Weshalb private Basisrenten für Versicherungsnehmer oft zu Verlusten führen

Weshalb private Basisrenten für Versicherungsnehmer oft zu Verlusten führen
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Ein Marketingexperte bemerkte: „Die beste Marketingagentur sitzt in Berlin – sprich die Regierung.“ Erst kam die zulagengeförderte Riester-Rente, dann die zunehmend steuerlich absetzbare Basisrente, auch Rürup-Rente genannt. Ein Finanzdienstleister meinte: „Die Verlagerung von der staatlichen zur privaten Altersvorsorge ist ein Wachstumsmarkt über Jahrzehnte … Es ist jedoch so, als wenn wir auf einer Ölquelle sitzen. Sie ist angebohrt, sie ist riesig groß und sie wird sprudeln.“

Private Basis- und Riester-Renten können nicht rentabel sein?

Die Verwaltungskosten der Deutschen Rentenversicherung (DRV) liegen bei bis zu etwas mehr als 1 Prozent der Beitragseinnahmen – Abschlusskosten gibt es bei dieser steuerbegünstigten gesetzlichen Basisrente nicht. Bei Basisrenten der Versicherungswirtschaft sind es bei durchschnittlicher Laufzeit, einschließlich Abschlusskosten, bis zu mehr als zehnmalhöhere Kosten. Liegt zumindest mittelfristig unser Marktzins der sicheren Staatsanleihen bei rund „null Prozent“, kauft sich der Anleger absehbar nahezu sichere nominelle Verluste ein, also nicht einmal den Inflationsausgleich. Wer dies als Sparer bemerkt, ist indes schlecht beraten auszusteigen. Stellt sich doch die unbequeme Frage nach den Alternativen.

Schuld am Niedrigzins sind Draghi und die EZB?

Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala
Rechtsanwalt Dr. Johannes Fiala

Wenn einige Journalisten behaupten, die EZB sei für den Niedrigzins verantwortlich, haben sie keine Ahnung von Volkswirtschaft oder von Geldwirtschaft – oder beidem –, erscheinen als die eigentlichen Verschwörungstheoretiker.

Der „Null-Zins“ bringt den Frieden, nicht nur weil es dann keine Zinsen in Preisen mehr geben muss, sich also die Waren verbilligen. Geld bleibt Tauschmittel, aber verliert seine Bedeutung zur Wertaufbewahrung und als Kapitalanlage.

Seit Ankündigung des Euro, durch Einführung des ECU 1998, spätestens seit Einführung des Euro 2002, war echten Fachleuten klar, dass der risikolose Null-Zins die Zukunft sein wird. Im Vorgriff waren bereits bis 1999 die Marktzinsen auf etwas die Hälfte gefallen – die Ablaufprognosen der Lebensversicherer fielen zum überwiegenden Teil bereits bis 2003, nachdem auch der Aktienmarkt zusammengebrochen war.

Spiegelbildlich bekommen Versicherungsnehmer (VN) bei Lebensversicherungen massenhaft auch nach Steuern und Abgaben weniger heraus, als sie einbezahlt hatten, auch bei der Rürup-Rente. Versicherte glauben zu machen, dies werde sich bessern, wenn Draghi als identifizierter Schuldiger weg ist, erscheint als Erfolg versprechende Volksverdummung.

Zum Glück gibt es die Marketingexperten in der Vertragsgestaltung

Es dürfte gang und gäbe sein, dass Betriebswirte einer Fachhochschule mit Studienschwerpunkt im Marketing bei Banken und Versicherungen dort die Musterverträge gestalten. Ausgebildete Juristen sehen diese Unterlagen meist erst, wenn ein Kunde nach einem Vertragswiderruf auf Rückabwicklung klagt. Keine andere Branche hat es so schwer, qualifiziertes Personal anzusprechen, oder muss so viel dafür zahlen – Auszubildende inklusive. Das Abschreiben von Bedingungen ohne Verständnis für deren Sinn ist an der Tagesordnung – kürzlich bemerkte ein Vorstand auf einer Brachenveranstaltung, ein „Konkurrent“ habe seine Bedingungen abgeschrieben und dabei leider den Unternehmensnamen übernommen.

Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungs-mathematik
Dipl.-Math. Peter A. Schramm, Sachverständiger für Versicherungsmathematik

Rückabwicklung durch Widerruf oder als Schadenersatz Mustergültig als (beinahe vollständige) Bastelanleitung für einen Schadenersatz des sich betrogen fühlenden Kunden einer Rürup-Rente ist das Urteil des OLG Saarbrücken (vom 04.05.2011, Az. 5 U 502/10 – 76; und ergänzend vom 26.02.2014, Az. 5 U 64/13). Dieses stellt zunächst klar, dass bei Beratungsfehlern des Agenten oder Versicherungsmaklers auch der hinter diesem stehende Versicherer (VR) gesamtschuldnerisch mithaftet. Eine gute Aussicht auf Kompensation für VN.

Dies ist bemerkenswert, hatte doch ein Makler (falsch) beraten, und dann haftet in der Regel nur dieser. Doch es gibt zahlreiche Ausnahmen – beispielsweise wenn der VR die Falschberatung erkennen muss. Im konkreten Fall hatte der Makler die Witwenversorgung seiner nicht ehelichen Partnerin zugedacht, was bei Nichtverheirateten schlicht undenkbar ist.

Auch wenn ein Makler vermittelt, bleibt der VR zur Aufklärung weiterhin verpflichtet. Und weil der Makler keine Beratungsdokumentation hatte, drehte sich die Beweislast um. So ergeht es auch Ärzten und Architekten, die ihre Beratungen nicht sorgsam festhalten. Das Verschulden wird vermutet, sodass Makler und Versicherer nahezu sicher verantwortlich sind und daher haften. Alleine haftende Makler wurden bereits verurteilt, die Beiträge zurückzuzahlen, Zug um Zug gegen Übertragung der Rentenansprüche aus der Rürup-Rente.

Unterlassungssünden führen zur Haftung auf Rückabwicklung

  • Die Rürup-Rente sei stets pfändungsgeschützt und insolvenzfest, bestätigt auch ein Versicherungsverband: Wer rechtlich unzutreffend argumentierende Freunde hat, braucht keine Feinde mehr. Auch mancher Anbieter aus der Schweiz und Liechtenstein warb mit „Konkursschutz“, der rechtlich nicht bestand.
  • Der Vertrag einer Basisrente ist nicht beleihbar, nicht vererblich, nicht verkaufbar, nicht abtretbar, nicht verpfändbar und vertraglich nicht vorzeitig ordentlich kündbar. Eine Kapitalauszahlung und ein Kapitalwahlrecht gibt es nicht. Eine fehlende Beratungsdokumentation, aber auch entsprechende Lücken sind später vor Gericht der „beste Beweis“, dass eine Fehlberatung vorgelegen haben muss und der VN daher vom Gegenteil ausging. Gibt es einen ausreichenden Grund, kann der VN auch selbst fristlos kündigen. Gläubiger und Insolvenzverwalter praktizieren das durchaus erfolgreich, wenn sie wissen, wie die Pfändung in diesen Fällen funktionieren kann.
  • Steuerverlagerungsmodelle, wie Basis- und Riester-Rente, sind für die Altersversorgung generell ungeeignet(er), denn im Alter wird man angesichts drohender „Altersarmut“ jedwede Steuerausgaben vermeiden wollen. Über diesen massiven Nachteil im Alter wird kaum aufgeklärt. Der „Steuerspareffekt“ wird vielmehr meist allein in den Vordergrund gerückt, ohne nahezu steuerfreie Alternativen aufzuzeigen.
  • Der BGH (Urteil vom 26.08.2018, Az. I ZR 274/16) hält bei Alternativen eine Beratung für pflichtwidrig, wenn keine Vergleichsberechnung hinsichtlich Rentabilität oder Wirtschaftlichkeit unter Berücksichtigung von Steuereffekten geboten wird.
  • Lebensversicherungsgesellschaften könnten bis zu rund zwei Dutzend gesetzliche Möglichkeiten nutzen, ihre Leistungen später herabzusetzen. So wie der Gesetzgeber und Finanzgerichte in der Zukunft auch eine noch weitergehende Besteuerung und/oder Verbeitragung in der Sozialversicherung beschließen könn(t)en. Statt darüber aufzuklären, wird die Betrachtung auf die Einzahlungsphase fokussiert, also nur deren Steuervorteile und fantastische, bisweilen wissentlich unrealistische Gewinnaussichten. Dass Rentner zunehmend Steuern zahlen, haben viele Verbraucher noch nicht realisiert.

Keine Schadensberechnung ohne Sachverständigen?

Wenn der VN seine Versicherung widerruft und rückabwickelt, erhält er die Beiträge zuzüglich der Nutzungen zurück, die er gemäß BGH-Vorgabe selbst darlegen muss, was ihm ohne Sachverständigen kaum gelingen wird.

Hat er hingegen Anspruch auf Schadenersatz, muss er gegebenenfalls mit sachverständiger Hilfe darlegen, weshalb ein bestimmter Teilschaden bereits sicher eingetreten ist, sonst kann keine schlüssige Zahlungsklage erhoben werden. Für eine Feststellungsklage reichen greifbare konkrete Anhaltspunkte für einen wahrscheinlichen Schaden aus, wie beispielsweise bei einer Rürup-Rente die Personengebundenheit der Versicherungsleistung, welche kaum vererbbar ist, oder auch der Hinweis auf diverse Abgabennachteile bei Auszahlung im Alter. Dazu muss ein Vermögensvergleich bei korrekter Beratung mit alternativ wohl getätigten fiktiven Anlagen erfolgen.

Entscheidend ist dazu die Darlegung einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit für derartige künftige Schäden, woran viele Kläger bereits scheitern, zumal wenn der Beklagte selbst versicherungsmathematisch sachverständig beraten ist.

Mehr zum Thema in der experten-Report-Ausgabe 05/19

 

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