähigkeit die Insolvenz beantragen; sofern und soweit ihre Aufsichtsbefugnisse reichen.

Dr. Johannes Fiala, Rechtsanwalt, Rechtsanwaltskanzlei Dr. Johannes Fiala

Tatsächlich gab es seit 2007 eine tendenziell zunehmende Anzahl von PK (einschließlich solcher, die sich als Versorgungskasse, Alterskasse oder Versorgungsanstalt bezeichnen), welche zum Beispiel satzungsgemäß bei der BaFin mit Erfolg die Herabsetzung der Verrentungsfaktoren für künftige Beiträge genehmigen ließen. Eine vergleichsweise milde Form der Leistungskürzung, wenn auch deutlich spürbar. Zumal zuvor bereits die Rentenzuwächse aus Überschüssen legal ganz ohne Aufsichtsgenehmigung gekürzt wurden, sodass auch viele laufende Renten seitdem kaum noch erhöht werden und neue Renten sich bis auf die Mindestgarantie beschränken.

Leistungskürzung durch Landesaufsichtsbehörde bei Pensionsanstalt

Die Anordnung einer Leistungskürzung, etwa nach Prüfung durch den Rechnungshof, entschieden durch zum Beispiel das Wirtschaftsministerium als Aufsichtsbehörde, dient der Vermeidung einer Insolvenz; § 81 II 1, I 4 VAG.

Dies gilt entsprechend – als Mißstandsaufsicht –, wenn Träger der Pensionsanstalt eine öffentlich-rechtliche juristische und damit insolvenzunfähige Person ist. Dann müssen Beiträge heraufgesetzt oder Leistungen gekürzt werden oder beides, um eine staatliche Gewährsträgerhaftung zu vermeiden (VG München, Urteil vom 11.05.2009, Az. M 3 K 07.5934, Rz. 49).

Einstandspflicht von Arbeitgebern gegenüber Mitarbeitern bei Pensionskürzung

Das Bundesarbeitsgericht (BAG, Urteil vom 19.06.2012, Az. 3 AZR 408/10) entschied, dass bei satzungsgemäßer Leistungsherabsetzung einer PK der Arbeitgeber im entsprechenden Umfang dem Arbeitnehmer die Differenz auszugleichen hat: § 1 I 3 Betriebsrentengesetz (BetrAVG). Vertraglich kann sich der Arbeitgeber von dieser Einstandspflicht bei dynamischer Verweisung nicht befreien. Bitter ist dies beispielsweise für jene Steuerberater, welche für ihre Mitarbeiter die betriebliche Altersversorgung bei einer „Pensionskasse für Steuerberater VVaG“ abgeschlossen hatten – einen Zugang zum eigenen Versorgungswerk gibt es für normale Kanzleimitarbeiter regelmäßig nicht.

Einstandspflicht gegenüber sich selbst?

Grundsätzlich könnte der sogenannte „verantwortliche Aktuar“ (VA) beim Versicherer oder einer PK durchaus haften – der übliche Hinweis, die Aufsichtsbehörde habe solches ja bisher nicht beanstandet, hilft ihm nicht. Problematisch wird indes der Schadennachweis sein. Denn bei korrektem (Kalkulations-) Verhalten hätte der Rentenanwärter für die zugesagte Rente doch bereits seit vielen Jahren eher noch mehr an Beitrag zahlen müssen oder für den gleichen Beitrag sofort eine niedrigere Rente zugesagt bekommen, auf die nun letztlich auch nur herabgesetzt wird.

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Wenn er jetzt mehr zahlen muss oder weniger bekommt, oft nicht mal in dem Umfang, wie es korrekterweise schon seit Langem hätte sein müssen, hat er gar keinen Schaden. Er verliert nur den durch Fehlkalkulation entstandenen ungerechtfertigten Vorteil. Nur beim Arbeitnehmer muss der Arbeitgeber dennoch dafür einstehen, was er ihm leider zu hoch zugesagt hat. In Ausführungen zum „Schadenersatz“ findet sich der klarstellende Hinweis, dass der Schaden nicht unter der Prämisse gerechnet wird, der Rat oder das Verhalten wäre richtig gewesen. Die Versicherten haben im rechtlichen Sinn daher keinen Schaden, wenn sie das zu hoch Zugesagte nicht bekommen.

Nur die Arbeitnehmer haben einen Anspruch aus Gewährleistung durch ihren Arbeitgeber – und dieser damit einen Schaden. Weil er bei Kenntnis der Fehlkalkulation ja keine so hohen Renten zugesagt hätte.

Die PK ist nicht in der Rolle eines Vermögensverwalters, der durch vertragliche Anlagerichtlinien daran gehindert wäre, spekulative(re) Investments zu tätigen – selbst bei am Ende negativem Ertrag. Das Geld ist ja nicht ganz weg. Es reicht nur nicht für das, was fehlerhaft zu viel in Aussicht gestellt wurde. Weshalb es nun nur das gibt, was es eigentlich schon immer nur hätte geben dürfen.

Einstandspflicht des verantwortlichen Aktuars bei Pensionskassen und Versicherungen?

Eher schon könnte der Aktuar dafür haften, dass die Entscheidung über Beitragserhöhung beziehungsweise Leistungskürzung zu spät oder zu gering erfolgt war – eine Umverteilung von „Jungen zu Alten“; denn es wären stets Rentenzahlungen und Anwartschaften gleichermaßen zu kürzen (BVerwG, Urteil vom 21.09.2005, Az. 6 C 3.05).

Fraglich wäre auch, ob sich ein verantwortlicher Aktuar durch Verweis auf fehlende Beanstandung durch Wirtschaftsprüfer (WP)-Testat und BaFin exkulpieren kann. Durch gesetzlich  Vorgaben (zum Beispiel „Solvency II und IFRS 17“) ist es einem sachverständigen Dritten (zum Beispiel WP) „schwierig bis unmöglich“, die gebildeten (Finanz-)Reserven durch Gegenrechnung zu verifizieren.

Umso verwunderlicher erscheint es, wenn Geschäftsleiter von PK oder Versorgungswerken glauben, ohne Aktuar bei Aufsicht und Kontrolle auszukommen: im Schadenfall ein Organisationsmangel mit Managerhaftung. Dass sich jemand im Alter überraschenderweise einschränken muss, ist noch kein Schaden. Eventuell kann er sagen, dass er bei korrektem Verhalten zusätzlich freiwillig in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hätte – aber dann hätte er dadurch derzeit noch weniger Vermögen.

Somit hat er durch den Fehler „seiner Pensionskasse“ oder wessen auch immer derzeit sogar einen Vorteil, durch die Beitragsersparnis, der im Wege des Vorteilsausgleichs dann sogar gegebenenfalls zunächst einmal gegenzurechnen wäre, bis sich so in 20 Jahren nach Rentenbeginn die (gesetzliche) Rente als Alternative gelohnt hätte.

Risikoloser Marktzins – abzüglich der Kosten von Finanzintermediären

Auf Dauer kann man seine Erwartungen am Kapitalmarkt festmachen. Aber das will man nicht hören, sondern lieber etwas Positiveres von jemandem, bei dem man in der Lage ist, ihm das glauben zu können. Daher schafft man sich eine Organisation und bezahlt dafür Geeignete, dass sie in glaubwürdiger Form lügen, soweit sie es nicht sogar sich selbst vormachen und daran glauben. Es ist vielen einfach lieber leere Versprechungen zu bekommen, als gar keine. Die meisten betroffenen Selbstständigen glauben auch heute noch nicht, dass die Rentenkürzungen überhaupt notwendig sind.

Oder meinen, es müssten besonders krasse Fehler und Verschulden anderer gewesen sein, die wohl das Kapital vernichtet haben. Die einen meinen, man hätte mehr in Aktien investieren müssen, die anderen meinen, an den Abschreibungen erkennen zu können, dass genau dies der Fehler war.

Dazu rechnen Ahnungslose vor, dass mehr Beiträge eingenommen werden als Renten ausgezahlt und dafür die Rückstellungen ständig erhöht werden, ohne jede erkennbare Entnahme.

Gewiss unschuldig ist die Europäische Zentralbank – eher falscher Stolz auf schwarze Nullen

Die sinkenden Renditen auf dem Kapitalmarkt folgen dem Umstand, dass viel zu viel Geld händeringend und globalisierter seit Jahrzehnten nach Anlagemöglichkeiten sucht. Die Transformation dorthin bestand unter anderem einerseits in einer Verwandlung der Unternehmen in volkswirtschaftliche Nettosparer und andererseits in einer Limitierung staatlicher Neuverschuldung durch sogenannte „Europäische Verträge“, ausgeglichene Haushalte und geringere Militärausgaben.

In Indien fragte der Arzt, auf was denn die behandelten Patienten noch vor der Praxis warten: Darauf, für ihren Besuch bezahlt zu werden!

Anleger müssen sich fragen lassen, wie sie denn darauf kommen, dass sie für ihr Geld Zinsen bekommen müssten.

Schließlich bekommt man für überflüssigen Hausmüll auch kein Geld, sondern muss dafür bezahlen.

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